Gladbeck. Die Einigung im Tarifstreit bedeutet für Gladbeck Mehrkosten in Millionenhöhe. Was folgt für den Bürger? Welche Antworten nun im Raum stehen.
Beschäftigte im Öffentlichen Dienst freuen sich über die erreichte Einigung im Tarifstreit, Kommunen und der Steuerzahlerbund NRW sehen angesichts des hohen Abschlusses rot. Höhere Gebühren, beispielsweise bei der Müllabfuhr, könnten eine Folge sein, um die Mehrkosten aufzufangen. Ein Dreh an der Steuer- und Abgabenschraube sei gerade für Städte unter finanziellem Druck, wie im Ruhrgebiet, ebenso denkbar. Auch für die Stadt Gladbeck bedeutet der Tarifabschluss eine enorme Belastung.
Die Personalkosten werden aus dem städtischen Haushalt bezahlt. Somit bedeute der Tarifabschluss unter dem Strich eine Mehrbelastung in Millionenhöhe, die für eine verschuldete Kommune wie Gladbeck sehr schwer zu schultern sei, so Rathaussprecher David Hennig. Er sagt: „Diese Einigung ist für die Stadt als Arbeitgeberin deshalb sehr herausfordernd, verschärfen die steigenden Personalkosten schließlich die finanzielle Situation nochmals deutlich. Dennoch, der Tarifabschluss ist wichtig für die Beschäftigten.“
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Allein die steuerfreie Einmalzahlung belastet den städtischen Haushalt in Gladbeck mit rund zwei Millionen Euro
Auch der öffentliche Dienst habe mit Arbeits- und Fachkräftemangel zu kämpfen. Deshalb sei es richtig, dass gute Arbeit auch gut bezahlt werde, und der Lohn gerade in den unteren und mittleren Entgeltgruppen auch zum Leben reiche. Der Verwaltungssprecher findet: „Der getroffene Kompromiss, von dem besonders diese Gruppen profitieren, ist deshalb nachvollziehbar. Wir müssen nun auf die kommenden Haushalte schauen, welche Spielräume wir auf der Einnahmen- und Ausgabenseite haben.“
Ein Blick auf Einzelpunkte im Tarifabschluss offenbaren die finanzielle Tragweite für Kommunen. Da wäre einmal die vereinbarte steuerfreie Einmalzahlung, Inflationsausgleich genannt. „Sie belastet den städtischen Haushalt im Jahr 2023 mit insgesamt rund zwei Millionen Euro, wobei eine Lohnsteigerung von 1,5 Prozent, etwa 800.000 Euro, bereits eingerechnet wurde“, sagt David Hennig. Dies bedeute unterm Strich einen Mehraufwand von 1,2 Millionen Euro.
Gladbeck rechnet mit zusätzlichen Personalkosten von insgesamt 4,4 Millionen Euro
„Für 2024 rechnen wir bei rund 960 Tarifbeschäftigten, inklusive Teilzeitkräfte, mit zusätzlichen Personalkosten von insgesamt 4,4 Millionen Euro. Darin enthalten sind 350.000 Euro an Einmalzahlungen, der Sockelbetrag von 200 Euro mit insgesamt rund 1,55 Mio. Euro sowie die Erhöhung von 5,5 Prozent ab dem 1. März mit 2,5 Millionen Euro“, erläutert der Rathaussprecher. Für das kommende Jahr sei die Verwaltung gleichfalls bisher von einer 1,5-Prozent-Steigerung ausgegangen. 800.000 Euro seien eingeplant worden, „so dass wir 2024 dann einen Mehraufwand von 3,6 Millionen Euro zu stemmen haben“.
Hennig nennt Beispiele und rechnet die finanziellen Veränderungen vor:
- Eine Erzieherin (S 8a, Stufe 6) hatte zum 31. Dezember 2022 ein monatliches Bruttogehalt von 3979,52 Euro. Vom 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2023 wird ein Inflationsausgleichsgeld von 1240 Euro netto gezahlt. Ab Juli 2023 bis Februar 2024 verdient besagte Erzieherin monatlich 220 Euro netto mehr. Ab 1. März 2024 beträgt das monatliche Bruttogehalt 4409,39 Euro: gleich + 429,87 Euro (10,80 Prozent). Neue Tarifverhandlungen stehen ab 1. Januar 2025 an.
- Verwaltungsangestellte (EG 6, Stufe 5) bekamen zum 31. Dezember 2022 ein monatliches Bruttogehalt von 3250,70 Euro. Inflationsausgleichsgeld (1. Januar 2023 bis 30. Juni 2023): 1240 Euro netto. Vom Juli 2023 bis Februar 2024 gibt’s monatlich 220 Euro netto mehr. Ab 1. März 2024 steigt das monatliche Bruttogehalt um 11,99 Prozent (389,79 Euro) auf 3640,49 Euro.
- Müllwerker (EG 3, Stufe 3) verdienten bis zum 31. Dezember 2022 monatlich brutto 2660,65 Euro, wie bei Beschäftigten anderer Berufsgruppen im Öffentlichen Dienst kommt ein Inflationsausgleichsgeld von 1240 Euro netto obendrauf. Und auch Müllwerker erhalten von Juli 2023 bis Februar 2024 monatlich 220 Euro netto mehr. Das monatliche Bruttogehalt klettert ab 1. März 2024 auf 3017,99 Euro: Das sind 357,34 Euro (13,43 Prozent) mehr.
David Hennig sieht das finanzielle Problem Gladbecks in vielen Aufgaben, die die Stadt für Bund und Land übernehme – ohne dass diese „seit vielen Jahren auskömmlich gegenfinanziert werden“. Der Rathaussprecher: „Hinzu kommt die anhaltende Überschuldung, für die immer noch keine Lösung (Stichwort: Altschuldenlösung) gefunden wurde.
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Gäbe es den Schuldenschnitt und eine auskömmliche Finanzierung der Aufgaben endlich – wie bereits lange versprochen –, hätten die Städte ganz andere finanzielle Spielräume als jetzt, und es müssten mögliche weitere Maßnahmen, wie die Kürzung von freiwilligen städtischen Angeboten oder die Erhöhung von Gebühren, möglicherweise gar nicht in Betracht gezogen werden.“
Exorbitante Erhöhungen von Gebühren oder Abgaben zu Lasten der Bevölkerung seien in einer eher strukturell schwächeren Kommune wie Gladbeck jedoch auch nicht ohne weiteres möglich – „und sollen nach Möglichkeit auch vermieden werden“. David Hennig: „Noch ist es jedoch in dieser Hinsicht zu früh, um bereits konkrete Folgen oder Auswirkungen des Tarifabschlusses benennen zu können.“