Gladbeck. Die Fußball-WM im totalitären Wüstenstaat Katar ist umstritten. So gehen Gastronomen in Gladbeck mit Public Viewing-Gelegenheiten um.
Anders als bei den Fußball-Weltmeisterschaften der Vorjahre ist von Vorfreude und Euphorie vor dem Auftaktspiel der Fußball-WM 2022 in Katar derzeit wenig in Gladbeck zu spüren. Schwarz-Rot-Goldene-Fanartikel oder Deko sind auch in Geschäften kaum zu sehen. Der umstrittene Wüstenstaat als Austragungsland und die hier zunehmend winterlichen Temperaturen sorgen für eher frostige Stimmung. Das wirkt sich auch auf große Public Viewing-Veranstaltungen aus.
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Denn dort, wo in gemütlicher Kneipenatmosphäre, in Gemeinschaft im großen (Gemeinde-) Saal oder draußen bei sommerlichen Temperaturen Rudelgucken über Leinwand oder Großbildfernseher quasi traditionell in Gladbeck angesagt waren, bleibt die TV-Übertragung dieses Jahr zum Großteil aus. „Viele Gäste haben uns gefragt, wie wir denn planen“, berichtet Gastronom Goran Kosevic vom Wasserschloss Wittringen. Auf der großen Terrasse der Gastronomie wurde sonst bei EM und WM eine Großleinwand installiert, um mit deutschen und kroatischen Fans (dem Herkunftsland des Wirtepaares) beim Public Viewing das Turnier zu feiern. „Letztlich sind die Gäste wie wir der gleichen Meinung, dass wir die WM in Katar nicht per se unterstützen wollen“, sagt Kosevic.
Nicht nachvollziehbar, „warum die WM einem Wüstenstaat zugeschlagen wurde“
Neben der Kritik am Regime sei nicht nachvollziehbar, „warum die WM überhaupt einem Wüstenstaat zugeschlagen wurde und so jetzt im Winter stattfinden muss“. Es sei für die Spieler schade, dass das Turnier so ins Abseits gerate und weniger Beachtung finde, „da für sie ja eine WM-Teilnahme in der Nationalmannschaft ein Höhepunkt ist, auf den sie in ihrer Karriere hinarbeiten“. Eine komplette WM-Absage will Goran Kosevic aber nicht aussprechen. Er wolle abwarten, wie sich Katar als Gastgeberland präsentiert und inwieweit etwa das deutsche Team weiterkommt, „um dann vielleicht doch die Finalrunden im Sinne der Gäste zu zeigen“.
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Ähnlich sieht es Wirt Wolfgang Reuer im Vereinslokal Kleimann-Reuer in Alt-Rentfort. „Wir werben nicht damit, dass wir WM-Spiele zeigen.“ Wenn Gäste fragen und darum bitten würden, „dann schalten wir aber den Fernseher an.“ Auf den Umsatz bezogen seien auch die Anstoßzeiten unattraktiv. Denn an einem Werktag um 14 Uhr hätten wohl wenige berufstätige Menschen Zeit, sich eine Fußballübertragung in Gemeinschaft anzuschauen. In Sachen WM-Boykott hätten sich auch der Deutsche Fußballbund oder die deutsche Politik klarer positionieren können.
In den Gemeindehäusern hat man sich gegen eine Übertragung entschieden
Alt-Superintendent Pfarrer Dietmar Chudaska gibt zu bedenken, dass eine solche Positionierung auch nicht bei anderen fragwürdigen Gastgeberländern wie Russland oder China bei Fußballturnieren oder Olympischen Spiele erfolgt sei. Der Vorsitzende des Presbyteriums, Pfarrer Frank Großer, sagt, dass das Thema Public Viewing „im Rahmen der Gemeindearbeit angesprochen“ worden sei und die bisherigen Veranstalter dazu eine Entscheidung getroffen hätten. Der Förderverein der Petrusgemeinde habe sich gegen eine öffentliche Übertragung der WM entschieden. „Ebenso halten es die Bezirke Rentfort Nord und Zweckel, die kein Public Viewing anbieten werden“, so Chudaska. Sollte es Deutschland ins Endspiel schaffen, und komme es dann zum Wunsch aus der Gemeinde, dieses gemeinsam anzusehen, dann werde man sich dem aber nicht verschließen „und die Räume sowie die Technik zur Verfügung stellen“.
Bei der katholischen Kirche, so Propst André Müller, bestehe bisher „vonseiten der Gemeinde kein Interesse an Public Viewing“. Die WM, beziehungsweise öffentliche Übertragungen, seien in keinem Gremium großes Thema gewesen und dazu bislang auch keine Veranstaltung im Katholischen Stadthaus angemeldet worden. Kein Thema ist eine WM-Schau auch im Haus Surmann. Hier wurde die öffentliche Übertragung von (Bundesliga-) Fußballspielen vor wenigen Jahren eingestellt, nachdem die Bezahlsender die Kosten für Gaststätten drastisch angehoben hatten. Die WM werde nun keine Ausnahme. Stammgast Leo Föcher (64) ist das nur Recht. Er sei erklärter Fußball- und Schalke-Fan, boykottiere aber bewusst die WM im Wüstenstaat. „Weil dort die Gastarbeiter beim Stadionbau unmenschlich behandelt wurden, insgesamt die Menschenrechte vom Regime nicht geachtet werden und die WM-Vergabe nach Katar ein Ergebnis von Korruption ist.“
Die Stadthalle steht für Public Viewing der Fußball WM nicht zur Verfügung
Diese und weitere Missstände seien auch Thema im Team der Afrika Lounge gewesen, erzählt Wirtin Regina Winkler. „Wir haben daher entschieden, die bislang stets in der Gaststätte übertragene WM dieses Mal zu boykottieren.“ Auch das größte Public Viewing-Wohnzimmer in Gladbeck, die Mathias-Jakobs-Stadthalle, öffnet für Übertragungen deutscher WM-Begegnungen nicht ihre Pforten. Dies habe mit der Belegung der Halle, den Geschehnissen in Katar, den unattraktiven Anstoßzeiten sowie dem geringen Interesse zu tun, was den organisatorischen und personellen Aufwand nicht rechtfertigen würde, so Stadtsprecher David Hennig. Dies gelte auch für das Endspiel: „Selbst bei einem Finale mit deutscher Beteiligung wird es in der Stadthalle kein Public Viewing geben.“