Gelsenkirchen/Gladbeck. Strompreis vervierfacht! Gaspreis versiebenfacht! Das Tierheim weiß nicht, wie es durch den Winter kommen soll. Was die Lage so dramatisch macht.
Während die Krise in vieler Munde ist, ist sie im Tierheim Gelsenkirchen, das auch für Fundtiere aus Gladbeck zuständig ist, bereits angekommen. Und zwar so richtig: Explosionsartig gestiegene Energiekosten und gestiegene Lohnkosten stehen deutlich sinkenden Geldspenden entgegen. Der Winter bringt den örtlichen Tierschützern ein Drama mit Ansage. „Das ist eigentlich nicht zu finanzieren“, sagt Detlef Fohlmeister, Vorsitzender des Tierschutzvereins, der das Tierheim an der Willy-Brandt-Allee betreibt.
Darüber, dass es in der vergangenen Woche gelang, den Vertrag mit der Stadt Gelsenkirchen zu verlängern, kann er sich vor diesem Hintergrund kaum freuen. Zumal: „Der Schock der gestiegenen Preise kam erst nach der Angebotsabgabe im Rahmen der Ausschreibung der Stadt Gelsenkirchen.“ Das bedeutet: Die aktuellen Kosten sind nicht eingepreist. „Ich habe eine Verdopplung der Energiepreise zugrunde gelegt. Aber mit der jetzigen Situation konnte doch keiner rechnen.“
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Diese Kostensteigerungen hat das auch für Gladbeck zuständige Tierheim zu bewältigen
Und so stellt sich die Preisentwicklung fürs Tierheim dar: Der Gaspreis der ELE im Gewerbekundentarif ist von 3,8 Cent auf 28 Cent pro Kilowattstunde gestiegen, hat sich somit fast versiebenfacht, der Strompreis habe sich vervierfacht. Allein an Gas verbraucht das Tierheim rund 500.000 Kilowattstunden jährlich. „Das bedeutet, die Kosten steigen von bislang rund 20.000 Euro auf rund 150.000 Euro.“ 130.000 Euro mehr, von denen Detlef Fohlmeister noch nicht weiß, woher sie kommen sollen.
Ob die jetzt vom Bund angekündigte Gaspreisbremse das Allheilmittel sein wird, steht noch in den Sternen. „Ich habe bereits den Vorschlag gemacht, dass sich die Kommunen, deren Pflichtaufgabe wir hier übernehmen, also Gelsenkirchen, Gladbeck und Herne, zusammentun und einen Nottopf einrichten zur Bestreitung der Energiekosten im Tierheim im Winter“, sagt Fohlmeister. „Natürlich müssen auch wir als Tierschutzverein unseren Teil dazu beitragen.“
Geldspenden erreichen das Tierheim immer weniger
Eine Hoffnung: die Ein-Euro-Spende
In der Wirtschaft würde man dazu raten, den eigenen Preis zu erhöhen, also im Fall des Tierheims die Schutzgebühr für vermittelte Tiere. „Das kann man in Gelsenkirchen als eine der ärmsten Städte des Landes nicht machen“, sagt Fohlmeister. „Manchmal wäre ich froh, wir könnten die Tiere, die wir in ein gutes Zuhause vermitteln, verschenken. Aber das geht nicht.“ Rechtlich, wirtschaftlich und auch moralisch. „Die Schutzgebühr symbolisiert ja auch eine Wertigkeit.“
Wie sich für das Tierheim Gelsenkirchen die nahe Zukunft gestaltet, das vermag Detlef Fohlmeister nicht zu sagen. „Ich weiß nicht, wo ich das Geld noch hernehmen soll. Ich hatte schon einige schlaflose Nächte.“
Eine Hoffnung: die Ein-Euro-Spende, die die Tierschützer in der Corona-Krise ins Leben riefen. Hier können Bürgerinnen und Bürger auch Kleinstbeträge spenden, die sie vielleicht auch jetzt noch erübrigen können. Bei der ersten Aktion dieser Art kam binnen weniger Monate die stolze Summe von rund 62.000 Euro zusammen. Spendenkonto: DE62 4205 0001 0101 1810 00.
Das ist nicht einfach. In Zeiten, in denen jeder auf sein Geld schauen muss, sinke zudem spürbar das Aufkommen von Geldspenden. „Sachspenden wie Decken oder Futter erreichen uns weiterhin, und dafür sind wir sehr dankbar.“ Rechnungen bezahlen aber könne man damit eben nicht, so Fohlmeister, der eben erst eine weitere Herausforderung bewältigt habe: die steigenden Lohnkosten.
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Das Problem in Sachen Energie: einfach abstellen ist nicht. Das habe man bis in die letzte Woche hinein versucht. „Mit dem Ergebnis, dass beide Gasbrenner beim Anfahren versagt haben und wir jetzt die Reparatur zahlen müssen.“ Gleichsam müssen die Häuser, in denen die Tiere leben, ja auch mit Wärme versorgt werden. Zumal man derzeit voll belegt sei. „Wir haben aktuell 160 Katzen, 90 Hunde und 140 Kleintiere – mehr geht nicht. Wir können auch keine Abgabetiere von Privatpersonen mehr aufnehmen.“
Für Abgabetiere erhalten die Tierschützer kein Geld von den Städten
Detlef Fohlmeister weiß, es könnte alles noch schlimmer kommen. Wenn sich die Lage in der Gesellschaft zuspitze, die Preise weiter steigen, könnten Tierhalter gezwungen sein, ihre Tiere aus Kostengründen abzugeben. Das würde das Tierheim in zweierlei Hinsicht zusätzlich belasten: Zum einen müssten mehr Tiere versorgt werden, zum anderen erhält die Einrichtung für Abgabetiere kein Geld von den Kommunen. Sie zahlen nur für jene Vierbeiner, die durch die Stadt oder die Ordnungsbehörden ins Tierheim verbracht werden und die man, dem Gesetz nach, eigentlich selbst versorgen müsste. Weil Kommunen das nicht können, geben sie diese Pflichtaufgabe gegen Zahlung einer Pauschale pro Tier an das Tierheim weiter. So macht es auch Gladbeck.