Gladbeck. Drosseln die Preissteigerungen die Lust am eigenen Heim? Es gibt Zahlen, die das belegen. Doch in Gladbeck kommt noch ein weiterer Umstand hinzu.

So schön der Traum von den eigenen vier Wänden auch ist. Einige, die mit dem Gedanken eines Hauskaufs oder -baus gespielt oder über den Erwerb einer Wohnung nachgedacht haben, scheinen aktuell vorsichtiger zu werden – und erst einmal die weitere Entwicklung abzuwarten. Die Zahlen, die der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Gladbeck, Dorsten und Mal aktuell präsentiert, könnten auf jeden Fall dafür sprechen.

Demnach hat das unabhängige Gremium in diesem Jahr einen „Rückgang der registrierten Kauffälle“ festgestellt. „Der Immobilienmarkt hat sich in 2022 unter den aktuellen Einflüssen verändert. Er scheint in eine abwartende Haltung zu gehen“, erklärt Dörthe Schmidt, Vorsitzende des Gutachterausschusses. In Gladbeck sei zudem bereits im Vorjahr die Anzahl von Kauffällen deutlich gesunken, und in Marl seien im ersten Halbjahr 2022 rund zehn Prozent weniger Kaufverträge abgeschlossen worden. Zudem sei generell ein Rückgang bei den Neubauverkäufen von Eigentumswohnungen zu verzeichnen.

In Gladbeck gibt es auch einen Rückgang bei den Verkäufen von Eigenheimen

„Weiterverkäufe von Ein- und Zweifamilienhäusern sind anzahlmäßig relativ stabil, hier wurde nur für Gladbeck im Betrachtungszeitraum ein weiterer Rückgang der Eigenheimverkäufe um aktuell sieben Prozent registriert“, so Schmidt weiter.

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Von besonderem Interesse sei zudem die Entwicklung des in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Preisniveaus für Immobilien. Jüngste Untersuchungen aus den Vertragsabschlüssen bis Juni 2022 konnten da bisher keinen Wendepunkt nachweisen. Hier bleibe abzuwarten, wie der Markt in Gladbeck und den anderen beiden Städten auf die vielfältigen Einflüsse aus beispielsweise gestiegenen Zinssätzen, Bau- und Energiekosten reagiert.

Das Angebot ist in Gladbeck aktuell eingeschränkt

Die Grafik zeigt die Entwicklung in Gladbeck, Dorsten und Marl.
Die Grafik zeigt die Entwicklung in Gladbeck, Dorsten und Marl. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Einen Erklärungsansatz für die Gladbecker Zahlen liefert Stadtbaurat Dr. Volker Kreuzer. Für ihn steht fest: „Der konkrete Rückgang an Verkäufen dürfte sich daraus erklären, dass es aktuell tatsächlich im Vergleich zum Vorjahr nur ein eingeschränktes Angebot gibt.“ Die großen Neubaugebiete Otto-Hue-Straße, Geschwister-Scholl-Straße und Winkelstraße seien zwar noch nicht fertig gebaut, „wurden aber bereits vermarktet“. Neue Baugebiete seien in der Vorbereitung, stünden derzeit aber noch vor der konkreten Verkaufsphase. Kreuzer: „In kleineren Städten schlägt ein solcher Effekt im Zeitverlauf stärker durch als in Großstädten.“

Große Planungsunsicherheit bei den Bauträgern

Schwierig abzuschätzen sei, so der Baurat, wie die Bauträger auf die derzeitige Situation reagieren werden. Generell gelte, dass eine große Planungsunsicherheit vorherrscht aufgrund der vielfältig schwierigen Rahmenbedingungen. Vorhaben, die den „Point of no return“ überschritten haben, werden trotzdem fortgesetzt.

Bei neuen Projekten könnte es aber durchaus dazu kommen, dass in nächster Zeit eine gewisse Zurückhaltung eintritt, wodurch es möglicherweise mit etwas Zeitverzug auch sichtbar zu einem Rückgang von baulichen Investitionen kommt. Kreuzer: „Hier bewegen wir uns aber schon stark im Bereich der Spekulation.“

Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Dorsten, Gladbeck und Marl ist ein neutrales Gremium, bestehend aus ehrenamtlichen Sachverständigen, die von der Bezirksregierung bestellt werden. Die zentrale Aufgabe des Gutachterausschusses ist es, für Transparenz auf dem Immobilienmarkt zu sorgen. Weitere Infos auf www.dorsten.de/gutachterausschuss.

Im Rathaus, so der Baurat weiter, sei man der Überzeugung, dass die Nachfrage nach Immobilien weiterhin derart hoch ist, „dass es immer noch eine große und ausreichende Zahl von Interessenten geben dürfte, die bereit und in der Lage ist, trotz gestiegener Kosten Eigentum zu erwerben“. Auf der anderen Seite gebe es aber natürlich durchaus Interessenten, die mit Verunsicherung auf die Preissteigerungen reagieren würden. „Und es dürften wohl auch zunehmend Interessenten ausscheiden, da eine Finanzierung für sie nun nicht mehr zu stemmen ist.“

Die Nachfrage nach den Neubaugebieten ist aber nach wie vor groß

Noch sei die Nachfrage bei den Wohngebieten, die in der Stadt aktuell vermarktet werden, aber noch so hoch, dass „für jeden, der abspringt, anscheinend sofort genügend Interessenten von der Warteliste nachrücken“. Besonders beliebt, so Kreuzer, sei da das neue Quartier, das an der Johowstraße in Alt-Rentfort entstehen soll, gefolgt vom Bauprojekt am Bramsfeld. Auch das Neubauvorhaben an der Schulstraße werde sicherlich eine sehr hohe Nachfrage erfahren.

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Grundsätzlich hat man bei der Verwaltung aber ebenfalls im Blick, dass das flächenmäßig eher kleine Gladbeck gar nicht so viele Bauprojekte bieten kann wie größere Nachbarstädte. Das, so Kreuzer, werde auch im „Handlungskonzept Wohnen“ der Stadt so ausgeführt. Wer in Gladbeck also nicht fündig wird, der weicht mehr oder weniger notgedrungen auf andere Städte aus. Hier könnten aber „die Projekte an der Johowstraße, der Schulstraße, am Bramsfeld und am Hartmannshof in den nächsten Monaten das Angebot erweitern“.