Gladbeck. Das neue Nachweisgesetz ist seit August in Kraft. Es regelt detailliert, was im Arbeitsvertrag stehen muss. Diese Rechte haben nun Arbeitnehmer.
Jeder Arbeitgeberin Gladbeck, egal, wie groß oder klein das Unternehmen ist, muss jetzt seine Arbeitsverträge prüfen. Denn seit dem 1. August gilt das neue Nachweisgesetz, das in einem deutlich erweiterten Katalog vorschreibt, was alles im Arbeitsvertrag zu regeln und nachzuweisen ist. „Bei Nichtbeachtung drohen dem Arbeitgeber empfindliche Bußgelder“, mahnt der Gladbecker Arbeitsrechtler Martin Löbbecke. Die Novelle betrifft aber nicht nur Neuverträge. Für Arbeitnehmer sieht der Jurist durchaus Vorteile.
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Denn auch bereits beschäftigte Arbeitnehmer können eine Niederschrift mit den wesentlichen Bedingungen ihres Arbeitsvertrages verlangen. Mit Frist von nur einer Woche. „Bei Verstößen kann der Arbeitgeber verklagt werden und es droht Bußgeld bis zu 2000 Euro pro Arbeitsverhältnis“, so Löbbecke. Die zuvor oft angewendeten alten Musterverträge könnten nicht mehr verwendet werden. Erste Anfragen von Mandanten zeigten ihm die momentane große Unsicherheit auf, was konkret zu tun sei. „Alle Arbeitgeber sollten im ureigensten Interesse schnellstmöglich die eigenen Arbeitsvertragsformulare überprüfen und gegebenenfalls überarbeiten.“
Arbeitgebervertreter sieht die neue Regelung als ein „bürokratisches Monster“
Denn weitere Vertragsinhalte als bisher müssten schriftlich geregelt sein „wie etwa bei befristeten Arbeitsverhältnissen die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, oder die Dauer der Probezeit, ebenso die exakte Höhe und Zusammensetzung des Arbeitsentgeltes einschließlich Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen, zudem die Möglichkeit der Anordnung und Voraussetzung von Überstunden oder Arbeit auf Abruf, den etwaigen Anspruch auf Fortbildung und nähere Informationen zur Kündigung und dem dabei einzuhaltenden Verfahren“, listet Rechtsanwalt Löbbecke einige Beispiele auf.
Michael Grütering, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Emscher-Lippe (Eisen- und Metallindustrie, Groß- und Außenhandel sowie Dienstleistungen), kritisiert die neue Gesetzesregelung als „bürokratisches Monster“. Man führe jetzt die zweite Videokonferenz mit bis zu 300 Teilnehmern durch, „um unsere Mitglieder zu informieren“. Gegen mehr Transparenz sei nichts einzuwenden, es sei aber bisher schon möglich gewesen, dass Arbeitnehmer Auskunft über genauere Vertragsinhalte erhalten konnten. Die Arbeitgeber jetzt zusätzlich zu beschäftigen, sei „völlig realitätsfern“. Die deutsche Gesetzgebung gehe in ihrem Umfang „wie kein anderer Mitgliedsstaat über die Anforderungen der EU-Richtlinie hinaus“, kritisiert auch Bernd Werning. Der Personalchef beim Gladbecker Kunststoffhersteller Döllken (350 Mitarbeiter) ist aber gelassen und sieht im Unternehmen „einen überschaubaren Aufwand“, da die modernen Arbeitsverträge viele Anforderungen schon enthalten würden, „und es nur ein paar Punkte gibt, die wir nachprüfen und gegebenenfalls anpassen müssen“.
Der DGB begrüßt, dass mehr Transparenz zu Arbeitsbedingungen geschaffen wird
Monika Santamaria, Abteilungsleiterin Recht bei der für Gladbeck zuständigen IHK Nord Westfalen, berichtet, dass man jetzt in Sachen Nachweisgesetz zunächst „einen Schwerpunkt auf die Gestaltung der Ausbildungsverträge gesetzt“ habe, da die neuen Azubis der Mitgliedsunternehmen jetzt in den Job starten würden. Bei den Unternehmen stelle sie ein gewisses Unverständnis fest, dass neuer bürokratischer Aufwand geschaffen werde. Man empfehle den Unternehmen genau hinzugucken, wo zur Klarstellung Regelungen angefasst werden müssen. Ein Bericht im nächsten IHK-Magazin gehe auf das Thema ein. Die Kammer gebe ungern ein neues Vertragsmuster heraus, „da die zu beachtenden Regelungen oft individuell branchenabhängig und damit unterschiedlich sind“.
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Anders hält man es bei der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe. „Wir bieten für unsere Mitglieder einen Dokumentenservice an, wo ein Arbeitsvertrag als Muster heruntergeladen werden kann, der die neuen Normen des Nachweisgesetzes berücksichtigt“, informiert Andreas Driesel, stellvertretender Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West. Gewerkschafter Hans Hampel vom DGB Emscher-Lippe hat bisher keine Anfragen zum Thema beim Dachverband. Er sagt: „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass mehr Transparenz zu den Arbeitsbedingungen geschaffen wird.“ Der DGB habe sich aber eine klarere Regelung gewünscht, dass im Zweifelsfall zur arbeitsvertraglichen Auslegung in der Praxis die Beweislast beim Arbeitgeber liegt. Positiv sei, dass Anspruch auf Fortbildungen festgehalten werde, „der dann auch eingefordert werden kann“.
Gladbecker Arbeitsrechtler befürchtet eine Blockade des Arbeitsmarktes
Rechtsanwalt Martin Löbbecke befürchtet, dass die momentane Unsicherheit bei Arbeitgebern, was in neuen Arbeitsverträgen jetzt rechtskonform zu regeln ist, „den Arbeitsmarkt blockiert“. Und ein Arbeitnehmer den in Aussicht gestellten offenen Job nicht erhalten könne, weil der Arbeitgeber erst abwartet und geklärt wissen wolle, „was bei der Neueinstellung alles beachtet werden muss“.