Gladbeck. Vor Gericht erlebte die Stadt Gladbeck eine Schlappe mit der Klage gegen das Mottbruch-Windrad. Die Politik diskutiert nun weitere Rechtsmittel.
Bürgermeisterin Bettina Weist hat gegen das Windrad-Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das die Klage der Stadt Gladbeck gegen die Genehmigung der Windenergieanlage als unbegründet abgewiesen hat, einstweilen Rechtsmittel eingelegt. Zunächst, wie es aus dem Rathaus heißt, vor allem, um Fristen zu wahren. Letztlich werde der Rat neu entscheiden müssen, ob eine Revision des Urteils verfolgt wird. Unterdessen ist die Abnahme des Windrades auf dem Mottbruch noch immer nicht ganz abgeschlossen – was dazu führt, dass die Rotorblätter nach wie vor immer wieder stillstehen.
Die Bürgermeisterin, so heißt es aus der Verwaltung, folge mit der Beantragung der Revision zunächst einmal dem Ratsbeschluss von Februar 2019, der festlegte, „mit allen Mitteln“ gegen die Genehmigung der Windkraftanlage in Brauck durch die Kreisverwaltung vorzugehen. Der neue Rat, allen voran SPD und CDU, hatte dieses Votum im November 2020 bekräftigt, nachdem die Grünen im Kommunalwahlkampf, zunächst ebenso Windrad-Gegner, umgeschwenkt waren und gefordert hatten, die Klage zurückzunehmen.
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Windrad: Der Ältestenrat diskutiert bereits über das weitere juristische Vorgehen
Nach der mehr als deutlichen Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts, das kein gutes Haar an der Argumentation der Stadt lässt, werden die Fraktionen – und schließlich der Rat – voraussichtlich neu bewerten, ob nun tatsächlich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts in nächster Instanz geklagt wird. Der Ältestenrat habe bereits darüber diskutiert, heißt es. Und Bürgermeisterin Weist, so ihre Sprecherin Christiane Schmidt, habe eine „realistische Sicht“ auf die Dinge und nach einer ersten rechtlichen Bewertung des Rechtsamtes inzwischen Bedenken, an dem alten Ratsbeschluss festzuhalten. Sie wolle das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung am 2. Juni setzen und habe den Fraktionen bereits mitgeteilt, so Schmidt, dass ein Festhalten an der Revision „nicht so erfolgversprechend aussieht“.
Die Gladbecker Grünen haben sich unterdessen schon eindeutig positioniert: „Nach elf Jahren stehen Stadtverwaltung und Ratsmehrheit vor dem traurigen Scherbenhaufen ihres verzweifelten Kampfes gegen Windmühlen!“, schreibt Fraktionsvize Bernd Lehmann in einer Stellungnahme. Das Urteil sei „eine demütigende Klatsche für Verwaltung und Rat“, folgert der Grünen-Ratsherr. „Alle von der Stadt vorgetragenen Einwände gegen das Windrad wurden vom Gericht als haltlos anerkannt!“
Grünen-Ratsherr Lehmann: Stadt kämpfte mit allen Tricks gegen das Windrad
Vor elf Jahren sei der erste Antrag gestellt worden – seitdem hätten Verwaltung und Ratsmehrheit nahezu verbittert und verbissen gegen die Anlage gekämpft, „während Genossen und Christdemokraten auf Bundesebene engere Wirtschaftsbeziehungen mit Russland knüpften und sich weiter von Importen fossiler Brennstoffe abhängig machten“, so Lehmann. „Mit allen Tricks wurde hier gekämpft, um eine Genehmigung zu versagen.“ Die elfjährigen Rechtsauseinandersetzungen seien „eine Farce, eine Zeit- und Geldverschwendung“ gewesen und hätten die dringend notwendige Energiewende verhindert.
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Die CDU hat das Gerichtsurteil hingegen „mit Bedauern“ zur Kenntnis genommen, wie Fraktionschef Dieter Rymann und CDU-Ratsherr und Rechtsexperte Jörg Baumeister schreiben. Ausdrücklich begrüße die Fraktion, dass die Bürgermeisterin Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt habe, damit der Gerichtsentscheid nicht rechtskräftig werde. „Wir alle haben die Hoffnung, dass in der 2. Instanz das Urteil korrigiert und die vom Rat und der Verwaltung lange geplante Haldenwelt auf der Mottbruchhalde noch unbeschränkt möglich wird“, so Rymann und Baumeister, die betonen, dass die CDU-Fraktion, „erst recht unter den gegenwärtigen Bedingungen der Ukraine-Krise“, weiterhin den Ausbau der Windenergie dort favorisiere, wo es rechtlich zulässig sei.
SPD-Fraktionschef Wolfgang Wedekind wollte sich noch nicht grundsätzlich äußern. Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Gladbeck werde am Mittwoch über das Thema beraten. Er begrüße aber, dass Bürgermeisterin Weist zunächst einmal den Rechtsweg offengehalten habe. „Letztlich muss sich der Rat mit dem Thema befassen.“
Steag-Windrad steht immer noch mal still wegen der Bauabnahme
Unterdessen weist Windradbetreiber Steag, der sich zu den Gerichtsverfahren nicht äußern wollte, darauf hin, dass das neue Windrad noch immer nicht vollumfänglich in Betrieb sei. Zwar sei die technische Abnahme inzwischen erfolgt, aber die endgültige Abnahme der Arbeiten durch die Steag selbst liefen noch, so Unternehmens-Sprecher Daniel Mühlenfeld. „Nicht alle Tests und Begehungen können bei Betrieb durchgeführt werden“, erklärt er, „daher stehen die Rotorblätter mitunter immer noch mal still.“
Auch würde derzeit ein sogenannter „Batcorder“ zur Dokumentation von Fledermausflügen installiert. In „absehbarer Zeit“ würden aber sämtliche Arbeiten beendet. Dennoch, so Mühlenfeld, könne es auch danach immer wieder mal zu Stillständen kommen: Bei Netzüberlastungen könne der Netzbetreiber die Anlage automatisch abstellen, auch seien Stillstände bei bestimmten Sonnenständen Teil der Betriebsgenehmigung, um störende Schlagschatten zu vermeiden. Grundsätzlich sei die Steag mit der im Februar ans Netz gegangenen Windenergieanlage – eine Investition von mehr als 5 Millionen Euro – zufrieden: „Sie läuft wie geplant und gut.“
Drei Windräder in Gladbeck
In Gladbeck gibt es drei Windräder: Neben der Steag-Anlage auf der Mottbruchhalde die zwei Windräder des Unternehmens SL Naturenergie im Wiesenbusch und in Ellinghorst. Während das Mottbruch-Windrad eine Nennleistung von 3,5 Megawatt hat, verfügen die SL-Windräder über eine Nennleistung von je 2,3 Megawatt.Die Stadtverwaltung geht in einer Antwort auf eine AfD-Anfrage davon aus, dass alle drei Windräder zusammen rein rechnerisch im Schnitt 2600 Haushalte mit Strom versorgen können. Die Steag aber teilte stets mit, dass allein ihr Windrad rein rechnerisch 3500 Haushalte versorgen kann – was die AfD irritiert.Lösung: Die Stadt geht davon aus, dass ein durchschnittlicher Haushalt 4900 Kilowattstunden im Jahr verbraucht – sie orientiert sich dabei an Richtwerten des Statistischen Bundesamtes. Außerdem unterstellt sie, dass die drei Räder 13 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren.Die Steag rechnet mit anderen Zahlen: Sie geht von 3000 Kilowattstunden Durchschnittsverbrauch pro Jahr aus („der übliche Eckwert der Branche“), und allein beim Mottbruchwindrad vermutet sie, dass es etwa zehn Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr produziert – eine mittlere Windgeschwindigkeit von 6,5 Metern/Sekunde unterstellt.