Gladbeck. Synthetische Drogen sind sehr verbreitet. Martina Richter vom „Drop Out“ in Gladbeck warnt vor dem Konsum – und schildert drastische Folgen.

Es passierte im Februar: Nach dem Konsum verschiedener synthetischer Drogen sind drei Jugendliche aus dem Kreis Recklinghausen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Alle drei mussten lange intensivmedizinisch behandelt werden. Ein 16-jähriger Hertener liegt nach Auskunft der Polizei noch immer im Krankenhaus. Martina Richter schockieren die Fälle zwar – aber überraschend seien sie nicht. Die Sozialarbeiterin sagt: „Finger weg von Legal Highs wie Spice und Co. Die Einnahme kann tödlich sein!“

Synthetische Drogen sind bei Jugendlichen gerade leider stark nachgefragt

Die 39-Jährige weiß, wovon sie redet. Martina Richter arbeitet seit Anfang März als Sozialarbeiterin in der Gladbecker Drogenberatung „Drop Out“ an der Goethestraße. Davor war Richter bei der Suchthilfe in Essen und in einer sozialtherapeutischen Einrichtung für Suchtkranke beschäftigt. Die Gladbecker Szene kennt die Expertin nach so kurzer Zeit noch nicht bis ins Detail. Generell, sagt sie, ist es aber der Fall, dass synthetische Drogen gerade bei Jugendlichen leider stark nachgefragt sind.

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Corona hat den Handel mit Cannabis eingeschränkt

„Das hat gleich mehrere Gründe“, so Richter. Einmal sei es durch Corona, die Lockdowns und die damit verbunden verstärkten Kontrollen an den Grenzübergängen nicht mehr so einfach, an Cannabis heranzukommen. „Stattdessen weicht man auf synthetische Cannabinoide aus.“ Das Problem dabei: Diese Legal Highs gibt’s ganz legal im Internet – „getarnt“ als Badesalze, Düngerpillen oder Kräutermischungen zum Rauchen. „Und sobald ein Inhaltsstoff dann doch verboten wird, ändern die Anbieter einfach die Zusammensetzung“, so Richter.

Seit Anfang März arbeitet Martina Richter, hier mit Bufdi Jendrik Bergmann, als Sozialarbeiterin in der städtischen Drogenberatung „Drop Out“ in Gladbeck.
Seit Anfang März arbeitet Martina Richter, hier mit Bufdi Jendrik Bergmann, als Sozialarbeiterin in der städtischen Drogenberatung „Drop Out“ in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Lukas Claus

Fakt aber bleibe immer, egal ob ein Dealer die Substanzen verkauft, oder der Konsument selber mixt: „Man weiß im Endeffekt nie, was man da zu sich nimmt und was es mit dem Körper macht!“ Deshalb verwundern die Fälle der drei Jugendlichen aus dem Kreis die Sozialarbeiterin auch nicht.

Anlaufstelle auch für Angehörige von Suchtkranken

Die städtische Drogenberatung „Drop Out“ ist nicht nur ein niederschwelliges Angebot für Drogenabhängige. Auch Angehörige von Suchtkranken finden dort Beratung und Unterstützung. Vor allem Erziehungsberechtigten, die an ihren Kindern Veränderungen bemerken, rät Martina Richter dazu, sich rasch an die Drogenberatung zu wenden, um der Sache besser auf den Grund gehen zu können.

In der Broschüre über synthetische Drogen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) heißt es: „(...) Sehr viel häufiger wird Mischkonsum von zwei oder mehreren Substanzen praktiziert. Die gleichzeitige Einnahme unterschiedlicher Substanzen bedeutet immer eine extreme Belastung für Körper und Psyche. Die Gefahr für lebensbedrohliche Drogennotfälle ist extrem erhöht.“

Die Drogenberatung „Drop Out“, Goethestraße 42, Telefon 02043/ 204044, hat montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr geöffnet. Derzeit ist coronabedingt noch eine vorherige telefonische Anmeldung nötig.

Sie kennt selbst Fälle, wo Leute bereits nach der ersten Einnahme mit schweren körperlichen Problemen wie Herzrasen, Kreislaufproblemen, Krampfanfällen, Panikattacken und sogar psychotischen Schüben zu kämpfen hatten. „Es kann sogar passieren, dass man zum Gefangenen in seinem Körper wird, von außen alles mitbekommt, sich aber selber weder bewegen noch irgendwie äußern kann. Eine absolute Horrorvorstellung!“

Besonders gefährlich können Cliquen mit großen Altersunterschieden sein

Und auch das gibt die Sozialarbeiterin zu bedenken: „Was passiert mit mir, wenn ich mich in so einem hilflosen Zustand befinde? Hilft meine Umgebung mir, wird ein Rettungswagen gerufen? Oder werde ich ignoriert, oder schlimmer noch, gibt es da Menschen, die meine Situation ausnutzen?“ Vieles sei abhängig von der sozialen Gruppe (Peergoup), in der man sich bewege. Als besonders gefährlich sieht sie Cliquen mit großen Alterunterschieden an. „Da werden die Älteren als große Vorbilder betrachtet, und man lässt sich zu Sachen überreden, die man lieber sein lassen sollte.“ Martina Richter weiß von Jugendlichen, die bereits im Alter von elf Jahren zum ersten Mal solche Drogen konsumiert haben. „Das ist wirklich schlimm!“

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Eine Möglichkeit, diesen gefährlichen synthetischen Drogen die Verbreitung zu nehmen, sieht die Sozialarbeiterin in der Legalisierung von Cannabis auch in Deutschland. Damit rechnet Martina Richter allerdings erst in gut zwei Jahren. „Es müssten dann ja auch erst Dinge wie Anbau, Vertrieb und Verkauf geregelt werden.“ Optimal wäre es, so die 39-Jährige, wenn der Verkauf, anders als in den Coffeeshops in den Niederlanden, dann immer auch mit einer Beratung verbunden wäre, der Käufer zusätzlich noch Aufklärungsmaterial mit an die Hand bekäme. Bis es soweit ist, bleibt ihre eindringliche Warnung: „Finger weg von Legal Highs!“