Gladbeck. Am häufigsten wenden sich Ratsuchende wegen Gewalt an die Frauenberatungsstelle Gladbeck. Weitere Probleme beschäftigen die Expertinnen oft.
Sie wenden sich an die Expertinnen der Frauenberatungsstelle Gladbeck, weil sie keinen Ausweg mehr wissen. Häusliche Gewalt, psychische Probleme, um nur zwei der Themenfelder zu nennen, mit denen sich die Mitarbeiterinnen beschäftigen. Und auch die Corona-Krise geht nicht spurlos an Klientinnen vorüber. Aktuelle Auswertungen geben Aufschluss über die Schwerpunktthemen der Beratungsstelle.
Auch interessant
„Während der Pandemie haben wir nicht mehr Beratungen, aber die Qualität der Gewalt hat sich verändert. Sie ist massiver geworden“, so Beraterin Saskia Meyer. Nach aktuellen Zahlen suchten im Jahr 2020 durchschnittlich 15 Ratsuchende pro Woche bei der Beratungsstelle Hilfe. 467 Einzelberatungen schlagen sich in der Statistik nieder. Insgesamt wurden 763 Frauen erreicht – unter anderem auch in Gruppen, Workshops und anderen Veranstaltungen.
Während der Pandemie „hat die psychische Belastung zugenommen“
Im Jahresvergleich zu 2019 fällt auf: Die aktuell vorliegenden Daten sind niedriger. So erreichten die Expertinnen seinerzeit wöchentlich im Durchschnitt 17 Frauen. Als Einzelberatungen wurden 495 registriert. Begründung für die gesunkenen Zahlen: Lockdowns und Kontaktbeschränkungen in Folge der Pandemie schränkten das Angebot – und offenbar auch die Möglichkeit Hilfesuchender, sich an die Profis zu wenden – ein.
Doch im Laufe der Pandemie zeichnet sich ein Trend ab. Beraterin Sarah Sandi registriert Ende 2021: „Wir bemerken eine deutliche Veränderung, was die Auslastung bei uns angeht.“ Das Team sei konstant stark gefordert. Der Profi erläutert: „Wir haben nicht mehr Fälle, sondern gravierendere. Was darüber hinaus zugenommen hat, ist die psychische Belastung.“
- Corona-Check: Frauen in Gladbeck trifft die Krise hart
- Gewalt gegen Frauen ist in der Pandemie massiver geworden
- Frauenberatungsstelle hilft Opfern von Gewalt
- Corona: Fachleute in Gladbeck erwarten mehr häusliche Gewalt
Expertin Saskia Meyer: „Während des Lockdowns wandten sich weniger Frauen an uns, seit der Lockerung der Vorgaben haben wir mehr Klientinnen – neue und bekannte.“ Hinter jeder Zahl, die in der Bilanz aufgeführt ist, steckt ein Schicksal. Es geht um Probleme, die sich zur schier unüberwindbaren Komplikation auftürmen. Ein beispielhafter Blick auf den Aspekt „häusliche Gewalt“. Dieser Themenkomplex machte das mit Abstand größte Beratungsfeld – 72 Nennungen – aus. „Das Landeskriminalamt hat 2020 im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme der Fälle häuslicher Gewalt von 7,7 Prozent festgestellt“, stellt Sarah Sandi fest.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Die Angst um den Arbeitsplatz, finanzielle Sorgen, das erzwungene dauerhafte Zusammensein wegen der Lockdowns und Kontaktbegrenzungen, das sind Faktoren, die dazu beitragen können, in den privaten vier Wänden Opfer zu werden. Dabei spielen längst nicht nur Handgreiflichkeiten eine Rolle, auch von emotionaler und sexualisierter Gewalt wird dem Expertinnen-Team berichtet.
Auf Platz 2 der Schwerpunktthemen, bei denen Mehrfachnennungen möglich sind, stehen sie: Essstörungen und psychische Gesundheit, die 53 Mal angeführt werden. Sandi hat diese Problematik aufgegriffen und eine Frauen-Selbsthilfegruppe zu dem Thema an den Start gebracht.
Information und Kontakt
Die Frauenberatungsstelle Gladbeck befindet sich an der Wilhelmstraße 46. Das Team – Susanne Dillner, Saskia Meyer, Sarah Sandi, Miriam Schmikowski, Anne Getschmann und Carla Wittenberg – ist zu folgenden Zeiten zu erreichen: montags, mittwochs bis freitags zwischen 9 und 12 Uhr, sowie dienstags von 11 bis 12.30 Uhr. Die Expertinnen können in den Sprachen Deutsch und Englisch beraten.
Ein Kontakt ist telefonisch möglich unter 02043/66699. Per Email: team@frauenberatungsstelle-gladbeck.de. Weitere Informationen sind im Internet zu finden auf www.frauenberatungsstelle-gladbeck.de
Es folgen auf den weiteren Plätzen im Themen-Ranking: Trennung/Scheidung/Beziehungsprobleme (44) und mit Abstand Kinder- und Erziehungsfragen (24). Das Feld „Sozialberatung und Existenzsicherung“ wurde am seltensten angeführt (17 Nennungen).
Das ist die Statistik. Doch viele Taten, bei denen Frauen Opfer werden, bleiben im Dunkeln. Die Expertinnen betonen: „Es gilt der Grundsatz, dass sich jede Frau mit jedem Anliegen an uns wenden kann und die Beratungsstelle einen Schutzraum bietet.“ Die Gespräche sind vertraulich und gebührenfrei, man kann auch anonym Kontakt aufnehmen. Die Beraterinnen unterliegen der Schweigepflicht. Das Angebot der Frauenberatungsstelle reicht von Traumaberatung und Begleitung beim Gang zu Behörden über Krisenintervention bis zu Gewaltschutzberatung. Dabei liegt den Expertinnen am Herzen: „Wir vertreten einen ganzheitlichen Ansatz, das heißt wir reduzieren unsere Besucherinnen nicht auf ihr Problem, sondern schätzen sie als eigenständige und selbstbestimmte Person.“ Eben Frauen, die Unterstützung benötigen.