Gladbeck. Kurios: Das Hochhaus Busfortshof 18 in Gladbeck ist offiziell kein Wohngebäude. Die Grünen fragen: Wurden durch die Räumung Familien getrennt?

Das Brand-Hochhaus Busfortshof 18 in Gladbeck rückte jetzt erneut in den Fokus der Lokalpolitik. Im Sozialausschuss war der Bericht eines Radiosenders von Anfang Januar Thema. Demnach wurde kritisiert, dass nach der Zwangsräumung viele Familien mit ihren Kindern auf verschieden Wohnungen aufgeteilt worden seien, so die Gladbecker Grünen. Die Fraktion bat die Verwaltung um Information zum aktuellen Verbleib der ehemaligen 159 Mieter. Und um Klärung des Widerspruchs zu Berichten der Verwaltung, die von guten Unterbringungen der ehemaligen Hausbewohner gesprochen hätten. Kurioses wurde auch bekannt: Das Hochhaus hat seit Jahren keine abschließende Genehmigung zur Nutzung für Wohnzwecke.

Die Stadt wies die Darstellung des Radiosenders in ihrem Bericht zum Tagesordnungspunkt zurück: Entgegen der öffentlichen Darstellung seien „zu keiner Zeit Familienverbände getrennt worden“. Auf Nachfrage der WAZ konkretisiert Pressesprecher David Hennig diese Aussage: „Familien mit minderjährigen Kinder wurden immer im Verband untergebracht.“ Es sei aufgrund von Platzproblemen in der Notsituation aber vorgekommen, „dass volljährige männliche Familienmitglieder (ab 18 Jahren) in einer anderen Wohnung als die Eltern untergebracht wurden“.

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Etwa 60 „Busfortshofer“ leben noch in Notwohnungen

Unter Einsatz von Ordnungskräften wurde die Brand-Immobilie am Busfortshof im März vergangenen Jahres geräumt.
Unter Einsatz von Ordnungskräften wurde die Brand-Immobilie am Busfortshof im März vergangenen Jahres geräumt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Wie viele Personen müssen denn noch in Notwohnungen leben, und wann erhalten sie eine Möglichkeit, in einen normale Wohnung umzuziehen“, wollte Grünen-Ratsfrau Elke Marita Stuckel-Lotz im Ausschuss auch wissen. Zur Erinnerung: Die Zwangsräumung durch die Stadt Gladbeck erfolgte vor bald elf Monaten am 9. März 2021, nach einem Kellerbrand und Feststellung von erheblichen Sicherheitsmängeln durch das Bauordnungsamt. Marcel Hädrich, Abteilungsleiter Existenzsicherung und Wohnen im Sozialamt, teilte mit, „dass derzeit noch etwa 60 Personen in Notwohnungen leben“. Er verdeutlichte zudem, dass man von Notwohnungen spreche, wenn die Stadt Gladbeck in einer Notlage zur Abwendung von Obdachlosigkeit Wohnungen anmiete und mit dem notwendigsten ausstatte. Dabei handele es sich aber um normale Wohnungen, die auf dem Immobilienmarkt zur Miete angeboten würden. Mit Platz von teils mehr als 100 Quadratmetern, aber auch von geringerer Größe.

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Die Familien hätten so nicht immer in gleichen Verhältnissen wie in den relativ großen Wohnungen am Busfortshof untergebracht werden können. Viele hätten sich derweil aber in den teils beengteren Wohnungen eingerichtet, auch privates Mobiliar vom Busfortshof nachgeholt und signalisiert, in der neuen Bleibe „weiter wohnen zu wollen“. Gleichwohl sind, so der Verwaltungsbericht, weiterhin 25 Personen in der zentralen Notunterkunft der Stadt an der Winkelstraße untergebracht. Hierbei handelt es sich um drei siebenköpfige Familien und eine Familie mit vier Personen. Letztere soll zum 1. März eine eigenen Wohnung beziehen.

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Das Hochhaus Busforthof ist bis heute offiziell kein Wohnhaus

Dass große Familienverbände bei den zwangsgeräumten „Busfortshofern“ die Regel und nicht die Ausnahme sind, wurde dem Sozialausschuss auch verdeutlicht: Durchschnittlich 6,6 Personen hätten je Haushalt im Hochhaus am Busforthof gewohnt. Entsprechend schwierig und problematisch sei die Unterbringung und Vermittlung der Familien, auf der Suche nach adäquat großem Wohnraum. Apropos: Kurioserweise wurde jetzt auch deutlich, dass das Brand-Hochhaus am Busfortshof seit etwa acht Jahren ausschließlich für Wohnzwecke genutzt wird, obwohl dafür noch keine abschließende Genehmigung vorliegt.

Stadtsprecher Hennig bestätigt auf Nachfrage der WAZ: Eine Baugenehmigung für die ausschließliche Nutzung der Immobilie zu Wohnzwecken sei zwar wohl 2013 erteilt worden, „die letztlich notwendige Endabnahme des Gebäudes ist aber nie erfolgt, so dass es sich formal weiterhin um ein Bürogebäude handelt“. Hintergrund seien alte wie neue Beanstandungen und Mängel, die die Bauordnung, den Brandschutz aber auch die Statik beträfen, „die nach wie vor nicht komplett beseitigt sind“. Mit weiteren akuten Beanstandungen, die nach dem Brandgeschehen auch zur Nutzungsuntersagung und zur Zwangsräumung geführt hatten.

Erneut Absage an Ersatzvornahme durch die Stadt

Erneut scheiterte ein Antrag der Ratsfraktion Soziales Bündnis (ABI, BIG und DKP) zur Einleitung einer Ersatzvornahme des Hochhauses Busfortshof 18 durch die Stadt Gladbeck. Mit weiterem Vorschlag der ABD: Instandhaltungen durchzuführen, das Gebäude so baulich zu retten und die weitere Wohnraumnutzung zu ermöglichen.

Die jetzt publik werdende Tatsache, dass das Hochhaus seit Jahren formal noch keine Abnahme als Wohngebäude hat, spielt der Stadt hier in die Karten. Das neue Gesetz zur Stärkung des Wohnungswesens in NRW (Wohnraumstärkungsgesetz) könne hier nicht angewendet werden, „da es sich ja offiziell noch um ein Bürogebäude handelt“, so Pressesprecher Hennig.

Das neu errichtete Hochhaus am Busfortshof wurde 1958 zunächst als Ledigenheim mit 213 Betten von Bergleuten (Zeche Stinnes) und Arbeitern (Glaswerke Ruhr) bezogen. 1972 wurde die Immobilie in ein Bürogebäude umgewandelt und umgebaut (u.a. genutzt von Veba Wohnen, Viterra oder Annington). Seit Mitte der 1990er Jahre gab es eine Mischnutzung als Büro- und Wohngebäude.