Gladbeck. Das Chemieunternehmen Ineos Phenol plant auf der Suche nach Altlasten auch Bohrungen in einem Gladbecker Wohngebiet. So wird weiter vorgegangen.
Die Suche nach giftigen Stoffen im Grundwasser in der Nachbarschaft des Chemiewerkes Ineos Phenol geht weiter. Coronabedingt waren die Arbeiten ausgebremst worden. Weitere Messpunkte im Nordwesten des Gladbecker Stadtgebietes werden gebohrt, um zu erkunden, ob sich über die vergangenen Jahrzehnte toxische Altlasten im Untergrund ausgebreitet haben. Der weitere Fahrplan für die Untersuchungen, auch direkt vor der Haustür von Anwohnern, ist festgezurrt worden.
Pandemiebedingt seien die Planungen deutlich ausgebremst worden, man sei aber nicht untätig gewesen, berichtet Dr. Volker Weber, der Leiter des Umweltschutzes bei Ineos Phenol. Bis zum dritten Quartal 2020 sei es nach Kampfmittelfreigabe gelungen, die beabsichtigten Tiefenbohrungen bis auf 40 Meter an der Frentroper Straße nördlich der Schanzenheide durchzuführen „und zwei Messstellen zu beproben und auszuwerten“. Auf die dritte angedachte Messstelle, im dortigen Wäldchen, westlich der Wohnbebauung Schanzenheide, konnte verzichtet werden, „da uns aus den dortigen Brauchwasserbrunnen der Anwohner genügend aussagekräftige Analysen vorlagen“.
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Tiefenbohrungen werden offenbar nicht benötigt
Das Ergebnis aus dieser Untersuchungsphase 2A werten die Werksvertreter als positiv im Sinne der Umwelt. Weber: „In der Tiefe von 40 Metern sind so gut wie keine Schadstoffeinträge mehr zu finden.“ Diese Schlüsselinfo, bezogen auf die LHKW-Schadstoffquelle im Norden des Werksgeländes, bedeute, „dass wir bei den geplanten weiteren Messstellen in der Grundwasserfließrichtung nach Westen keine tiefen Bohrungen über 20 Meter hinaus benötigen“.
Zur Erinnerung: Aufgrund einer Anlagenveränderung im Chemiewerk wurde im Rahmen des vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens im September 2014 das vorhandene Netz der Grundwassermessstellen rings um die Werksgrenze deutlich ausgeweitet. Die Beprobung mit weiteren Kontrollen 2015 sowie der Bohrung von acht zusätzlichen Messbrunnen vom März 2016 bis Februar 2017 ergab dann eine Belastung mit giftigen wie umweltschädlichen und krebserregenden Stoffen. Darunter Cumol (Isopropylbenzol), leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (chlorhaltige LHKW), perfluorierte Tenside (PFT) und Vinylchlorid. Die Stoffe sind Altlasten aus der Vergangenheit, die aus der IG Farben Zeit (1936-47) stammen (LHKW), von einem Störfall an einer Cumolleitung etwa 1968 sowie durch PFT-Eintrag durch einstige Übungen der Werksfeuerwehr mit Löschschaum.
Private Hausbrunnen weisen eine erhöhte Schadstoffbelastung auf
Das Unternehmen hatte daraufhin erstmals die Öffentlichkeit informiert und die Nachbarschaft im Nordwesten und Westen um Meldung von Hausbrunnen gebeten, die zur Untersuchung der Grundwasserbelastung beprobt werden könnten. Gefolgt waren Messkampagnen in 44 Brunnen im Sommer und Herbst 2017. Sechs Brunnen wiesen eine erhöhte Belastung mit chlorierten Kohlenwasserstoffen auf, die höchste hatten Brauchwasserstellen an der Schanzenheide. Den dortigen Anliegern war empfohlen worden, das Grundwasser nicht mehr zu nutzen. „Wir haben den betroffenen fünf Nachbarn angeboten, Wasseruhren zu installieren, um den Verbrauch des Trinkwassers für die Gartenbewässerung erfassen zu können“, so Werksleiter Benie Marotz. Drei Nachbarn hätten dies angenommen.
Um die mögliche Schadstoffausweitung in Grundwasserfließrichtung weiter feststellen zu können, soll jetzt der Messstellenfächer weiter nach Westen ausgebreitet werden. In der Phase 2B werden sieben Messstellen bis auf 20 Meter Tiefe ab dem Wäldchen Schanzenheide vertikal untereinander auf Höhe der Hagelkreuzstraße bis Haus Nr. 18 gebohrt und beprobt. Zudem sollen in Phase 3 am nördlichen Rand des Wäldchens Schanzenheide (Richtung Bauernhof Terwellen) drei weitere Messstellen angelegt werden, um hier konkret etwaige LHKW-Ausbreitung festzustellen.
Die weiteren Arbeiten und Untersuchungen werden bis 2023 andauern
Löschmittel ist jetzt PFC-frei
Wie die Werksleitung von Ineos Phenol mitteilt, wird kein PFC-haltiger Löschschaum mehr in der Industrieanlage von der Werksfeuerwehr verwendet. Bis vor kurzem sei eine Restmenge von gut zehn Kubikmetern vorgehalten worden, „da dies rechtlich noch gestattet ist“. Der Austausch hätte spätestens 2025 erfolgen müssen. „Wir haben uns aber jetzt schon dafür entschieden, das alte Mittel zu entsorgen und die Beschäumungsanlage mit PFC-freiem Löschmittel zu befüllen“, so Werkleiter Benie Marotz. Ein Vorgang, der das Unternehmen „eine sechsstellige Summe“ gekostet habe.
Der Kreis Recklinghausen hatte als Aufsichts- und Umweltbehörde zudem angeordnet, dass an der Löschschaum-Schadstoffquelle auf dem Werksgelände vier Tiefenbohrungen bis auf 40 Meter erfolgen sollen. „Um zu sehen, ob und in welchen Tiefen und Konzentrationen PFT-Schadstoffe festzustellen sind“, so Volker Weber. Im ersten Halbjahr 2021 hätten die ersten Ergebnisse der Quellenuntersuchung dieser Phase 4 vorgelegen. Demnach sei dort die „vertikale Ausbreitung in die Tiefe nicht signifikant gegeben“.
Weitere Untersuchungen in der Horizontale sollen sich nun anschließen. Umweltingenieur Weber schätzt, dass die Bearbeitung der Phasen 2B bis 4 „die kommenden zwei Jahre bis 2023 abdecken wird“. Um dann letztlich auf Grundlage aller vorliegenden Daten und Ergebnisse die Fragen beantworten zu können, „welche Möglichkeiten zur Schadstoff-Sanierung haben wir und was ist davon sinnvoll und umsetzbar“.