Gladbeck. Der Stadtrat in Gladbeck debattiert heftig über den Haushalt für das nächste Jahr. Vor allem die wachsenden Schulden sorgen für Zündstoff.
Noch einmal fast drei Stunden rang der Rat der Stadt Gladbeck am Donnerstagabend, teilweise voller Emotionen und mit deutlichen Worten, um den städtischen Haushalt für das kommende Jahr 2022 – wie schon zuvor am Montag der Haupt- und Finanzausschuss. Die Fraktionen schenkten sich bei der spannenden Debatte nichts – es gab Bedingungen, Ermahnungen, Vorwürfe und eine überraschend energische Bürgermeisterin. Am Ende wurde der Etat mit einer eher knappen Mehrheit von 28 zu 22 Stimmen bei einer Enthaltung verabschiedet, auch der Stellenplan mit einem Plus an Jobs kam durch.
Ein ungewöhnliches Links-Rechts-Bündnis zwischen SPD, Linke, FDP, ABD (mit ABI, BIG und DKP) sowie einem AfD-Ratsherrn votierte für den 291-Millionen-Etat, dagegen stimmte die komplette CDU-Fraktion (obwohl nach dem fraktionsinternen Streit ihre beiden Vorsitzenden eigentlich für den Etat sind), überraschend nur sechs der sieben Grünen-Ratsmitglieder und zwei AfD-Ratsleute. Die Grünen-Ratsfrau Simone Steffens enthielt sich, obwohl ihre Fraktion vehement Bedenken zum Etat geäußert hatte.
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Forderung nach einer Finanzkommission wurde ein neuer Streitpunkt
Zum neuen Streitpunkt hatte sich eine erst am Abend zuvor von den Grünen eingebrachte Forderung nach einem neuen städtschen Gremium, einer Finanzkommission, entwickelt. Nur bei Zustimmung zu dieser Kommission, die regelmäßig und „intensiv“ nach „Verbesserungen von Einnahmen und Minderungen der Ausgaben des Haushalts“ suchen sollte, wollten die Grünen „mit Bauchschmerzen“, wie Fraktionschefin Ninja Lenz bekräftige, dem Haushalt doch noch zustimmen.
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SPD-Fraktionschef Wolfgang Wedekind sah darin eine „Politik der Ultimaten“, die es abzulehnen gelte. Er warf den Grünen vor, mit ihrer „sehr ungewöhnlichen Art“ der Eingabe einer solchen Forderung am Abend vor der Ratssitzung die „Kultur des Gemeinsamen, des respektvollen Umgangs“ zu verlassen. Im übrigen mache eine solche Kommission keinen Sinn, so Wedekind, da so offen und mit einer Transparenz „wie nie“ in den vorhandenen Gremien über den Haushalt gesprochen worden sei und dies dort auch weiter möglich sei. Der Antrag wurde – mit einem ähnlichen Stimmenvotum wie bei der Haushaltsabstimmung – abgelehnt. Wedekind sprach von einem konstruktiven Haushalt, „den Kopf in den Sand stecken, das ist keine Lösung“, sagte er in Richtung Grüne und CDU und warnte vor den „Irrsinn den Kaputtsparens“.
Bürgermeisterin kritisierte scharf die Fraktionen von Grünen und CDU
Bürgermeisterin Bettina Weist (SPD) zeigte sich erzürnt über die Grünen, warf ihnen – wie auch der CDU – vor, dass sie nicht gemeinsam Verantwortung für die Stadt übernehmen wollten. „Wir haben Ihnen mehrfach die Hand gereicht, aber Sie sind nicht bereit, den Weg zu einem zukunftsfähigen Gladbeck zu gehen.“ Schon zu Beginn der Debatte hatte Weist die Fraktionen gemahnt, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. „Wir müssen die Schulden abbauen, ja, dürfen Gladbeck nicht kaputt sparen.“ Sie appellierte um Zustimmung, warnte vor einem Sparkommissar, der bei Ablehnung des Etats nach Gladbeck käme „und den Rat zum Zuschauer macht“.
Grünen-Fraktionschefin Lenz, die erneut Bedenken gegen den Schuldenberg der Stadt, insbesondere der wachsenden Corona-Schulden bekundete, verwahrte sich gegen die Vorwürfe. „Ich möchte, dass unsere Entscheidungen respektiert werden, ich habe aber das Gefühl, dass nicht ernst genommen wird, was man sagt.“ Angesichts der Schuldenberge habe man das Gefühl, „über unsere Verhältnisse“ zu leben. „Wir brauchen eine Strategie, um Schulden nicht in die Zukunft zu schieben.“ Grünen-Ratsfrau Elke-Marita Stuckel-Lotz warf der SPD vor, mit der Politik der weiteren Verschuldung „Gladbeck zum Armenhaus“ zu machen – löste damit teils heftigen Protest aus.
CDU pro Finanzkommission, aber gegen den Haushalt
Auch der CDU, so der scheidende Fraktionsvorsitzende Peter Rademacher, macht der wachsende Schuldenberg große Sorgen. Vor allem aber: „Es ist kein absoluter Sparwille“ der Verwaltung erkennbar, es fehle eine „zukunftsfähige Strategie“, die verhindere, dass Gladbeck zu einer „Transferempfängerstadt“ werde. Zu diesem Zeitpunkt am Donnerstagabend war noch nicht offiziell, dass das Thema Etat die CDU-Fraktion zerstritten hatte und Rademacher sowie sein Fraktionskollege Christian Enxing von ihren Fraktionsämtern zurücktreten werden. Stark machte sich Rademacher aus Überzeugung („wir wollten das auch schon mal“) für den Grünen-Vorschlag einer Finanzkommission, auch wenn die CDU bei einem Ja zur Kommission bei ihrem Nein zum Etat bleiben wollte.
AfD-Ratsherr Marcus Schützek sprach von einen „ideologisierten Haushalt“, der den „linken Zeitgeist“ atme. Die Auslagerung der Corona-Schulden sei „eine bodenlose Frechheit“. FDP-Fraktionsvorsitzender Michael Tack sprach von einem „ausbalancierten Haushalt“ und warnte vor weiteren Sparmaßnahmen: „Wir brauchen keine Schrottstadt.“ Die ABD-Fraktion, die die trotz enger Finanzen ermöglichten soziale Impulse lobte, erhofft sich für die Zukunft, so ihr Vorsitzender Udo Flach (BIG), Einspareffekte im Etat durch die angekündigte Digitalisierungsoffensive.
Im Etat ‘22 stehen 291,2 Millionen Euro bereit
Der Haushalt der Stadt Gladbeck für das Jahr 2022 hat ein Volumen von 291,2 Millionen Euro. Größter Ausgabenposten sind die Transferaufwendungen in Höhe von 131 Millionen Euro. Das städtische Personal kostet 70,7 Millionen Euro, Sach- und Dienstleistungen schlagen mit 45,6 Millionen Euro zu Buche.
Auf der Einnahmeseite stehen auch 8,6 Millionen Euro „Corona-Isolationen“ – Geld, das ausfällt und über Kredite finanziert wird. Offiziell gibt es einen Überschuss von rund 450.000 Euro. Insgesamt schiebt die Stadt im übrigen einen Schuldenberg aus vergangenen Jahren (Altschulden) von mehr als 300 Millionen Euro vor sich her.