Gladbeck. Bei den Etatberatungen in Gladbeck plädieren die Grünen dafür, künftigen Generationen weniger Schulden aufzutürmen. Sie lösen eine Debatte aus.

Angesichts von drückenden und einengenden weiteren rund 8,6 Millionen Euro Corona-Schulden im städtischen Haushalt gerieten in Gladbeck die Etatberatungen im Hauptausschuss zu einer generellen Abrechnung mit der desolaten Finanzsituation der Stadt. Nachdem die Fraktionen mehr als zwei Stunden um jeden zusätzlichen Cent gerungen hatten, den sie gern ausgeben würden, kam es am späten Montagabend zu einer ernüchternden Grundsatzdiskussion.

Auslöser war einer von 18 „Prüfaufträgen“ der Politik, der von den Grünen kam. Sie verlangten mehr „Haushaltstransparenz“, kritisierten vor allem den aus ihrer Sicht in Höhe und Ursache nicht nachzuvollziehenden Posten der Gladbecker Corona-Schulden (als „Isolation – Corona-Finanzschäden“ im Haushalt ausgewiesen) und verlangten einen größeren Sparwillen, um den Schuldenberg nicht auf die von der Verwaltung bis 2025 dargestellten 50 Millionen Euro anwachsen zu lassen. Fraktionschefin Ninja Lenz: „Es ist nicht einzusehen, warum immer mehr Schulden den nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden sollen.“ Lenz wies darauf hin, dass es vieles gebe, „wo wir sagen, nice to have, aber das ist nicht lebenswichtig.“

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Grünen-Fraktionschef Ninja Lenz will mehr sparen, um künftigen Generationen nicht zu hohe Schulden zu hinterlassen.
Grünen-Fraktionschef Ninja Lenz will mehr sparen, um künftigen Generationen nicht zu hohe Schulden zu hinterlassen. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Sie frage sich, so Grünen-Fraktionschefin Lenz, ob es moralisch vertretbar sei, so weiter zu machen wie bisher, weiter noch Ausgaben, wenn auch kleine, zu fordern als lieber im Hier und Jetzt zu sparen. Ihr Fraktionskollege Bernd Lehmann wies auf durchgesetzte Ausgaben etwa der SPD von 10.000 Euro für eine bessere Akustik in Schulen (wovon zwei Klassenräume hergerichtet werden können) oder zusätzliche 2500 Euro für die Instandsetzung eines Waldweges in Zweckel hin, was auch aus dem laufenden Budget getragen werden könnte. „Das ist reine Symbolpolitik“, so Grünen-Ratsherr Lehmann, der auch von „Durftmarken“ sprach. „Wir gehören zu den ärmsten Städten, und uns ist unwohl dabei.“ Beispiele, wo gespart werden solle, nannten die Grünen allerdings nicht. Sie unterbreiteten allerdings einen Vorschlag zur Verbesserung der Einnahmen, der angenommen wurde: Der künftige Einsatz von E-Scootern auf öffentlichen Straßen soll mit Gebühren belegt werden (voraussichtliches Plus im Jahr: 10.000 Euro).

SPD-Fraktionschef Wolfgang Wedekind meinte, der Haushalt habe keine Ausgabenprobleme, sondern angesichts enormer sozialer Belastungen strukturelle Probleme. Investitionen müssten weiter möglich sein. Und es sei ja nicht so, dass es keine Sparbemühungen gegeben habe und gebe. „Wir haben in der Zeit des Stärkungspaktes 150 Millionen Euro eingespart.“ Bürgermeisterin Bettina Weist betonte, dass das Land dafür verantwortlich sei, für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen, damit diese ihre – oft von oben auferlegten – Aufgaben erledigen können.

Linke-Ratsherr Jurkosek: Weiteres Sparen der Stadt ist nicht zielführend

Linke-Ratsherr Rüdiger Jurkosek sagte, weiteres Sparen sei nicht mehr zielführend. Wenn Städte nicht mehr investierten, würden sie kaputt gespart, „und auch da haben wir der nächsten Generation gegenüber eine Verantwortung.“ FDP-Fraktionschef Michael Tack, der der Verwaltung beim Haushalt durchaus Transparenz attestierte, warnte davor, die Äußerungen der Grünen so zu verstehen, dass man in Gladbeck über seine Verhältnisse lebe. „Das tun wir nicht.“ Es gebe Grenzen des Sparens, das seit langer Zeit Diktat sei. Die Ursachen der Finanzmisere lägen in den üppigen, schuldenreichen 80er und 90er Jahren. „So gesehen sind schon wir eine betroffene Generation.“ AfD-Ratsherr Marcus Schützek kritisierte den „Sinneswandel“ der Grünen, die noch vor knapp einem Jahr dem Haushalt 2021 unter gleichen Bedingungen zugestimmt hätten.

Bei den Detail-Beratungen hatten SPD, ABD und FDP zuvor einige kleine Kurskorrekturen vorgenommen, denen die Grünen nicht zustimmten. Unterm Strich bedeuten alle Änderungen ein Plus von 40.000 Euro für den Etat, dessen Volumen bei 291,2 Millionen Euro liegt – inklusive der knapp 8,6 Millionen Euro Corona-Isolationen (also Kreditaufnahmen). Das leichte Etat-Plus liegt bei 460.000 Euro. Bürgermeisterin Weist sprach von aufwendigen, aber konstruktiven Etatberatungen, warb um Vertrauen und zeigte sich im WAZ-Gespräch optimistisch, dass der Etatentwurf mit „grundsätzlichen Weichenstellungen“ am Donnerstag im Rat „mit breiter Mehrheit“ verabschiedet werde. „Wir sind gut aufgestellt, können trotz widriger Umstände lösungsorientiert die Stadt weiter entwickeln.“

Corona-Schäden auch andernorts

Bürgermeisterin Weist wies darauf hin, dass vor allem Ausfälle bei der Gewerbesteuer (4,5 Millionen Euro) und beim kommunalen Anteil an der Einkommensteuer (3,8 Millionen) zu den Corona-Schäden beigetragen haben. Mit den bis 2025 erwarteten knapp 50 Millionen Euro Corona-Schäden liege Gladbeck deutlich hinter Gelsenkirchen (200,5), Marl (175,4) und Recklinghausen (89,2).

Umgerechnet auf den einzelnen Bürger liegt sie in Gladbeck bis 2025 bei 632 Euro. Zum Vergleich: Erwartet werden in Marl 2080, in Datteln 1202, in Recklinghausen 805, in Gelsenkirchen 774. Hinter Gladbeck liegen Castrop mit 573, Haltern mit 404 und Bottrop mit 297 Euro.