Gladbeck. Eine Umfrage zeigt: Viele Einrichtungen, die regelmäßig mit Kindern arbeiten, haben noch kein Schutzkonzept. Das soll sich in Gladbeck ändern.
Schlimme Fälle komplexen Missbrauchs von Kindern wie in Lügde oder Bergisch Gladbach haben die Akteure des Gladbecker Kinder- und Jugendschutzes alarmiert. Ein gesamtstädtisches Kinderschutzkonzept gegen Gewalt soll entwickelt und etabliert werden. Dass dies dringend nötig ist, wurde im jüngsten Jugendhilfeausschuss deutlich. Denn die Ergebnisse einer dort vorgestellten Umfrage, die in Gladbeck zum Thema erhoben wurde, ergab auch überraschende Antworten.
Konkret ging es um die Bestandsabfrage „Kinderschutz in Gladbeck 2021“. Die Stadt hatte dazu an 110 Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen regelmäßig zu tun haben, einen Fragebogen zum Thema verschickt. Das waren vor allem Kitas, Schulen/OGS, Einrichtungen der Jugendförderung, aber auch aus den Bereichen Jobcenter, Sozialamt oder Gesundheit/Therapie. Die Auswertung erfolgte über die Fachhochschule Münster, die das Projekt seit Mitte dieses Jahres wissenschaftlich begleitet.
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Das Kinderschutzkonzept hat einen triftigen Grund
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Sozialmanagerin Jana Kunze stellte das Ergebnis aus den letztlich 92 zurückgesendeten Fragebogen vor. Das wichtigste Ziel sei gewesen, „herauszufinden, ob in den einzelnen Einrichtungen ein Kinderschutzkonzept vorliegt“, so die Wissenschaftlerin. Die Antworten hätten aufgezeigt, „dass das gesamtstädtische Kinderschutzkonzept einen triftigen Grund hat“. Denn davon mehr als die Hälfte, 49 Einrichtungen, gaben an, „dass bei ihnen noch kein Konzept vorliegt“.
Dies, obgleich das Thema vom Jugendamt auf Fachtagungen auch verstärkt in den Fokus gerückt worden war. Eine Frage zielte so auch darauf ab, ob Unterstützung dazu gesucht worden sei beziehungsweise stattgefunden habe. 32 Einrichtungen antworteten, dass sie bei der Erstellung eines Kinderschutzkonzeptes unterstützt wurden, und 19 gaben an, dass dies für eine Überarbeitung ihres bestehenden Konzeptes erfolge. Es sei interessant, dass einige Einrichtungen sich bereits aktiv mit dem Thema beschäftigten, aber ebenso, mahnte Kunze, dass mehr als die Hälfte der Angeschriebenen „nichts zurückgemeldet haben“. Diese Einrichtungen gelte es „mit ins Boot zu holen“.
In 36 Einrichtungen ist der Kinderschutz nur selten ein Thema
Auf die Frage, ob der Kinderschutz in ihren Einrichtungen generell ein Thema sei, gaben 49 der 110 Befragten an, dass dieser täglich gelebt werde. Aber ebenso informierten 36 Einrichtungen, dass dies bei ihnen selten oder sehr selten ein Thema sei. Diese Einrichtungen müssten verstärkt unterstützt werden. Mit konkreten Projekten, um nachzuhaken, „was die Einrichtung an Unterstützung braucht, um das Thema präsenter zu machen“, empfiehlt die Wissenschaftlerin. Denn es sei von großer Wichtigkeit, Signale, die auf Kindeswohlgefährdung hinweisen, zu erkennen.
Große Infoveranstaltung in der Stadthalle
Zum Thema „Gesamtstädtisches Kinderschutzkonzept in Gladbeck“ ist für Mittwoch, 15. Dezember, eine große Infoveranstaltung in der Stadthalle geplant. Eingeladen sind Vertretende aller Bereiche, wo Erwachsene mit Kindern und Jugendlichen in ständigem Kontakt sind (z.B. Sportvereine, Religionsgemeinschaften).
Ziel soll eine Sensibilisierung sein, dass alle Bereiche der Stadtgesellschaft eine Verantwortung für die Umsetzung von Kinder- und Jugendschutz haben. Ob die Veranstaltung aufgrund der verschärften Corona-Schutzbestimmungen in Präsenz oder als Videokonferenz stattfindet, wird noch entschieden.
Das Auftakttreffen zum Thema Gesamtstädtisches Kinderschutzkonzept fand am 28. Oktober 2020 in der Stadthalle statt. Eine Projektsteuerungsgruppe mit Vertretenden der betroffenen Bereiche (z.B. Kita, Schule, Polizei etc.) hat die Arbeit aufgenommen. Ziele und Maßnahmen für das Konzept wurden mit Unterstützung der FH Münster im Juni formuliert.
Festgehalten wurde, dass Vernetzung und die Klärung von Zuständigkeiten Sicherheit schaffe. Sinnvoll sei auch eine Homepage, die die wesentlichen Informationen bündeln könnte. Notwendig sei auch ein allgemeingültiger Meldebogen und eine klarer Ablaufprozess beim Verdacht der Kindeswohlgefährdung.
Zudem solle ein Arbeitskreis implementiert werden, der das Thema immer wieder aufgreift und aktualisiert. Multiplikatoren sollen geschult, ein jährlicher Fachtag soll eingerichtet werden. Klar ist auch, dass Zivilcourage, also gesamtgesellschaftlich hin- statt wegzuschauen, Kinder in Gladbeck besser schützen kann.
Dass große Unsicherheit bei den Kenntnissen zur Wahrnehmung dieser Signale besteht, spiegelt auch das Umfrageergebnis. Jana Kunze: „Mehr als die Hälfte sagt, dass sei für sie ein sehr schwerer Vorgang, und sie fühlten sich eher oder sehr unsicher.“ Es dürfe aber nicht sein, „dass es abhängig vom diensthabenden Mitarbeitenden ist“, wie in Sachen Kindeswohlgefährdung hingeschaut werde. Spannend sei diesbezüglich auch, „dass 71 Einrichtungen angegeben haben, dass bei ihnen ein Fortbildungsbedarf besteht“. Dies sei eine wichtige Aufgabe im Rahmen eines gesamtstädtischen Kinderschutzkonzept, so die Wissenschaftlerin. Nämlich festzulegen, was in diesem Bereich notwendig ist, „um unabhängig von den anwesenden Personen in den Einrichtungen einen guten Standard sicherzustellen“, um frühzeitig zu erkennen, wo zum Schutz der Kinder Handlungsbedarf besteht.