Gladbeck. Eine spezielle Ermittlergruppe jagt kreisweit Täter, die sexuelle Gewalt gegen Kinder erregt. Auch in Gladbeck sind die Fahnder der Polizei aktiv

Die schrecklichen Missbrauchsfälle auf dem Campingplatz von Lügde oder der jüngst zerschlagene Kinderschänderring von Münster sorgten bundesweit für Aufsehen und Schlagzeilen. Dass das Grauen perverser Abgründe aber quasi auch direkt vor der eigenen Haustür im Kreis Recklinghausen zu finden ist, weiß Klaus Kubitza nur zu genau. Im Polizeipräsidium Recklinghausen leitet der Erste Kriminalhauptkommissar die Dienststelle Kinder- und Jugendpornografie (KiPo). Mit seinen 15 Kolleginnen und Kollegen wertet Kubitza sichergestellte Datenträger aus. Ziel der Fahnder ist es, über die Durchsicht der grauenhaften Bilder und Videos Tatverdächtige des strafbaren Erwerbs, Besitzes, der Verbreitung oder sogar Herstellung von Kinder- und Jugendpornografie zu überführen.

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Taten mit einer steigenden Tendenz im Kreisgebiet, wie die Polizeistatistik leider belegt. Denn ermittelten die Fahnder 2017 noch in 50 Fällen, so waren es 2018 bereits 84 und 2019 167 Delikte dieser abscheulichen Art. Der aktive sexuelle Missbrauch von Kindern wurde bei 131 Fällen in 2017, 98 in 2018 und 171 im Jahr 2019 ermittelt. Zu Tatverdächtigen aus Gladbeck wurde dabei in fünf Fällen im Jahr 2017 ermittelt, in acht Fällen in 2018 sowie in zehn Fällen im Vorjahr. Zum Vorwurf des Kindesmissbrauches wurde in zehn (2017), sechs (2018) und acht Fällen (2019) in Gladbeck ermittelt.

Die Erfolgsquote der Fahnder ist hoch

Klaus Kubitza (54) leitet die Dienststelle Kinder- und Jugendpornografie im Polizeipräsidium Recklinghausen.
Klaus Kubitza (54) leitet die Dienststelle Kinder- und Jugendpornografie im Polizeipräsidium Recklinghausen. © Esser, Marcus | Marcus Esser

Die Erfolgsquote der Ermittler ist hoch. Sie liegt bei Besitz und Verbreitung von Kinder und Jugendpornografie in der Regel zwischen 75 bis 100 Prozent. Beim Kindesmissbrauch sind es 60 bis gut 90 Prozent der Fälle. Kubitza erklärt warum: „Wir machen keine anlassunabhängige Recherche.“ Klartext: Die Ermittler gehen nicht im Internet auf gut Glück auf Jagd nach pädophilen Kriminellen, sondern sie haben schon einen harten Anfangsverdacht und konkrete Personen im Visier.

„Viele Verfahren kommen durch Hinweise aus den USA“, so der Ermittler. Denn dort gebe es auch private Organisationen, die nach Tätern im Internet fahndeten und Bundesgesetze, „wonach Provider verpflichtet sind, strafrechtlich relevante Inhalte auf ihren Servern den Behörden zu melden“. Die so festgestellten Datenzugriffe über IP-Adressen oder Smartphone (Telefonnummern) aus Deutschland würden dann dem Bundeskriminalamt mitgeteilt, das die zuständigen Landeskriminalämter einschalte, die dann über die Staatsanwaltschaften die örtlichen Polizeibehörden einbinden. Kubitza: „Wir erhalten über die Amtsgerichte dann Durchsuchungsbeschlüsse, um Hardware und Datenträger bei den Tatverdächtigen sicherstellen zu können.“ Dabei würden auch speziell ausgebildete Spürhunde eingesetzt.

Die Ermittler belastet, dass sie einen andauernden Missbrauchsfall übersehen könnten

Stärkung der Kinder ist wichtig

Um Kinder besser vor den Annäherungsversuchen von pädophilen Tätern zu schützen, sei es enorm wichtig, Kinder schon möglichst früh dafür zu sensibilisieren, „wann sich ein Erwachsener nicht richtig verhält“, sagt Ermittler Klaus Kubitza. Dies sollte schon im Kindergartenalter beginnen, damit Betroffene auch den Mut und die Stärke haben, sich gegenüber Vertrauenspersonen mit Sorgen zu öffnen.

Der Dienststellenleiter stellt aber auch fest, dass Kinder- und Jugendliche oft kein Bewusstsein dafür haben, was falsch und was richtig ist. So würden gedankenlos über Smartphone und Soziale Netzwerke oder Messenger pornografische Bilder verbreitet. Wodurch sich die Jugendlichen selbst strafbar machten. Ihre Medienkompetenz zu stärken, sei so auch eine wichtige Aufgabe der Schulen.

Danach folgt die belastende Tätigkeit der Auswertung der entdeckten CDs, DVDs, Festplatten und anderer Speichermedien, wobei auch speziell Software eingesetzt wird, die schon eindeutig bekannte strafrechtlich qualifizierte Dateien herausfiltert, die als Bibliothek des Grauens in pädophilen Netzwerken getauscht und verbreitet werden. „Durch Ausnutzen aller technischen und personellen Möglichkeiten wollen wir die Auswertung der Datenträger schnellstmöglich umsetzen“, unterstreicht Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen. Den sie weiß, was Klaus Kubitza und sein Ermittlerteam zudem stark belastet. „Bei der Unmenge an auszuwertenden Daten einen möglichen, noch andauernden sexuellen Missbrauch eines Kindes zu übersehen.“

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Der emotionale wie auch arbeitsmäßige Druck bei der täglichen Sichtung von Bildern oder Videos von missbrauchten Kindern sei eine enorme Belastung. Deshalb würden für die Tätigkeit im KiPo-Bereich nur Ermittler eingesetzt, die sich für diesen Aufgabenbereich bewusst und freiwillig entschieden hätten. „Die regelmäßige Durchführung von internen Gesprächen und von Supervisionen sind wesentliche Hilfestellungen für Kolleginnen und Kollegen, um mit diesen Belastungen professionell umzugehen“, so die Polizeipräsidentin.