Gladbeck. Der Männergesangverein Gladbeck-Scholven hört am Jahresende auf. Die Gründe dafür haben nicht nur etwas mit der Corona-Pandemie zu tun.
Eine musikalische Ära geht zu Ende. Der Männergesangverein Gladbeck-Scholven 1913 e. V. löst sich auf. Nach 108 Jahren ist offiziell am 31. Dezember 2021 Schluss.
Es gibt nicht nur einen Grund, aber die Corona-Pandemie ist der entscheidende. Fast zwei Jahre haben sich die Sänger auf ihr großes Oper- und Operettenkonzert vorbereitet, das sie, gemeinsam mit vier Krefelder Chören und vier Solisten, aufführen wollten. Es sollte am 29. März 2020 die Premiere unter dem Dirigat von Juri Dadiani in der Stadthalle werden. Er hatte den MGV Anfang 2018 vom langjährigen Dirigenten Gerd Kerkemeier übernommen. Zwei Adventskonzerte und einen Auftritt in Mülheim-Saam konnte Dadiani dirigieren, die große Gala aber fiel der Pandemie zum Opfer.
Geprobt wurde manchmal coronabedingt auch unter freiem Himmel
Im Oktober 2020 sollte sie nachgeholt werden. Doch die Inzidenzwerte stiegen wieder. 50 Sänger auf der Bühne waren wegen fehlender Abstände nicht möglich. Geprobt wurde trotzdem, wann immer es die epidemische Lage zuließ, auch unter freiem Himmel. Ein neuer Termin aber konnte nicht gefunden werden.
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Weil die Einnahmen der Auftritte fehlten, leerte sich die Vereinskasse. Dem Chor blieb nichts anderes übrig, als seinem Dirigenten zum Ende des Jahres zu kündigen. Bernd Weber, seit zehn Jahren 1. Vorsitzender, hatte bis zuletzt die Hoffnung auf einen Neustart mit Juri Dadiani oder einem neuen Dirigenten nach einigen Monaten Pause und dem möglichen Ende der Pandemie.
Auf der Jahreshauptversammlung konnte kein neuer Vorstand gewählt werden
Doch auch dazu wird es nicht kommen. Weber: „Bei unserer Jahreshauptversammlung im Oktober ist es nicht gelungen, einen neuen Vorstand zu wählen. Niemand wollte Schriftführer, niemand Notenwart werden. Beides habe ich in der letzten Zeit mit erledigt, wollte mich aber künftig wieder nur auf den Vorsitz konzentrieren.“ Auch im zweiten Anlauf am 19. November fand sich niemand. Und so fiel der einstimmige Beschluss, den Verein aufzulösen.
Als „Sangeslust Zweckel-Scholven“ wurde der Chor am 14. Juni 1913 gegründet. Ihm gehörten überwiegend Bergleute der Zechen Scholven und Zweckel an. Der 1. Weltkrieg legte die Aktivitäten lahm, doch mit dem Wiederbeginn 1919 stiegen die Mitgliederzahlen. 1926 zählte der Chor, der seit 1920 den Namen MGV Gladbeck-Scholven 1913 e. V. trägt, 120 Sänger und 220 passive Mitglieder.
Einen solchen Boom gab es auch nach dem 2. Weltkrieg. Doch seit den 60er Jahren sinkt die Zahl der aktiven Sänger, zunächst bedingt durch die Bergbaukrise und die Zechenschließungen, später, weil – wie in den meisten Vereinen – Nachwuchs fehlte. Das große Jubiläumskonzert zum 100-jährigen Bestehen 2013 konnten noch 40 Sänger bestreiten, heute zählt der Chor 19 Sänger, der Altersdurchschnitt liegt bei 76 Jahren.
„Gute Stimme haben wir aber trotzdem noch“
Geld für Tickets gibt es zurück
150 Karten für ihre mehrfach ausgefallene Opern- und Operettengala waren schon verkauft. Die Käufer sollen sich bei den Sängern, bei denen sie die Karten gekauft haben, oder bei Bernd Weber unter der Rufnummer 02043-65609 melden, damit ihnen das Geld zurückerstattet wird.
Und wenn die Pandemie es erlaubt, wollen die Sänger Anfang Dezember noch einmal zur Weihnachtsfeier zusammenkommen, „um die Vereinsgeschichte mit vielen schönen Ereignissen zu beenden“.
„Gute Stimmen haben wir aber trotzdem noch“, sagt Bernd Weber, dem das Ende des Chores, dem er seit 32 Jahren angehört, weh tut: „Mir könnten schon manchmal die Tränen kommen, aber wir alle müssen uns einfach damit abfinden, dass es nicht mehr geht.“
Einige Sänger wollen in anderen Chören weitermachen. Bernd Weber lässt seine musikalische Zukunft noch offen: „Jetzt habe ich erst einmal viel Arbeit vor mir.“ Das langjährige Probenlokal im Vereinsheim der Kleingartenanlage Offermannshof, das der MGV wegen eines Pächterwechsels in letzter Zeit nicht mehr nutzen konnte, muss geräumt werden. Volle Notenschränke gibt es dort noch, die Vereinsfahne, Plaketten und unzählige andere Erinnerungsstücke, für die er gern Abnehmer fände, statt sie zu entsorgen. Und wenn das alles erledigt ist, „denke ich mal nach, ob ich noch in einem anderen Chor singe.“