Gladbeck. Das Jubiläum des christlichen Sozialverbandes wird am Sonntag gefeiert. Ein großes Problem ist der Mangel an Nachwuchs
Vor 150 Jahren wurde der „Knappenverein St. Barbara zu Gladbeck gegründet“, die Keimzelle der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) St. Lamberti. Am Sonntag wird das Jubiläum mit einem Pontifikalamt in St. Johannes gefeiert. Im Rahmen des Festes wird auch der langjährige Vorsitzende der KAB, Hans Josef Boekelder, geehrt. Im Gespräch mit der WAZ blickt der 80-Jährige auf die bewegte Geschichte der katholischen Bewegung zurück. Dabei nennt er auch Sorgen zur Zukunft der KAB in Gladbeck.
Zunächst aber ein Blick auf die Anfänge 1871: Das Dorf Gladbeck zählt rund 2700 Einwohner, es gibt kaum eine ausgebaute Straße, keine Eisenbahn, keine Zeche. Die Bergleute laufen in Klumpen zu ihren Arbeitsplätzen in die Nachbarorte. Ein Jahr zuvor hatten Bernhard Holtwiesche, Wilhelm Schucht und Johann Schumacher Pfarrer Enbergs zum ersten Mal ihren Wunsch zur Gründung eines Knappenvereins vorgetragen, nach den Vorbildern in Altenessen und in der Horstermark. Am Lambertifest des Jahres 1871 ging dieser Wunsch in Erfüllung. Im Saal der Gaststätte Wormland fand die Gründungsversammlung statt. 90 Bergleute, das heißt, die gesamte Bergarbeiterschaft Gladbecks, traten dem „Knappenverein St. Barbara zu Gladbeck“ bei. Jetzt also blickt die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) St. Lamberti auf 150 bewegte Jahre zurück.
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Gründung der Kranken- und Sterbekasse war ein Meilenstein
1883 war ein weiterer Meilenstein des Vereins, indem eine Kranken- und Sterbekasse gegründet wurde, die den Mitgliedern ein Krankengeld von täglich 50 Pfennig und ein Sterbegeld von zehn, später 30 Mark zahlte. Auch Streikunterstützung gab es aus der Vereinskasse. Für die 1899 eingeweihte Lambertikirche stiftete der Verein das St.-Barbara-Fenster im Wert von über 2000 Mark. Von Beginn an gab es regelmäßige Zusammenkünfte zur Bildung der Mitglieder.
Das Dorf Gladbeck wuchs rasant und mit ihm die Zahl der Mitglieder im Knappenverein. 1907 gehörten ihm 631 Männer an, die ersten „Ortsvereine“ wurden gegründet. Der 1. Weltkrieg bremste das Vereinsleben aus, die Reaktivierung 1919 war nur von kurzer Dauer. Die Geldentwertung setzte dem Verein zu, die belgische Besatzung 1923 legte das Vereinsleben fast vollständig lahm.
Katholischer Arbeiterverein war den Nazis ein Dorn im Auge
Und dann kamen die Nationalsozialisten, denen die Katholischen Arbeitervereine wegen ihrer klaren religiösen, politischen und sozialen Haltung ein „Dorn im Auge“ waren. Sie wurden im September 1935 im Regierungsbezirk Münster verboten. Zehn Jahr später nahmen die Gladbecker Vereine ihre Arbeit wieder auf. Zur ersten Versammlung nach dem Krieg am 28. Oktober 1945 kamen 150 Arbeiter, die Mitgliederzahlen stiegen wieder. Leider nur noch Vergangenheit, denn seit einigen Jahren zeigt die Mitgliederkurve deutlich in die andere Richtung. Zum großen Bedauern von Hans Josef Boekelder. Der 80-Jährige ist seit 1982 Vorsitzender der KAB St. Lamberti. Zu Beginn seiner Amtszeit zählte der Verein 138 Mitglieder, in ganz Gladbeck gab es fast 1200 Mitglieder, heute sind es in Gladbeck 483, in St. Lamberti gerade noch 17. Der Altersdurchschnitt liegt bei 78 Jahren.
Festgottesdienst und Empfang am Sonntag
Das 150-jährige Bestehen feiert die KAB St. Lamberti am Sonntag, 21. November, mit einer Heiligen Messe mit Weihbischof Ludger Schepers in der St.-Johannes-Kirche an der Bülser Straße. Besucher müssen geimpft oder genesen sein.
Anschließend findet für geladene Gäste ein Empfang im dortigen Gemeindezentrum statt. Hans Josef Boekelder gibt einen Rückblick auf das bewegte Vereinsleben, Diözesanvorsitzender Hermann Josef Schepers hält die Festrede. Außerdem werden Jubilare geehrt.
Und dennoch: Bei den Versammlungen geht es immer noch – neben dem Beisammensein – auch um kirchliche, soziale und politische Themen. Die Schwerpunkte aber haben sich verschoben. „Rente mit 67 oder 70 – das interessiert keinen mehr“, sagt Bernd Wagner, der stellvertretende Diözesanvorsitzende der KAB, mit 54 Jahren einer der Jüngsten. „Bildungsveranstaltungen gibt es zu Themen wie Patientenverfügung, Testament und Erbfolge.“ Die KAB engagiere sich zudem gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse und unterstütze, in Zusammenarbeit mit dem Verein „Kurbel“ in Oberhausen, Jugendliche auf dem Weg von der Schule in den Beruf.
Erinnerungen an das rege Vereinsleben in vielen Aktenordnern gesammelt
Erinnerungen an das rege Vereinsleben vergangener Jahre hat Hans Josef Boekelder in vielen Aktenordnern gesammelt. Fotos zeigen die KAB-Mitglieder auf ihren Studienreisen. 26 Ziele überall in Europa, darunter Rom mit Papstaudienz, haben sie angesteuert. Zeitungsausschnitte erzählen von Jubiläen und großen Veranstaltungen, vom Besuch des NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl Josef Laumann, und anderer bekannter Persönlichkeiten.
Jetzt ist es ruhiger geworden in der KAB St. Lamberti. Boekelder und Wagner aber hoffen, dass es weitergeht. „Diözesanweit versuchen wir, unser Nachwuchsproblem zu lösen.“ Als Beispiele nennt Bernd Wagner den jährlichen Kreuzweg auf die Halde Haniel, gemeinsam mit der RAG-Stiftung und dem RVR, an dem bis zu 2000 Menschen teilnehmen, und die Kooperation mit der katholischen Jugendorganisation BDKJ. Zum 150. Geburtstag „seiner“ KAB St. Lamberti wünscht sich Hans Josef Boekelder, „dass das, wofür der Verein steht, auch in die Zukunft getragen wird“.