Gladbeck. Gut 1500 neue Bäumchen sollen im Wittringer Wald in Gladbeck gesetzt werden. Ein Experte erklärt, was den Pflanzen alles gefährlich werden kann.

Unzähligen Buchen ging’s in den vergangenen Monaten im Wittringer Wald an die Borke. Aus Sicherheitsgründen fielen die kranken Riesen der Säge zum Opfer. Doch nun tun sich in dem Gladbecker Erholungsgebiet kleine Lichtblicke auf.

Knapp 100 Buchen mussten im Wittringer Wald in Gladbeck gefällt werden

Geradezu winzig nimmt sich der Nachwuchs im Vergleich zu den gefallenen Bäumen aus. Knapp 100 Buchen wurden gefällt, zerlegt liegen Teile von ihnen noch im Wald.

Bauminspektor Ralf Nolte vom ZBG mit den Jungpflanzen, die noch in Wittringen gesetzt werden müssen.
Bauminspektor Ralf Nolte vom ZBG mit den Jungpflanzen, die noch in Wittringen gesetzt werden müssen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Brocken von Stämmen mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter lassen erahnen, welch imposante Ausmaße diese Buchen hatten. Bis zu 50 Meter ragten sie gen Himmel, die ältesten hatten etwa 200 Jahre auf dem Holz. Ralf Nolte, Bauminspektor beim Zentralen Betriebshof Gladbeck (ZBG), klingt immer noch stolz auf die einstigen Prachtexemplare, wenn er bemerkt: „Es ist schon eine Besonderheit, dass sie diese Höhe erreicht haben. Meistens ist bei 35 Metern Schluss.“

Etwa 500 Jungpflanzen wurden in Wittringen bereits gesetzt

Der Fachmann stellt aber auch klar: Aus dem Stammumfang ergeben sich längst nicht zwangsläufig Länge und Alter. Doch dass zwischen jenen Buchen und deren Ururenkelkindern Welten liegen, sticht ins Auge. Geradezu – pardon! – mickrig schaut die jüngste Generation Wittringer Bäumchen aus, die auf den frei gewordenen und kahlen Flächen Wurzeln schlagen werden – so ist wenigstens der Plan. Etwa 1500 Eichen, Buchen, Spitzahorne und Kirschen im Mini-Format sollen sich hier in Wittringen breit machen. Ungefähr 1,50 Meter hoch sind die Pflanzen, die an der ZBG-Baumschule auf ihre Versetzung in den Wald warten.

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Nolte berichtet: „Ungefähr 500 sind schon im Boden.“ Und er zeigt auch die Stellen, an denen aus Bäumchen respektable Bäume werden sollen. Fast könnte der Laie die Neuzugänge übersehen, so unscheinbar – ja fast verloren – wirken sie inmitten der überlebenden Großen, Totholz und Gestrüpp: etwas stärkere Zweiglein, die ein wenig aus diesem Chaos der Natur spitzen.

Es ist ein Wettlauf mit den Brombeerranken

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Apropos Gestrüpp: Das treibt die Fachleute schon um. „Wir liefern uns einen Wettlauf mit den Brombeerranken“, erzählt Nolte, „sie überwuchern alles und sind nur mühsam zu entfernen.“ Immerhin können auch Brombeerbüsche bis zu einem Meter, wenn nicht sogar noch 50 Zentimeter drauf, emporwachsen. Und da ist das nächste Stichwort gefallen: „mühsam“. Die Anschaffung der Ersatzpflanzung schlägt mit einen Stückpreis von durchschnittlich einem Euro – „Wir bekommen Mengenrabatt“ – überschaubar zu Buche. Viel aufwendiger ist die Arbeit. ZBG und eine Fachfirma gehen gemeinsam zu Werke. Im Quartett mit Teilnehmern des freiwilligen ökologischen Jahres macht sich der städtische Betrieb daran. In den kommenden zwei, drei Wochen dürften alle neuen Pflanzen an ihrem Platz sein, schätzt Nolte.

Auswahlkriterien

Nadelgehölz könnte im Wittringer Wald zwar auch gedeihen, „aber es ist nicht standortheimisch“. Außerdem wollen die Gladbecker Baum-Kenner aus Naturschutzgründen bei angestammten Arten bleiben: „Wir erhalten hier den Insekten ihren Lebensraum.“

Von empfindlicheren Arten, wie dem Bergahorn, nehmen die Experten jedoch Abstand: „Er kommt schlecht mit dem Klimawandel zurecht, ist anfällig für die Rußrindenkrankheit.“

Dabei richtet sich der jeweilige Bestimmungsort nach den Lichtverhältnissen, erläutert der Experte. Er sagt: „Buchen vertragen Schatten. Wo richtig Licht hinkommt, setzen wir Ahorn und Kirsche.“ Aber wieso versuchen es die Baumkundigen denn wieder mit der Buche, ist sie doch ein Opfer heißer Sommer und Trockenheit geworden? Nolte: „Wir haben damit sicherlich ein Problem. Aber uns stehen nicht unendlich Arten als Ersatz zur Verfügung. Wir sind auf standortheimische Bäume angewiesen.“ Das schreibe das Forstsaatgutgesetz vor: „Hauptsächlich ausländische Arten sind im Wald verboten.“ Ganz anders stelle sich die Verfügbarkeit auf dem Gebiet der Straßenbäume dar. „Da haben wir deutlich mehr Auswahl“, sagt Nolte.

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Das trockene Laub an den klitzekleine Zweigen der Nachwuchs-Bäume knistert im Windhauch. Strubbelig wirken die zwei, drei Jahre jungen Buchen. Doch Argusaugen entdecken bereits Knöspchen. Nolte dämpft allerdings hochfliegende Erwartungen: Was einmal ein kapitaler, ausgewachsener Baum werden soll, verlangt seine Zeit – und davon viel.

Ahorn und Eiche brauchen Licht

„Ein Ahorn kann beispielsweise in zehn Jahren sieben bis acht Meter hoch werden“, sagt Nolte. Wie die Eiche brauche diese Art sofort Licht, „sonst wird das nichts“. Die Buche könne hingegen warten, bis sie Sonnenstrahlen erhascht.

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Wohl und wehe der Bäume hänge nicht nur von den Lichtverhältnissen ab. Nolte ist froh, „dass wir im Moment einen relativ kleinen Karnickelbestand haben“. Und auch Rehe lassen sich wegen der vielen Spaziergänger kaum blicken. Da dürften sich tierische Knabbereien an den zarten Pflänzchen in Grenzen halten. Ein ungleich größeres Problem: die Trockenheit. Nolte meint: „Wenn wir wieder so einen heißen Katastrophen-Sommer bekommen, vertrocknen uns die Bäumchen.“ Das müsse wieder neu gepflanzt werden.

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