Gladbeck. Für viele Gladbecker gehört der Blumenstand der Familie Hesselmans einfach zum Wochenmarkt dazu. Doch das ist bald vorbei. Das sind die Gründe.
Samstagmorgen – Markttag in der Innenstadt für viele Gladbeckerinnen und Gladbecker. Am blau-weiß gestreiften Blumenstand rückseitig zum Parkplatz steht Bernd Hesselmans an der Seite seiner drei Geschwister und seiner Eltern und bedient eine Kundin. Sie trennt eine Theke, zwölf Meter breit. Gesäumt ist die Theke von unzähligen Blumeneimern mit Blumen in allen Farben. „Und noch eine davon bitte“, sagt die Kundin und deutet auf einen Blumenkasten mit Schnittblumen.
Bernd Hesselmans bindet die gewünschten Exemplare zu einem Strauß zusammen. Britta Czechowski zahlt und verabschiedet sich: „Bis nächste Woche!“ Sie komme jeden Samstag, berichtet sie, „ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren irgendwo anders Blumen gekauft zu haben. Einzelne Zweige für die Vase zu Hause oder Sträuße für gute Freunde, ab und zu auch Topfpflanzen.“ Bald wird sie sich umstellen müssen. Denn die Hesselmans verabschieden sich mit ihrem Blumenstand vom Wochenmarkt.
Nach 70 Jahren geht die Ära des Familienbetriebs mit dem Ende dieses Jahres vorüber
Nach 70 Jahren geht die Ära des Familienbetriebs mit dem Ende dieses Jahres vorüber. Nadine Hesselmans ist die Enkelin von Gründer Hans Kraemer. „Mein Opa hatte hier seit 1951 seinen Stand, ganz am Anfang mit Obst und Gemüse, dann mit Blumen.“ Kraemer verkaufte Blumen zunächst in Bünden und brachte sich mit der Zeit das Binden von Sträußen bei. „Später hat dann meine Mutter, Ursula Hesselmans, den Stand übernommen.“ Seit ihrer Kindheit ist sie mit ihrem Vater mitgefahren, hat unter dem Stand gespielt und dann eine Ausbildung als Floristin abgeschlossen. Viele Jahrzehnte führte sie nach dem Tod des Vaters das Geschäft.
Die ganze Familie arbeitet mit, aber die treibende Kraft ist Ursula Hesselmans
Unterstützt wird sie dabei von ihrem Mann Jakob Hesselmans, den vier Kindern und deren Kindern, die neben ihrem jeweiligen Hauptjob die Blumen am Stand nach Wunsch binden und verkaufen. Doch Ursula Hesselmans ist die treibende Kraft hinter allem. Sie fährt drei Mal die Woche zur Blumenversteigerung nach Straelen-Herongen und drei Mal die Woche zum Wochenmarkt nach Gladbeck, so die Tochter Nadine, ebenfalls gelernte Floristin. „Das geht jetzt nicht mehr, wir haben uns alle als Familie an einen Tisch gesetzt und es ist leider der einzige Weg“, sagt sie. „Es ist für uns alle sehr schwer, weil wir hier groß geworden sind. Aber meine Mutter schafft es gesundheitlich nicht mehr.“
Die Stammkunden auf dem Wochenmarkt in Gladbeck können es kaum glauben
Ursula Hesselmans selbst fällt es sichtlich schwer, über diese Entscheidung zu sprechen. Zu viele Erinnerungen, zu viel Arbeit stecken in ihrem Geschäft. Als sie Stammkundin Regine Fischer über den Rückzug Ende Dezember informiert, stockt ihre Stimme. „Es muss sein, aus Gesundheitsgründen“, sagt sie. „Nein, das tut mir leid“, sagt Regine Fischer, „ich wünsche von Herzen alles Liebe und Gute!“ Fischer ist seit Jahren regelmäßig Kundin am Blumenstand: „Schon meine Eltern haben hier Blumen gekauft, ich hole hier Blumen für mich, für den Friedhof, für Advent oder Allerheiligen, eigentlich alles. Ich bin wirklich ganz, ganz traurig.“
Über die Jahre haben sich viele Verbindungen zu den Gladbecker Kundinnen und Kunden entwickelt. „Da ist zum Beispiel ein Mann, der jede Woche kommt und entweder zwanzig weiße Rosen oder fünf weiße Amaryllis für seine Frau kauft. Er lässt sich auch nur von meiner Mutter bedienen“, berichtet Nadine Hesselmans. Nicht nur mit der Kundschaft haben sich über die vielen Dekaden Beziehungen gebildet. Auch mit den anderen Markthändlerinnen und -händlern unterhält die Familie Freundschaften. „Die allermeisten Stände fahren viele Jahre lang zum selben Ort. Es ist wie eine große Familie, wir bekommen hier auch all unsere Lebensmittel und wir halten Sträuße für sie im Wasser bereit“, so Hesselmans.
Die Stammkundschaft soll über den baldigen Abschied informiert werden
Verbindung nach Gladbeck
Die Familie Hesselmans wird noch bis zum Ende des Jahres auf dem Wochenmarkt in Gladbeck vertreten sein.
Obwohl Herkunft und Wohnort der Familie im 70 Kilometer entfernten Straelen liegt, wurde der Stand immer nur in Gladbeck betrieben. Grund ist, dass damals ein Bruder vom Gründer Hans Kremer in Gladbeck gelebt hat
Noch acht Wochen lang wird die Familie an den Markttagen um 5 Uhr morgens in Straelen losfahren und um 6 Uhr den Wagen ausladen, Sträuße auf Samttücher drapieren und die Blumeneimer anordnen. Wie in jeder Woche zuvor, bei Wind und Wetter. Bis zum Abschied will die Familie die Stammkundschaft über den baldigen Abschied informieren: „Wir möchten den Kunden Zeit geben“, sagt Hesselmans, „einfach so vom einen auf den anderen Tag zu sagen ,So das war’s’ ist keine schöne Art. Wir möchten uns auch ganz herzlich bei den langjährigen Kunden bedanken.“ Zum Markt in Gladbeck will die Familie aber in jedem Fall noch mal kommen, um die anderen Händler zu unterstützen. „Es ist auf jeden Fall ein harter Job“, resümiert Nadine Hesselmans, „aber für meine Mutter war es auch ihr Leben.“
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