Gladbeck. Nicht nur auf dem freien Markt, auch bei Zwangsversteigerungen von Immobilien in Gladbeck steigen die Preise. Vor diesen Risiken warnen Experten.

Die Immobilienpreise steigen seit Jahren. Wegen der niedrigen Zinsen möchten sich immer mehr Menschen den Traum vom eigenen Haus oder der Eigentumswohnung erfüllen. Das spürt auch Melanie Schmitz. Die Rechtspflegerin am Amtsgericht Gladbeck ist zuständig für Zwangsversteigerungen.

In der Vergangenheit hatten Kaufinteressenten immer mal wieder das Glück, bei einem Versteigerungstermin eine Immobilie – manchmal sogar zu einem Schnäppchenpreis – zu ergattern. Die Zeiten sind vorbei. „Vor 20 Jahren wurden Immobilien manchmal für 60 Prozent des Verkehrswerts versteigert, heute liegt der Mindestpreis, den ich aufrufe, immer deutlich über dem Verkehrswert – bis zu 200 Prozent sogar“, sagt die Fachfrau.

Nicht jeder Noch-Eigentümer öffnet dem Gutachter die Tür

Den Verkehrswert einer Immobilie legt sie fest, basierend auf dem Gutachten eines von ihr beauftragten Sachverständigen. Die Gutachten füllen oft viele Seiten – vorausgesetzt, der Noch-Eigentümer öffnet dem Sachverständigen die Tür. Melanie Schmitz: „Das ist längst nicht immer der Fall. Wenn er nicht rein darf, kann der Gutachter die Immobilie nur nach dem äußeren Eindruck bewerten.“ In solchen Fällen gibt es zwar Risikoabschläge vom Verkehrswert, aber „der Bieter ersteigert quasi die sprichwörtliche Katze im Sack“.

Melanie Schmitz, Rechtspflegerin am Amtsgericht in Gladbeck, ist zuständig für Zwangsversteigerungen. Sie sagt: „Heute liegen die Immobilien häufig über dem Verkehrswert.
Melanie Schmitz, Rechtspflegerin am Amtsgericht in Gladbeck, ist zuständig für Zwangsversteigerungen. Sie sagt: „Heute liegen die Immobilien häufig über dem Verkehrswert. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Fabian Maraun ist Immobilienberater bei der Volksbank Immobilien GmbH. Auch er rät zur Vorsicht, wenn weder der Kaufinteressent noch der Sachverständige eine Immobilie von innen kennen: „Ein Einfamilienhaus aus dem Jahr 1990 zum Beispiel ist ja nicht alt, aber: Funktioniert die Heizung noch, sind die Fenster kaputt?“ Der Fachmann sieht noch ein anderes Risiko. Zwar habe der neue Immobilieneigentümer ein Sonderkündigungsrecht. „Was aber, wenn der Vorbesitzer nicht ausziehen will?“

Häufig stehen Zwangsversteigerungen an, weil die Kredite nicht mehr bedient werden können

Und selbst wenn der Gutachter Gelegenheit hatte, die Immobilie von innen in Augenschein zu nehmen, bleibe ein Restrisiko: „Wird ein Haus oder eine Wohnung zwangsversteigert, zerplatzen Lebensträume. Der Eigentümer will ja nicht verkaufen, er muss sich von seinem Haus, seiner Wohnung trennen. Er könnte theoretisch nach dem Besuch des Gutachters und vor dem Versteigerungstermin Schäden im Haus anrichten. Bekomme ich den Zuschlag beim Zwangsversteigerungstermin, habe ich auch in einem solchen Fall kein Rücktrittsrecht.“

Wer kann mitbieten?

Zu Versteigerungsterminen kann jeder kommen, coronabedingt derzeit allerdings nur mit Anmeldung. Bieten können Bürger, die mindestens 18 Jahre alt und nach dem Gesetz geschäftsfähig sind.

Vorzulegen ist ein amtliches Ausweisdokument. Außerdem, so Rechtspflegerin Melanie Schmitz, müssen die Kaufinteressenten beim Amtsgericht eine Bietsicherheit in Höhe von zehn Prozent des Verkehrswerts hinterlegen – per Überweisung vor dem Termin oder in Form eines speziellen Schecks der Hausbank.

Häufig sind es Banken und Sparkassen, die Zwangsversteigerungen von Immobilien beantragen, weil der Eigentümer die Kredite nicht mehr bedienen kann, zum Beispiel weil er arbeitslos geworden ist, oder weil ein Paar sich trennt und keiner den anderen auszahlen kann. Aber auch hier wirkt sich die Niedrigzinsphase aus. Fabian Maraun: „Die Zahlen sind deutlich zurückgegangen. Ob jemand 800 oder 1600 Euro im Monat abzahlen muss, ist ein gravierender Unterschied.“

In diesem Jahr stehen in Gladbeck bloß zwei Termine an

Das spürt auch Melanie Schmitz. In der Vergangenheit wurden am Amtsgericht etwa 30 Zwangsversteigerungstermine im Jahr anberaumt. Häuser, Wohnungen, Gewerbeimmobilien, Garagen – alles war dabei. Im laufenden Jahr sind es zwei Termine. „Von Banken und Sparkassen kommen derzeit fast keine Anträge. Zwangsversteigerungen werden aktuell anberaumt, weil es mehrere Eigentümer einer Immobilie gibt, eine Erbengemeinschaft zum Beispiel. Jeder von ihnen kann die Aufhebung der Gemeinschaft beantragen, und wenn es keine Einigung gibt, wird die Immobilie zwangsversteigert.“ Nicht immer. „Die Nachfrage ist so groß, dass manche Immobilien mittlerweile noch vor dem Termin auf Basis einer freien Kaufpreiseinigung veräußert werden“, weiß Melanie Schmitz.

Aktuell stehen auf der Internetseite des Amtsgerichts Gladbeck zwei Versteigerungen. Ende dieses Monats kommen eine Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus und eine in einem Achtfamilienhaus unter den Hammer.