Gladbeck. Nachts ist es laut, tagsüber gefährlich: Familien wünschen sich Tempo 30 für die Josefstraße in Gladbeck. Warum rasche Abhilfe wohl ausbleibt.
Wenn sich Nachbarn treffen, dreht sich das Gespräch an der Josefstraße in Alt-Rentfort seit geraumer Zeit fast immer um die Verkehrssituation. Früher galt dort die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Seit der Umgestaltung der einige hundert Meter langen Straße im Jahr 2003 darf bis zu 50 km/h gefahren werden. Darüber wundern sich die Anwohner schon lange, denn auf allen anderen Straßen in dem Gebiet – Kampstraße, Hegestraße, Berliner Straße – gilt Tempo 30, nur vor ihren Häusern nicht.
Anwohner der Josefstraße hat eine Mail an Gladbecks Bürgermeisterin geschrieben
Dieter Hanker hat eine Mail an Bürgermeisterin Bettina Weist geschrieben. Er fürchtet um die Sicherheit der vielen Kinder auf dem Weg zur Wilhelm- und Josefschule sowie zur Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule. Auch die Kleinsten, die, in Begleitung ihrer Eltern, gerade erste Versuche mit dem Rad zum Kindergarten machen, seien gefährdet.
Das sehen auch Hankers Nachbarn Annika und Marc Stratmann so. Ihre Töchter Ida (4) und Hedda (zweieinhalb) dürfen allein gar nicht zur Haustür hinaus. „Viel zu gefährlich“, findet die Mutter. Verschärft habe sich die Situation, seit die Autoposer- und Tuningszene die Josefstraße und Umgebung für sich entdeckt habe. „Die Lärmbelästigung vor allem abends und nachts ist unerträglich“, sagt Anika Stratmann. „Ich kann die Fenster im Zimmer der Kinder auch bei größter Hitze nachts nicht öffnen, sonst kommen sie nicht in den Schlaf oder werden dauern geweckt.“
Stadt Gladbeck sieht aktuell keine Handlungsmöglichkeit
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„Es wäre schön, wenn es zumindest nachts und zu Schulwegzeiten angepasste Geschwindigkeitsregelungen gäbe“, schreibt Dieter Hanker der Bürgermeisterin. „Noch besser 24 Stunden am Tag.“ Sein Wunsch: „Vielleicht gelingt es mit Ihrer Hilfe, ,Bad Rentfort’ noch ein wenig ,kurfreundlicher‘ zu machen.“ Danach allerdings sieht es – zumindest in absehbarer Zeit – nicht aus. Im Antwortschreiben an Dieter Hanker aus dem Büro der Bürgermeisterin ist zwar von großem Verständnis für seinen Unmut die Rede, aber auch davon, dass „aktuell keine Handlungsmöglichkeit besteht“.
Die Umgestaltung sei unter Tempo-50-Bedingungen vorgenommen worden, „um die Straße entsprechend leistungsfähig auszubauen“. Zudem sei diese Höchstgeschwindigkeit Voraussetzung für einen Landeszuschuss gewesen. Auf WAZ-Nachfrage erklärt die Verwaltung das detaillierter: Die Gesamtausgaben für den Umbau der Josefstraße betrugen rund 744.000 Euro. Das Land NRW bezahlte davon rund 453.500 Euro. „Landeszuschüsse für den Umbau von Straßen nach dem damals geltenden Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz wurden an Gemeinden nur für verkehrswichtige Straßen gewährt. Eine der daraus resultierenden Zuschussvoraussetzung war, dass für die Josefstraße die innerörtliche Regelgeschwindigkeit von 50 km/h vorgesehen werden musste.“
Die Zweckbindungsfrist für die Fördermittel zum Umbau der Josefstraße endet erst 2025
Die Fördermittel seien zweckgebunden. Und die Zweckbindungsfrist für diese Maßnahme ende erst im Mai 2025. Sollten früher Änderungen vorgenommen werden, wäre eine anteilige Landeszuwendung zurückzuzahlen.
Keine Hinweise auf Poserszene
Dieter Hankers Hinweis auf die Gefährdung der Kinder auf dem Weg zur Schule ist aus Sicht der Stadtverwaltung auch kein ausreichender Grund für die geforderte Temporeduzierung. „Sowohl die Zugänge zur Kita als auch zur Schule liegen nicht unmittelbar an der Josefstraße, so dass dies nicht als Rechtsgrundlage für die Anordnung von Tempo 30 dienen kann“, heißt es aus dem Rathaus.
Über Autoposer lägen der Stadt keine weiteren Beschwerden vor. Auch von Seiten der Polizei gebe es keine Hinweise auf eine regelmäßig dort verkehrende „Poserszene“.
Das Thema „zulässige Höchstgeschwindigkeit auf innerstädtischen Straßen“ beschäftigt die Stadtverwaltung gerade über die aktuellen Beschwerden von Anwohnern der Josefstraße hinaus. Gladbeck will sich der „Städteinitiative Tempo 30“ vom deutschen Städtetag anschließen. „Noch regelt die Straßenverkehrsordnung, dass die Regelgeschwindigkeit auf allen Straßen bei Tempo 50 liegt. Abweichungen davon können nach der geltenden Rechtslage nur aufwendig begründet oder gar nicht angeordnet werden. Die Städteinitiative fordert daher eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, um den Städten selbst die Möglichkeit zu geben, Tempo 30 anzuordnen, wo sie es für nötig halten“, heißt es aus dem Rathaus.
Auf Vorschlag von Bürgermeisterin Bettina Weist soll in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Umwelt, Klimaschutz und Mobilität am 18. November über den Beitritt Gladbeck zur „Städteinitiative Tempo 30“ beraten. Kurzfristig also ist für die Anwohner der Josefstraße keine Lösung in Sicht – allenfalls perspektivisch.
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