Gladbeck. An einer Grundschule in Gladbeck startet 2022 ein Modellprojekt. Es soll Elterntaxis überflüssig machen. Warum der Schulweg zu Fuß sicherer ist.
Gemeinsam sicher zu Fuß zur Schule gehen Wittringer Schule und rebeq haben ein Modellprojekt erarbeitet: Fachleute machen sich schon vor dem Schulstart mit Eltern und Kindern auf den Weg. Vor dem Schulstart mit den Kindern den Schulweg üben – früher war das für die meisten Eltern eine Selbstverständlichkeit. Das ist schon lange nicht mehr so. Vater und Mutter arbeiten, morgens geht es hektisch zu. Da packt man das Kind lieber ins Auto und setzt es auf dem Weg zur Arbeit schnell vor der Schule ab.
Elterntaxis sind gefährlich für alle Kinder, die zu Fuß zur Schule kommen
Ist ja ohnehin sicherer. Wer weiß, was auf dem Schulweg alles passieren kann, wenn das Kind allein unterwegs ist, denken sich viele Eltern. Unsicher, gar gefährlich, wird es allerdings für alle anderen Kinder, die zu Fuß zur Schule kommen. Elterntaxis beschäftigen seit Jahren Polizei, Verkehrswacht, Fachämter der Stadtverwaltung und Vertreter verschiedener Schulen am von der Stadt initiierten „Runden Tisch Verkehrssicherheit“.
Bauliche Veränderungen sind teuer, Kontrollen von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst (KOD) nur schwerpunktartig möglich, eine Sperrung der besonders sensiblen Bereiche direkt vor den Schulgebäuden würde das Problem in Nebenstraßen verlagern, Appelle an die Eltern fallen längst nicht überall auf fruchtbaren Boden. Die Wittringer Schule und die Arbeitsförderungsgesellschaft rebeq haben sich deshalb zusammengetan, um ein Modellprojekt zu erarbeiten. Mona Wald, sozialpädagogische Fachkraft an der Grundschule, Marcel Fersen, Sozialarbeiter im städtischen Amt für Schule und Erziehung, und Saskia Schimpe, Mitarbeiterin der rebeq, haben es ausgetüftelt – und dann kam Corona mit den Kontaktbeschränkungen. In der Praxis ausprobieren können sie es erst zum Schulstart 2022.
Eltern aus der Nachbarschaft sollen sich vernetzen
Die Fachleute haben festgestellt, dass sich Eltern und auch Kinder kaum noch kennen, selbst wenn die Familien nah beieinander wohnen. Das wollen sie ändern, und zwar schon vor dem ersten Schultag in der Grundschule. Eltern aus demselben Einzugsbereich werden angeschrieben und mit ihren Kindern zu einem Treffpunkt im Wohnviertel eingeladen, um in Begleitung von Mona Wald und Marcel Fersen den Weg zur Wittringer Schule zu gehen. „Wir zeigen ihnen den sichersten Weg, machen auf Gefahrenpunkte aufmerksam. Und auf diese Weise lernen sich die Kinder schon vor dem Schulstart kennen, die Eltern können sich vernetzten, Telefonnummern austauschen, in den Sommerferien in Gruppen weiter üben und sich zum Schulstart absprechen, wer die Kinder aus dem Viertel wann zur Schule und nach Hause begleiten kann“, erklärt Mona Wald.
Und nach einiger Zeit könnten die Mädchen und Jungen auch ohne Begleitung Erwachsener gemeinsam zur Schule und nach Hause gehen. Der Fußweg zur Schule habe jede Menge Vorteile, sagt Marcel Fersen. Darauf werden die Eltern auch in einem von der Stadt finanzierten Flyer aufmerksam gemacht, der am „Runden Tisch“ konzipiert wurde und in allen Klassen verteilt wird: Die Kinder werden sicher im Straßenverkehr, mutiger und selbstständiger, lernen ihre Umgebung kennen, kommen wacher zum Unterricht, knüpfen soziale Kontakte…
Start auf den Sommer 2022 verschoben
Wegen der coronabedingten Kontaktbeschränkungen konnte das Modellprojekt in diesem Sommer nicht starten. Erst nach den Sommerferien 2022 können erneute Verkehrszählungen und Abfragen in den Klassen zeigen, ob das Projekt ein Erfolg war und auch an anderen Grundschulen praktiziert werden könnte.
Das leidige Thema „Elterntaxis“ bleibt an der Wittringer Schule aber auf der Tagesordnung: bei Elternabenden, im Elterncafé, das auch bald wieder geöffnet werden soll, und bei den Willkommensbesuchen, die Marcel Fersen im Auftrag der Stadt den Eltern von Erstklässlern abstattet.
Und sicherer wird es auch für alle aktuell 334 Mädchen und Jungen der Wittringer Schule, wenn weniger Elterntaxis vorfahren. Eine Abfrage in den Klassen im vergangenen Jahr hat ergeben, dass 26 Prozent der Kinder mit dem Auto gebracht werden. Polizei und KOD haben an einem Morgen vor Schulbeginn 52 Autos auf der schmalen Straße Im Allhagen gezählt, aus denen 59 Mädchen und Jungen stiegen. Da wird in zweiter Reihe angehalten, werden die zwei Taxiparkplätze blockiert, die wegen der Inklusionskinder ausgewiesen sind, und – fast die gefährlichste Situation: Eltern fahren über den Bürgersteig auf die schuleigenen Stellplätze und rückwärts wieder raus. „Im Rückspiegel sieht man aus hohen Autos kleine Kinder nicht, die auf dem Bürgersteig gehen“, sagt Mona Wald. Eine gerade wieder von einem Auto verbeulte Laterne auf dem Gehweg unterstreicht das eindrücklich.
Den Entwicklern des Modellprojekts ist bewusst, dass die Aktion „Gemeinsamer Schulweg“ allein nicht ausreicht, um das Problem dauerhaft in den Griff zu bekommen. Deshalb planen sie zum Beispiel zusätzlich Laufwochen: Wer zu Fuß zur Schule gekommen ist, bekommt einen Stempel, und wer die ganze Woche „durchhält“, wird mit einer Urkunde belohnt.
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