Gladbeck. Das Festival Ruhrtriennale ist eröffnet. Es startete mit einem beeindruckenden Konzert am frühen Samstagmorgen in der Maschinenhalle in Gladbeck.
Die diesjährige Ruhrtriennale hat begonnen, 43 Tage Schauspiel, Musik, Tanz, Literatur und Bildende Kunst, das erste Jahr unter der Intendanz der schweizerischen Regisseurin Barbara Frey. Und der Auftakt dieses einzigartigen Festivals an Spielorten der Industriekultur im Ruhrgebiet war am Samstag in Gladbeck, in der Maschinenhalle Zweckel.
Frey und ihr Team hatten für den Neustart nach der im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie vollständig abgesagten Ausgabe eine höchst aussagekräftige Veranstaltung inszeniert. Zum „Konzert im Morgengrauen“ öffneten sich Punkt fünf Uhr früh die Tore der Halle für die 230 Zuhörer und Zuhörerinnen von nah und fern, wie die Autokennzeichen auf dem Parkplatz belegten. Es war die zugelassene Maximalzahl für die aktuell herrschenden Hygienevorschriften.
Aufnahmen hatte der Brite Chris Watson unter anderem im Bochumer Bergbaumuseum gemacht
Begrüßungsreden gab es keine, das war passend. Dunkelheit umfing das Publikum nach Einlass, erstaunlich schnell stellte sich absolute Stille ein, die Uraufführung von „Morgenchor“ des Briten Chris Watson begann. Dröhnende Tonaufnahmen ließen die Sitze vibrieren, füllten den Raum mit metallenen Klängen, die von den eisernen Fensterkreuzen und schemenhaften Dampfmaschinen der Bühne wie reflektiert und vervielfacht schienen. Dann und wann ein Zischen wie stählerne Glut. „Meine Klangstücke komponiere ich immer so ortsspezifisch wie möglich“, sollte Watson später sagen. Einige Aufnahmen hatte er im Bochumer Bergbaumuseum und im Trainingsbergwerk in Recklinghausen gemacht, viele in seiner Heimat Sheffield.
Ein Audiosystem von 32 Kanälen erzeugte eine fantastische Plastizität der Klänge. Eine Sirene heulte, eine tiefe Stimme sprach undeutliche Worte, die Glocke der Seilfahrt läutete zum Aufstieg in die Oberwelt. Die Natur übernahm das Regime, ein Hirsch röhrte von Weitem, das Käuzchen rief, zaghaftes Vogelgezwitscher wurde von Minute zu Minute lauter und vielfältiger. Und natürlich dämmerte es draußen entsprechend, mehr und mehr Licht nahm von Maschinenhalle und Menschen Besitz. Perfekt eingebettet das dreiteilige Klavierwerk „Gaspard de la nuit“ von Maurice Ravel. Sanft, aber intensiv brillierte die Pianistin Virginie Déjos in diesem Nachtszenario eines anderen Jahrhunderts.
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Es gab viel Applaus für ein beeindruckendes Konzert
Sie verlieh den flirrenden Träumen mitreißenden Ausdruck, den pulsierenden Tremolos angsterfüllter Spiegelbilder des Tages, den Tastenläufen der fliehenden Gedanken. Ein Thema, das der zeitgenössische italienische Komponist Salvatore Sciarrino mit „De la nuit“ mit hohen technischen Anforderungen weitergesponnen hat und somit Déjos unaufdringliche Virtuosität einmal mehr in Szene setzte. Viel Applaus für ein beeindruckendes Konzert der symbiotischen Schönheit von menschengemachten und natürlichen Klängen.
Aber, das positive „Grauen“ der Dämmerung wandelte sich wechselseitig auch in das Grauen der unbestimmten Furcht, dem verstörende Gedanken einer düsteren Zukunft, in der wir vielleicht den Gesang der Nachtigallen und Lerchen nur noch vom Tonband hören können. „Es ist Zeit für Zusammenkünfte. Für Kunst. Für Dialog“ ist Freys Aussage in der Reflexion auf die Corona-Pandemie und die menschliche Perspektive.
Die Gäste des Auftaktkonzerts tauschten nach der Aufführung bei Kaffee, Croissant und Laugengebäck ihre ersten Eindrücke aus. Die Maschinenhalle Zweckel ist sieben Mal Bühne für das Schauspiel „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe. Die Folgetermine nach der Premiere am Samstagabend und der Aufführung am Sonntag sind: 17., 19., 20., 21. und 22. August. Informationen zu Tickets unter www.ruhrtriennale.de