Gladbeck. Ein 17-Jähriger sticht auf einen Bekannten ein. Im Prozess spricht er von Notwehr. Das sehen die Richter aber anders. Sie nennen es Selbstjustiz.
Tagelang drehten sich die Gedanken eines 17-jährigen Gladbeckers nur noch um Rache. Dann kam der 18. Oktober 2020. An diesem Tag stach er mit einem Messer auf einen Bekannten ein. Am Freitag ist er am Essener Landgericht verurteilt worden. Die Strafe: vier Jahre Jugendhaft.
Richter: Er hatte tagelang nichts anderes im Kopf, als seinen Bekannten abzustechen
Der Angeklagte hatte bis zuletzt von Notwehr gesprochen. Das sahen die Richter jedoch anders. „Er hatte tagelang nichts anderes im Kopf, als seinen Bekannten abzustechen“, so Richter Volker Uhlenbrock bei der Urteilsbegründung. „Das war Selbstjustiz.“
Der Auslöser der Bluttat war fast kindisch. Es hatte Streit gegeben – und Gerede. Es ging um eine 13-Jährige, die sowohl der Angeklagte als auch das spätere Opfer gut kannten. Auch sie selbst waren einst gute Freunde, doch damit war es schon seit Wochen vorbei. Reifen wurden zerstochen, Klingelmännchen gespielt, Drohungen ausgesprochen. Am Tatabend soll das spätere Opfer schließlich mit einer Taschenlampe in die Wohnung des Vaters des 17-Jährigen geleuchtet haben. Danach eskalierte die Situation.
Der Stich ging in den Bauch, das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt
Laut Urteil kam es zu einer Schlägerei, dann floss Blut. „Sie waren außer Rand und Band“, so Uhlenbrock in Richtung des Angeklagten. Der Stich ging in den Bauch, das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt. Der 30-Jährige hatte die Verletzung allerdings zunächst gar nicht so ernst genommen. Die ganze Nacht irrte er durch Gärten und Hinterhöfe, schleppte sich erst morgens mit letzter Kraft zum Krankenhaus. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits schwere innere Blutungen, musste sofort notoperiert werden.
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Das Messer hatte sich der Angeklagte ein paar Tage zuvor von einem Freund geliehen. Warum er so ausgerastet ist, sei eine Charakterfrage, so die Richter. „Er hat zwei Gesichter“, hieß es in der Urteilsbegründung. „Er kann sehr freundlich und lustig sein“, so Uhlenbrock. „Aber wenn ihm etwas nicht passt, neigt er zu aggressivem Verhalten.“ Das habe sich auch in der Untersuchungshaft fortgesetzt. Der Bericht, den die Richter vor Prozessbeginn aus dem Gefängnis angefordert haben, sei erschreckend.
Zwei Freunde des 17-Jährigen, die ebenfalls angeklagt waren, konnten mit dem Messerangriff nicht in Verbindung gebracht werden. Gegen sie wurden wegen anderer Taten zweiwöchige Dauerarreste verhängt, die sie aber nicht mehr verbüßen müssen, weil beide nach der Bluttat bereits in Untersuchungshaft saßen. Das Urteil gegen den 17-Jährigen lautet auf gefährliche Körperverletzung.
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