Gladbeck. Der 60 Jahre alte Sprungturm im Gladbecker Freibad erfüllt die Sicherheitsnorm nicht. Noch besteht Hoffnung, dass ein Teilbetrieb möglich wird.

Diese Nachricht dürfte nicht nur Sprungturm-Fans schocken, sie sorgt auch für Betroffenheit beim Betreiber des Gladbecker Freibades, dem Schwimmverein 13. Wie die WAZ erfuhr, soll es künftig nicht mehr möglich sein, die hohen Plattformen des Sprungturms auf 7,50 und 10 Metern nutzen zu können. Für die weiteren Höhen besteht Hoffnung, dass ein Weiterbetrieb möglich wird. Das sind die konkreten Hintergründe.

Klar ist, dass der Sprungturm, als rund elf Meter in die Höhe ragendes Wahrzeichen des Gladbecker Freibades (abgesehen vom markanten Gebäude), moderne Architektur aus dem vorigen Jahrhundert ist. Die mächtige Beton-Stele mit ihren Sprungplattformen ist vor bald 60 Jahren errichtet worden, bei den Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen vom Frühjahr 1962 bis zum Frühsommer 1963 des ursprünglich im Mai 1928 in Betrieb genommenen Freibades. Der Sprungturm wurde nach den damals gültigen Normen und Sicherheitsbestimmungen erstellt, „die sich im Laufe der Jahre verändert haben“, so David Hennig von der Pressestelle der Stadt. „Und einen Bestandsschutz für diese Altanlage gibt es nicht.“

Der Betreiberverein SV13 hat die Stadt um Überprüfung gebeten

Der Sprungturm im Freibad ist ein Besuchsmagnet, für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Gladbeck und Umgebung.
Der Sprungturm im Freibad ist ein Besuchsmagnet, für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Gladbeck und Umgebung. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dies sei auch Grund dafür gewesen, dass sich der SV 13 an die Stadt gewandt habe, nachdem 2019 eine europäische Norm im Sinne der Sicherheit des Badebetriebs aktualisiert worden sei. Mit der Bitte um Auskunft, ob bereits getroffene Maßnahmen ausreichen, um den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu genügen. So hatte der Verein zum Beispiel Netze an den Seitenbrüstungen der Sprungturmplattform angebracht, um deren Querstreben abzudecken, die unzulässigerweise als Steighilfe genutzt werden könnten und eine Unfallgefahr darstellen.

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„Um dem Wunsch des Vereins zu entsprechen und grundsätzlich zu überprüfen, ob die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden, haben wir dann einen externen Gutachter für kommunale Bäder beauftragt, den Sprungturm in den Fokus zu nehmen“, informiert Julia Schmidt, Leiterin der Sportabteilung im Gladbecker Rathaus. Mit Auswirkungen, die wohl weder Stadt noch Schwimmverein geahnt oder beabsichtigt hatten. „Denn der Gutachter hat einige Aspekte aufgelistet, die nicht den sicherheitsrelevanten Vorschriften entsprechen und den Fortbetrieb des gesamten Sprungturms in Frage gestellt haben.“ Denn die Stadt sei verpflichtet, nach Bekanntwerden durch das Gutachten alle Gefahren auszuschließen, die auch zu einer Haftung im Schadensfall führen könnten“, so die Abteilungsleiterin.

Die Beton-Plattformen des Sprungturms sind nicht dick genug

Das Springerbecken entspricht auch nicht der aktuellen Sicherheitsnorm. In der Breite fehlen zwei Meter für den zulässigen Betrieb von 7,5er und Zehner-Plattform.
Das Springerbecken entspricht auch nicht der aktuellen Sicherheitsnorm. In der Breite fehlen zwei Meter für den zulässigen Betrieb von 7,5er und Zehner-Plattform. © Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Generell ist zum Beispiel die Stärke der Plattformen zu dünn, die an den Absprungkante mindestens 20 Zentimeter dick sein müssten, tatsächlich aber nur zehn Zentimeter messen. Ein Statiker der Stadt sei nun beauftragt, zu ermitteln, ob die Zugfestigkeit des Anfang der 1960er Jahre verwendeten Betons und die Konstruktion vielleicht doch ausreichen, um dem Sicherheitsstandard zu genügen „und eine Teilöffnung des Sprungturms zu ermöglichen“. Ziel der Stadt sei es, „zumindest den Betrieb von Fünf-, Drei- und Ein-Meter-Plattform hinzubekommen“.

Sicherheitshandbuch für Badbetreiber

Die beiden Teile der europäischen Norm „Schwimmbäder für öffentliche Nutzung“ (DIN EN 15288) ist umfangreich überarbeitet und im Mai 2019 in zwei Neufassungen erschienen. Im ersten Teil geht es um Aktualisierungen für „Sicherheitstechnische Anforderungen an Planung und Bau“ von Schwimmbädern.

Umfangreicher sind die Veränderungen im zweiten Teil der Norm „Sicherheitstechnische Anforderungen an den Betrieb“ ausgefallen. Sie soll als Werkzeug dienen, um unklare Situationen zu bereinigen, damit Badbetreiber eine Risikobeurteilung und Risikominderung durchführen können.

Teil Zwei enthält Listen mit Gefährdungen, Hinweise zu risikosteigernden und risikomindernden Faktoren sowie Ansätze zur praxisorientierten Lösung. Das Norm-Kompendium ist somit fast ein kleines Sicherheitshandbuch für öffentliche Bäder geworden.

Denn die Hürden für den Sprung aus 7,50 oder zehn Metern Höhe sind nicht ohne unverhältnismäßigen großen Aufwand umsetzbar. Denn dafür müsste das Sprungbecken vergrößert werden, das für den zulässigen Betrieb über fünf Metern Absprunghöhe mindestens 19,65 Meter breit und 15 Meter lang (in Sprungrichtung) sein müsste. Das Gladbecker Eintauchbecken ist in der Länge mit 18,7 Metern unproblematisch, erfüllt die Norm in der Breite mit lediglich 17,6 Metern aber nicht. Beim Zehner kommt hinzu, dass die Plattform drei Meter breit sein müsste, sie misst aber nur 2,5 Meter. „Aus diesem Grund ist ein Betrieb dieser und der 7,50-Meter-Plattform leider nicht länger verantwortbar“, so Julia Schmidt.

Das Ergebnis des Gutachtens ist ein „harter Schlag“

Ein Ergebnis, das man so nicht erwartet habe „und das ein harter Schlag für uns ist“, sagt Thomas Spickenbaum vom SV13. Denn der hohe Sprungturm sei gerade für junges Publikum ein Besuchermagnet. „Es gibt viele, die extra anrufen, ob der Sprungturm geöffnet wird. Die, wenn wir verneinen, dann sagen: Dann komme ich nicht“, so der Sprecher des Betreibervereins. Dies bedeute dann Einnahmeverluste. Der Verein habe jetzt zumindest noch die Hoffnung, dass ein Teilbetrieb des Sprungturms möglich wird.

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„Wir sind optimistisch gestimmt, dass bis zum Fünfer eine Freigabe erfolgen kann“, sagt Julia Schmidt. Ausschlaggebend sei letztlich die Prüfung der Bauakten und die Expertise des Statikers, der den Auftrag „so schnell wie möglich“ erledigen solle, um bei grünem Licht „den Sprungturm-Teilbetrieb für die weitere Saison zügig frei geben zu können“.