Gladbeck. Auch Kinder und Jugendliche dürfen ab Juni gegen das Coronavirus geimpft werden. Mediziner in Gladbeck sehen das kritisch. Das ist der Grund.
Kinder ab zwölf Jahren nun als zusätzliche berechtigte Gruppe ab dem 7. Juni für die Corona-Impfung zuzulassen, sehen Mediziner in Gladbeck kritisch. „So lange es nicht ausreichend Impfstoff gibt, hätte ich die zusätzliche Gruppe nicht freigegeben“, sagt Kinderarzt Dr. Stefan Kusserow.
Denn die Nachfrage in den Praxen ist ohnehin riesig: „Wir werden von Anfragen erschlagen, die Telefone stehen nicht still“, sagt auch Hausarzt Dr. Gregor Nagel, Sprecher des Ärztenetzes GLA-Net. Darunter seien jetzt auch viele Eltern, die einen Termin für ihr Kind vereinbaren wollten. Ab Montag befürchtet Nagel einen weiteren Andrang, nachdem am Freitag der Impfstoff von Biontech auch für Kinder ab zwölf freigegeben wurde. „Wenn nun eine weitere berechtigte Gruppe hinzukommt, verknappt es den Impfstoff noch mehr“, bringt es der Mediziner auf den Punkt. Nachfrage und Angebot stünden derzeit in einem krassen Missverhältnis. „Das wird die Freude der Menschen nicht erhöhen.“ Auch für diese Woche sei nur eine knappe Lieferung der Impfstoffe vorgesehen. Die verstärkt nun anstehenden Zweitimpfungen verknappten das Angebot an Erstimpfungen zusätzlich. „Wir hoffen auf schnelle Besserung“, so Nagel.
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Kinderarzt: „Wir müssen priorisieren, es geht nicht anders“
Kinderarzt Dr. Stefan Kusserow hatte zuletzt oft bis zum späten Abend gut damit zu tun, seine Risikopatienten, etwa mit einer Behinderung oder einem Herzfehler, aus seiner Kartei herauszufiltern und zu impfen, beziehungsweise deren Eltern, wenn die Patienten noch unter 16 sind. „Es ist nicht leicht, darüber zu richten, wer jetzt schon geimpft werden darf, und wer erst später. Aber wir müssen priorisieren, es geht nicht anders.“ Jetzt kommen viele weitere Anrufe von Eltern in seiner Praxis an, die auch ihre gesunden Kinder impfen lassen möchten. Auch viele E-Mails laufen ein, unter anderem mit Aussagen wie: „Wir möchten auf Ihre Warteliste, egal wie lange es dauert.“ Mit der Immunisierung der Risikopatienten über 16 Jahren ist der Kinderarzt inzwischen durch, nun stehen noch einige Impfungen derer Kontaktpersonen an, in der Regel die Eltern.
Große Sorgen machen dem Kinderarzt die wenigen Impfstoffmengen. „Ich habe für diese Woche 28 Patienten angerufen, Termine ausgemacht. Jetzt habe ich die Nachricht bekommen, dass ich nur 14 Dosen bekomme, nun muss ich einige Termine wieder verschieben. Es ist furchtbar, Menschen Hoffnung zu machen, und sie dann enttäuschen zu müssen.“ Kritisch sieht er angesichts der nicht ausreichenden Impfungen eine ganz andere Entwicklung. „Wenn ab einer Inzidenz unter 35 auch wieder Clubs öffnen dürfen, passt das nicht zusammen. Da denkt man sich, was das soll.“
Bei einigen Eltern gibt es auch Unsicherheiten
Bei einigen Eltern erlebe er auch eine Verunsicherung bezüglich der Vakzine. Mit dem Satz „Ich vertraue Ihnen“ fühle er sich zum ersten Mal in seinem Berufsleben unwohl. „Ich weiß selbst nicht zu 100 Prozent, welche Nebenwirkungen der Impfstoff hat. Ich verlasse mich aber darauf, wenn die Ständige Impfkommission und die EU-Arzneimittelbehörde EMA die Vakzine freigeben.“ Von Astrazeneca habe er zuletzt nicht viele überzeugen können. „Da sind die Eltern sehr kritisch“, so der Mediziner.
Mit anderen Ärzten habe Kusserow im Vorfeld überlegt, wie sie damit umgehen wollen, wenn nun der Druck hinzukommt, auch die Patienten ab zwölf Jahren zu impfen. „Von der Idee einer Großaktion in Schulen haben wir abgesehen. Wir bleiben dabei, dass jeder für sich in seiner Praxis impft.“