Gladbeck. Zuletzt fielen 545 von insgesamt 29.500 Buchungen im Impfzentrum Recklinghausen aus. Warum platzen Termine? Was geschieht mit den Impfstoffen?

Impfstoffe zum Schutz gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus sind in diesen Zeiten immer noch ein kostbares, weil rares Gut. Umso unverständlicher, dass immer häufiger Menschen ihre vereinbarten Termine in Impfzentren sausen lassen. Bleiben etwa in Recklinghausen Spritzen ungenutzt liegen?

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In Gelsenkirchen sind zum Beispiel zu Wochenbeginn 150 von 1000 Terminen geplatzt – also 15 Prozent. „Solche Probleme haben wir nicht“, sagt Lena Heimers, Sprecherin in der Kreisverwaltung Recklinghausen. Das Zentrum, das auch Impfwillige aus Gladbeck aufsuchen können und in dem täglich mehr als 2000 Menschen immunisiert werden, zieht eine Bilanz der vergangenen zwei Wochen. Heimers: „In diesem Zeitraum sind 1,85 Prozent der Menschen, die bei uns einen Termin gebucht hatten, nicht weggeblieben, ohne den Termin vorher zu stornieren.“ 545 von insgesamt 29.500 geplanten Buchungen fielen deshalb aus.

Impfwillige versuchen ihr Glück parallel über Hausarzt und Impfzentrum

Aber was verleitet Menschen zu solch’ einem Verhalten? Vor allem dann, wenn sich das Vakzin von Biontech in der Spritze befindet und nicht das in Verruf geratene Astrazeneca? Ein Erklärungsansatz aus Gladbecks Nachbarstadt Gelsenkirchen: Viele Impfwillige versuchen ihr Glück offenbar über Impfzentrum und Hausarzt parallel. Frei nach dem Motto: Doppelt gemoppelt hält besser. Die Betreffenden nehmen dann den Termin wahr, der früher klappt – und stornieren den anderen nicht.

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Täglich bekommen im Zentrum Recklinghausen gut 2000 Menschen eine Impfung.
Täglich bekommen im Zentrum Recklinghausen gut 2000 Menschen eine Impfung. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Es gibt kein zentrales System zur Erfassung, nirgendwo wird abgeglichen, wer sich wo angemeldet hat. Laut Erlass des Landes ist das Wohnortprinzip aufgehoben, sodass Impftermine nicht mehr nur dort vereinbart werden können, wo man gemeldet ist. Das gibt Interessenten die Möglichkeit, ihr Glück bei mehreren Impfzentren gleichzeitig zu versuchen. „Viele Bürger im Kreis Recklinghausen verhalten sich in dieser Hinsicht aber auch jetzt schon vorbildlich“, betont Heimers. Es gebe zwar mittlerweile mehr Stornos, „aber unsere Bürger rufen selbst an, um Termine abzusagen“. Diese würden dann sofort als buchbar im Portal freigegeben. „Die Termine sind innerhalb kürzester Zeit vergeben“, konstatiert Patrick Hundt, Leiter des Impfzentrums in Recklinghausen.

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Hundt: „Wir verimpfen jede Woche allen Impfstoff, der uns vom Land zugeteilt wird.“ Ungenutzt bleibe kein Vakzin, betont Heimers: „Solange der Impfstoff noch nicht in Spritzen aufgezogen ist, kann er gekühlt auch noch am nächsten Tag verwendet werden.“ Bereits am Empfang des Zentrums werde passgenau die erforderliche Menge kalkuliert. Sie ergänzt: „Biontech ist einige Wochen haltbar, Astrazeneca sogar sechs Monate.“ Ansonsten gebe es Reservelisten mit Menschen, die impfpriorisiert seien und kurzfristig zum Impfzentrum kommen könnten: „Es wird nicht ein Tropfen Impfstoff weggeschüttet.“ Das Land NRW lässt Überbuchungen von zehn Prozent zu. Heimers sagt jedoch: „Wir sehen keinen Anlass, davon Gebrauch zu machen.“

Impfstoffe und Priorisierung

Im Impfzentrum Recklinghausen wird überwiegend das Vakzin von Biontech verimpft. Drei Viertel der Impfberechtigten haben in den vergangenen zwei Wochen diesen Impfstoff erhalten. Ein Viertel entfiel auf Astrazeneca.

Wer aktuell impfberechtigt ist und über welchen Weg Termine vereinbart werden können, veröffentlicht der Kreis Recklinghausen auf seiner Internetseite (https://www.kreis-re.de/). Derzeit sind dies Menschen, die der Prioritätsgruppe zwei angehören. Also unter anderem Über-70-Jährige, chronisch Vorerkrankte oder Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen mit anerkannter Pflegestufe. Die Kreisverwaltung Recklinghausen teilt mit, sobald Personen aus Prioritätsgruppe drei für eine Impfung zugelassen sind.

Mit Vordränglern haben wir es beinahe täglich zu tun“, so Kreissprecherin Lena Heimers, „auch wenn es Einzelfälle sind.“ Aber wer nicht impfberechtigt sei, werde trotz Termins wieder nach Hause geschickt.

Anderenorts können sich nach Abschluss der Prioritätsgruppen eins und zwei bereits weitere Impfwillige melden. „Wir erhalten im Moment täglich Schreiben und Anrufe von Bürgern, die uns fragen, warum sie noch nicht geimpft werden können, obwohl es in anderen Kommunen schon ginge“, berichtet Hundt. Die Antwort: Im Kreis sind die Impfungen der zweiten Prioritätsgruppe noch nicht abgeschlossen. Erst wenn absehbar ist, dass möglichst alle diese Berechtigten ein Impfangebot erhalten haben, können Menschen aus der Gruppe drei berücksichtigt werden.

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„Wir haben uns gefragt, wie es sein kann, dass andere Städte und Kreise die Gruppe zwei bereits abgeschlossen haben – obwohl sie vergleichbare Impfquoten haben“, so Hundt, „eine Erklärung ist die große Impfbereitschaft im Kreis Recklinghausen.“ Nach aktuellem Stand sind mehr als 27 Prozent der Einwohnerschaft im Kreis Recklinghausen immunisiert.

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