Gladbeck. Bürgermeisterin Weist sieht im kommenden Jahr viele Herausforderungen auf Gladbeck zukommen. Im Interview spricht sie über ihre Pläne.

2020 – das war ein besonderes Jahr. Es stand ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Es gab aber auch weitere bedeutende Ereignisse. Nach 16 Jahren endete die Ära Ulrich Roland. Mit Bettina Weist (SPD) sitzt nun erstmals eine Frau im Chefsessel des Gladbecker Rathauses. Die WAZ traf die Bürgermeisterin zum Interview – und sprach mit ihr über ihre ersten Monate im Amt, das neue Jahr und über ihre Pläne zu Silvester.

Wie blicken Sie auf Ihre bisherige Amtszeit zurück? Haben Sie sich in Ihrer neuen Funktion eingefunden?

Ich bin seit 27 Jahren im Dienst der Stadt Gladbeck. Abstimmungsrunden, Abläufe, das kannte ich alles. Es gibt viele Kollegen, die mir seit Jahren vertraut sind. Ich konnte auf Erfahrungen zurückgreifen, das hat mir viel Sicherheit gegeben. Es dauerte einige Tage, bis es im Kopf angekommen ist, dass ich jetzt Bürgermeisterin von Gladbeck bin. Aber es fühlte sich schnell stimmig an. Der Vorsitz des Rates war für mich die größte Unbekannte. Es ist eine sehr spannende und aufregende Aufgabe. Es war mir wichtig, bei jeder konstituierenden Sitzung eines Ausschusses zu Beginn dabei zu sein und den Mitgliedern gutes Gelingen zu wünschen. Ich ziehe den Hut vor jedem, der sich in dieser Zeit kommunalpolitisch engagiert.

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In Ihrer bisher kurzen Amtszeit sind Sie schon einige strukturelle Veränderungen angegangen. Ist das für Sie auch ein Zeichen des Neubeginns, des Lösens alter Strukturen?

Zunächst einmal habe ich mir die Strukturen angesehen und Ideen entwickelt, was ich besser organisieren kann. Ich finde, die Bereiche Presse und Wirtschaftsförderung kann man nicht zusammenfassen. Corona hat noch einmal gezeigt, wie wichtig die Wirtschaftsförderung ist. Auch die Kommunikation müssen wir anders entwickeln. Daher habe ich die Bereiche getrennt.

Auch Personalien waren mit Ihrer Neustrukturierung verbunden…

Natürlich guckt man auch, mit wem man gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Mit Christiane Schmidt (Anm. d. Red.: neue Kommunikationschefin) habe ich schon früher im Amt für Bildung zusammengearbeitet, ich wusste, das wird gut funktionieren. Ich fand es auch sehr sinnvoll, einen Büroleiter zu haben. Ich bitte Michael Berger nun etwa, bestimmte Dinge vorab mit den Fraktionsvorsitzenden zu besprechen. Das ist umso wichtiger, da wir ja keine Mehrheitskoalition im Rat haben. Diesen Austausch setze ich auch im Haus fort. So treffe ich mich jede Woche mit jedem einzelnen Dezernenten. Die neue Kommunikation soll sich komplett durchziehen. Auch, wenn es ein sehr zeitintensiver Weg ist.

Haben Sie weitere Änderungen im Rathaus geplant?

Ich möchte im kommenden Jahr eine Stabsstelle Zukunftsmanagement einrichten. So sollen Dinge vorangetrieben werden, dazu gehören etwa Digitalisierung und Integration. Corona verändert auch das Arbeiten der Verwaltung. Homeoffice verändert Arbeitsprozesse und die Nutzung von Büroflächen. Derzeit platzen wir aus allen Nähten, Teile des Jugendamtes etwa sind ausgelagert. Ich hoffe, dass wir mit dem Platz im Rathaus wieder auskommen werden, dazu sind etwa Coworking Spaces denkbar, also dass sich etwa zwei Leute im Wechsel einen Arbeitsplatz vor Ort teilen und im Wechsel von zuhause aus arbeiten.

Welche Herausforderungen sehen Sie für das neue Jahr?

Eine große Herausforderung wird der Innenstadtbereich sein. Diesen werden wir noch einmal ganz neu denken müssen. Sie soll das Herz Gladbecks bleiben und ein Ort sein, an den die Menschen gerne kommen. Oft gibt es diesen Reflex von jungen Menschen, dass es für sie dort nichts gebe. Da muss man gucken, was man machen kann. Wir müssen gegensteuern, damit die Innenstadt nicht verödet. Im Zuge der Corona-Pandemie werden weitere Pleiten und somit weiterer Leerstand befürchtet.

Wie wollen Sie gegensteuern?

Zur Zukunft der Innenstadt möchte ich einen runden Tisch ins Leben rufen. Die Verringerung des Leerstands ist auch über das „Sofortprogramm Innenstadt“ des Landes NRW möglich. Zudem werden Pop-up-Stores ein Thema für die Wirtschaftsförderung werden. Denkbar ist, dass die Kreativwirtschaft leerstehende Lokale etwa für Ausstellungen vorübergehend nutzt. Diese Flächen würden dann für wenig Geld zur Verfügung gestellt. Vorstellbar ist auch, dass Dienstleistungen in die Innenstadt ziehen. Sie soll aber auch Aufenthaltsort bleiben. Ich kann mir etwa einen Spielplatz vorstellen, der Treffpunkt ist. Aber auch die Gastronomie wird eine Rolle spielen.

Was wollen Sie 2021 außerdem für Gladbeck anpacken?

Es gibt viele Bereiche, die unter der Corona-Pandemie leiden. Auch der Kulturbereich bereitet mir Sorge. Es ist wichtig, da Konzepte zu entwickeln und Impulse zu geben, um den Bereich wieder ans Laufen zu bringen. Aber auch Schulen, Krankenhaus, die Mitarbeiter dort arbeiten am Anschlag. Wir müssen Signale senden, dass wir sie im Blick haben. Vieles wird sich nach dem Lockdown zeigen. Ein extremer Kraftakt bleibt auch der städtische Haushalt. Da haben wir ein dickes Minus. Wir werden gucken, wo noch eingespart werden kann. Schließungen von Musikschule, Bücherei oder Hallenbad empfehle ich aber nicht. Was einmal geschlossen ist, wird nie wieder eröffnet. Da sind wir auch gebrannte Kinder, was etwa die Schließung des Karo betrifft.

Was empfehlen Sie stattdessen?

Eine Möglichkeit ist, die Grundsteuer B zu erhöhen. So muss jeder ein bisschen zahlen, das finde ich am solidarischsten. Es wäre besser gewesen, die Steuer über Jahre hinweg moderat anzuheben. Da ist mit Blick auf nachfolgende Generation etwas versäumt worden. Denn die Verschuldung müssen die Kinder abzahlen. Generationengerechtigkeit sieht anders aus. Aber jetzt bin ich in der Verantwortung und ich habe keine Angst, unliebsame Entscheidungen zu treffen.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie werden Sie Silvester feiern?

Ganz klein, nur mit meinem Mann. Ich nutze die Zeit zwischen den Jahren auch, um einmal runterzukommen. Ich habe zu Weihnachten an meine Familie Spiele verschenkt und ich hoffe, dass wir sie ausprobieren. Außerdem werden wir kochen, lesen, fernsehen, mit dem Hund spazieren gehen.

Welche Wünsche haben Sie persönlich für 2021 aber auch für die Stadt Gladbeck?

Ich wünsche mir von Herzen, dass die Corona-Infektionszahlen zurückgehen und wir keine weiteren Toten haben werden. Ich wünsche mir, dass wir den Zusammenhalt weiter stärken können und aufeinander achten. Niemand darf durchs Raster fallen und finanzielle Schäden erleiden, die er nicht auffangen kann. Außerdem hoffe ich, dass das gesellschaftliche Leben 2021 wieder hochgefahren werden kann. Dass wir uns wieder ungezwungen begegnen können und auch ältere Menschen wieder Geselligkeit erleben können. Auch der Jugend wünsche ich, dass sie diese besondere Zeit im Leben wieder unbeschwert verbringen kann.

>>> Erste Bürgermeisterin Gladbecks

Bettina Weist (SPD) ist im September zur ersten hauptamtlichen Bürgermeisterin Gladbecks gewählt worden. Die 52-Jährige schlug in der Stichwahl ihren Herausforderer Dietmar Drosdzol (CDU).

Die gebürtige Gladbeckerin war zuletzt Schulamtsleiterin bei der Stadtverwaltung. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Rentfort.

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