Gladbeck. Die Corona-Krise stresst viele Menschen in Gladbeck. Wie kann Weihnachten trotzdem entspannt ablaufen? Familientherapeut Bernd Nelskamp weiß Rat.
Weihnachten, das Fest der Liebe und der Einmütigkeit: Friede, Freude, Eierpunsch? Mitnichten, wissen Psychologen. Da rappelt es zwischen den Geschenkpäckchen auch mal heftig. Wen wundert’s, schließlich sitzen unterm Lichterbaum häufig Menschen zusammen, die in dieser Runde sonst das ganze Jahr über nicht zusammentreffen. Das schafft Konfliktpotenzial. Erst recht während der Corona-Pandemie, wenn so vieles anders sein wird und muss. Bernd Nelskamp, Familientherapeut beim CaritasverbandGladbeck, gibt Tipps, wie sich trotz aller Widrigkeiten ein harmonisches Fest gestalten lässt.
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Ein Credo des 45-Jährigen: „Viel miteinander sprechen, Kompromisse suchen, Kinder und Jugendliche in die Planung einbinden.“ Und eines sollte nicht vergessen werden: „Man darf die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Das gilt immer, nicht nur in Corona-Zeiten.“ Die Schwiegermutter, die das ganze Jahr über kompliziert sei, werde nicht just an Weihnachten auf einmal pflegeleicht und zuckersüß. Und der Vegetarier mutiert eben nicht zum Geflügel-Fan und schmaust Gänsebraten. Im Pandemie-Jahr, davon ist Nelskamp überzeugt, „wird Weihnachten nicht alles heilen“.
Gladbeck: Rituale sind wichtig und geben Sicherheit
An diesem Fest, unter speziellen Bedingungen, misst der Leiter der Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche einem Aspekt eine herausragende Bedeutung zu: „Im Familien-Umfeld sollten sich möglichst alle an die Corona-Regeln halten. Sie stellen eine Orientierung für Kinder dar. Eltern müssen ihnen dann kein Schweigegelübde gegenüber anderen auferlegen, wenn sich beispielsweise doch mehr als die erlaubte Anzahl von Menschen trifft.“ Aus pädagogischer Sicht, so der Diplom-Sozialarbeiter, bringe man Kinder in die Bredouille, wenn die Schutzmaßnahmen ignoriert werden. Junge Menschen „haben ein Gespür für Verbotenes“.
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Corona beeinflusst auch den Ablauf der Festtage. „Rituale sind wichtig, sie geben Sicherheit. Deswegen sollten sie, soweit möglich, beibehalten werden in einem Jahr, in dem ohnehin schon so vieles anders ist.“ Wo die Pandemie dies unmöglich macht, ist Kreativität gefragt. So gehört in vielen Familien beispielsweise der Besuch eines Krippenspiels oder der Christmette zu den Festtagen wie die Lichter am Weihnachtsbaum – daraus wird diesmal im klassischen Sinne nichts. Nelskamp empfiehlt: „Wenn dieser Punkt wirklich wichtig ist, sollte man sich um eine alternative Lösung bemühen.“ Wie wäre es zum Beispiel damit: Den Gottesdienst als Streaming-Variante gemeinsam anschauen? Wer über die technischen Möglichkeiten verfügt, kann abwesende Verwandte dazu schalten. „Man kann sich auch überlegen: Wann sind wir sonst aus der Kirche nach Hause gekommen, um dann die Bescherung zu gestalten?“, so Nelskamp. Den Zeitplan könne man beibehalten und anpassen.
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Der Sozialarbeiter legt Erwachsenen ans Herz, den Nachwuchs in die Planung für die Festtage unbedingt einzubinden: „Je nach Alter der Kinder kann man schon gemeinsam überlegen, welche Änderungen machbar wären.“ Oft das Sahnehäubchen an Weihnachten: der Speiseplan.
Beim Festessen Kompromissbereitschaft zeigen
Nelskamp: „Beim Essen lohnt es sich, auch mal von Ritualen abzuweichen.“ Das kann so manchen Zankapfel aus der Welt schaffen. Der Vater von zwei Töchtern – elf und zwölf Jahre – appelliert an die Kompromissbereitschaft der Beteiligten. Gerichte, die allen schmecken, lassen sich bestimmt finden: Es müsse ja nicht immer der traditionelle Kartoffelsalat mit Würstchen sein.
In diesem Krisen-Jahr haben Familien häufig – gezwungenermaßen – deutlich mehr Zeit miteinander verbracht als sonst. Deswegen rät Nelskamp: „Sich überlegen: Welche Freiräume kann ich trotzdem schaffen. Da ist es auch in Ordnung, wenn sich jemand einfach mal in ein Zimmer zurückzieht.“ Kein Café-Besuch mit Freuden, Veranstaltungen wie Christmas Rock am Kotten Nie gestrichen – da könnten Eltern Teenager fragen, was sie sich stattdessen wünschen. Nelskamp meint: „Jemanden zwingen, immer mit der Verwandtschaft zusammen zu sein, macht allen das Fest kaputt. Aber wie wäre es mit Vereinbarungen, zum Beispiel: Bis 18 oder 20 Uhr bleibst Du bei uns, dann darfst Du Dich ausklinken?“
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Forscher zu Verhaltensregeln
Experten aus Medizin und Forschung pochen darauf, auch während der Festtage Regeln zum Schutz vor einer Ausbreitung des Coronavirus’ nicht aus den Augen zu verlieren. So sollten Kontakte auf einen begrenzen Personenkreis mit wenigen Menschen in unveränderter Zusammensetzung beschränkt bleiben. Laute Gespräche und gemeinsamer Gesang seien unter freien Himmel zu verlagern.
Angeraten ist vorab eine zehntägige Quarantäne für diejenigen, die an Weihnachten Menschen aus Risikogruppen treffen wollen. Auch bei leichten Erkältungssymptomen sollte mindestens fünf Tage gänzlich auf Kontakte verzichtet werden.
Eltern brauchen gleichermaßen ihren Freiraum, denn: „Sitzen alle ununterbrochen beisammen, steigt das Konfliktpotenzial.“ Eine Überlegung: „Wenn’s mir zu eng wird, gehe ich spazieren.“ Bernd Nelskamp hat für Erwachsene den Ratschlag parat: „Eltern sollten diesmal besonders nachsichtig sein. Die Nerven liegen auch bei Kindern blank.“
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