Gladbeck. Der Gladbecker Chor wurde vor 100 Jahren gegründet. Heinz Ilaender ist das älteste Mitglied. Der 91-Jährige erinnert sich an viele Ereignisse...
Die Vorsitzende des Städtischen Musikvereins Gladbeck Gitta Werring sortiert mit dem ältesten Mitglied Heinz Ilaender und dessen Frau Ingeborg die Erinnerungen des Chores. Das Jahr 2020 sollte das große Jubiläumsjahr der Traditionschorgemeinschaft werden, der 100. Geburtstag ist schließlich etwas, auf das ein Verein stolz sein kann.
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Ein Konzert mit Beethovens neunter Symphonie war geplant, großes Orchester, majestätische Klänge und ein strahlendes „Freude schöner Götterfunken“ – das alles von der Corona-Pandemie verhindert, abgesagt, Stille. Ganz langsam hätte man im September wieder Hoffnung geschöpft und zaghaft mit den Proben begonnen, berichtet Werring. „Und jetzt müssen wir wieder pausieren“. Die Vorsitzende des Chores „Städtischer Musikverein Gladbeck“ sitzt etwas nachdenklich auf der Wohnzimmercouch von Familie Ilaender.
Gladbeck: Heinz Ilaender hat alle zehn Leiter am Dirigentenpult erlebt
„Beethoven hatten wir auch 1970 im Programm, für den Chor das 50-jährige Jubiläum, für den großen Komponisten der 200. Geburtstag“, erinnert sich Heinz Ilaender. Der 91-jährige ist das älteste Mitglied im Chor und der einzige, der alle zehn Leiter persönlich am Dirigentenpult erlebt hat. „Der Gründer und erste Leiter Franz Plantenberg war zwar zur Zeit meines Eintritts im Jahr 1943 nicht mehr der offizielle Dirigent, kam aber ab und an noch zur Aushilfe.“
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Die Musik begleitete den Bach-Fan Ilaender schon ein Leben lang. Der Pharmazie-Assistent im Ruhestand spielt Klavier und Orgel und ist der Gladbecker Bürgerschaft vor allem durch 30 Jahre Mitarbeit, davon zwölf Jahre künstlerische Leitung, des „Forum Deutscher Musikhochschulen“ bekannt. Aber dem Chor gehört seine besondere Liebe, Frau Ingeborg war selbst lange Jahre Vorsitzende des Vereins.
„Als ich Heinz geheiratet habe und nach Gladbeck kam, bin ich sofort in den Chor eingetreten“, sagt die quirlige 81-jährige. „Singen war für mich immer Teil des Lebens, als Flüchtlingskinder haben meine Schwester und ich schon Operettenlieder in der Scheune geschmettert“.
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Das Haus der Ilaenders spiegelt diese Liebe wider, kleine Porträts bekannter Komponisten, ein Gemälde der Hausmusik im 17. Jahrhundert, Lithographien von gregorianischen Chorälen. Für Werring hütet das Ehepaar aber vor allem den unschätzbaren Erinnerungswert an die Geschichte des „Städtischen Musikverein“.
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Mit Akribie und Sorgfalt haben die Ilaenders Programmhefte aus acht Jahrzehnten gesammelt. Schmale, gelbe Zettel, antiquierte Schriftarten, hier das „Alexanderfest“ von 1952 oder „Messias“ von 1961, dort besagtes Beethovenkonzert von 1970. Aber auch ein Programmheft aus der Zeit des Nationalsozialismus. „Die Nazis haben die klassische Musik vereinnahmt und Druck auf die Musikgemeinschaften gemacht“.
Die Vorsitzende Gitta Werring ist begeistert von Ilaenders Anekdoten
Als Schüler des Ratsgymnasiums sang Heinz Ilaender beim „Judas Makkabäus“ mit. Das Oratorium über die Geschichte des jüdischen Freiheitskämpfers von Georg Friedrich Händel sollte verboten werden, ein Jude im Konzerttitel ging nicht. Das Konzert kurzerhand umbenannt in ein pathetisches „Der Feldherr“ und die Aufführung durfte stattfinden, dem Publikum damit Arien wie „Oh liberty“ präsentiert.
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Repertoire und weitere Infos
Die Mitglieder des Städtischen Musikvereins, der als Oratorienchor gegründet wurde, arbeiten Jahr für Jahr auf ein großes Chorkonzert mit Orchester und ein Weihnachtskonzert hin. Das Repertoire umfasst Kompositionen verschiedener Epochen.
Es reicht von Werken aus der Feder von Johann Sebastian Bach über Carl Orffs „Carmina Burana“ bis hin zu Modest Mussorgskis „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“. Auf dem Spielplan des Musikvereins standen unter anderem auch schon Kompositionen von Ludwig van Beethoven, Wolfgang Mozart sowie John Rutter und Ola Gjeilo. Weitere Informationen: www.musikverein-gladbeck.de
Werring ist begeistert von all diesen Anekdoten, die das Leben des Chores durch das Jahrhundert schildern. Berichte von Chorausflügen, Erinnerungen an verstorbene Mitglieder, die Erzählung von kühlen Bierchen in den Probenpausen im Kolpinghaus, mit einem strengen Chorleiter Georg Küper, übrigens Schwager von Heinz Ilaender. Und dann, wie der Chor in der Nachkriegszeit bis nach Recklinghausen zu den Proben fuhr, weil es in Gladbeck keine Räumlichkeiten gab. „Allen Widrigkeiten zum Trotz hat der Chor seine Aktivität behauptet, sich für das Überleben von Kunst und Kultur eingesetzt“.
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Darum ist die Vorsitzende doch sicher, dass die Corona-Krise überstanden wird und die Gemeinschaft nicht auseinanderbricht. „Wir werden die Fahnen hochhalten. Wir haben mit den Ilaenders ein historisches Gedächtnis, aber mit dem aktuellen Chorleiter Zdenko Sojčić und vielen jungen Sängerinnen und Sängern die besten Aussichten auf eine innovative Zukunft“. Das Jubiläumsjahr birgt noch weitere Geschichten.
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