Gladbeck. In Gladbeck werden Ausstellungen wegen der aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen verschoben. Galeristen und Künstler üben scharfe Kritik...
Die Unsicherheit ist groß in Gladbeck: Dürfen Galerien trotz der verschärften Einschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus öffnen? Oder müssen sie – wie Museen – ihre Türen bis mindestens Ende November schließen? Wie sich die Gladbecker Galeristen entscheiden – und welche Sorgen sie erfüllen...
Für Gerd Weggel, Kurator der Neuen Galerie, ist die Lage für sein Haus klar: „Wir werden die geplante Ausstellung verschieben.“ Welchen Termin er ins Auge fasst, lässt er offen. Zum „nächstmöglichen“ Zeitpunkt seien die Werke von Johanna Flammer und Paul Schwer unter dem Titel „morphing“ in den Räumen an der Bottroper Straße zu sehen. Ursprünglich sollte diese Präsentation ab 13. November laufen. Wegen der aktuellen Corona-Schutzverordnung bleibe der Neuen Galerie jedoch keine andere Wahl, als die Türen erst einmal dicht zu machen.
Gladbeck: Die Zwangspause stellt Galeristen und Künstler vor große Probleme
Die Zwangspause zieht gravierende Probleme nach sich, denn Termine lassen sich nicht mal eben mit einem Handstreich verlegen. Ein Aufschub habe finanzielle und logistische Folgen. Der Kurator: „Wir bauen die geplante Ausstellung auf, weil wir ja auch Verträge mit den Speditionsfirmen haben.“ Schließlich kosten die Transporte der Werke viel Geld. Sobald eine Öffnung wieder erlaubt sei, könne die Neue Galerie Publikum einlassen – „ohne Preview, ohne Vernissage“: „Die Künstler und Galeristen sind mit diesem Vorgehen einverstanden.“
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Eine weitere Konsequenz: Die Planung gerät aus den Fugen. „Die Tim-Eitel-Ausstellung mit Exponaten von Privatsammlern haben wir komplett absagen und ins kommende Jahr schieben müssen“, so Weggel. Da die Neue Galerie hochkarätige internationale Kunstschaffende nach Gladbeck holt, haben die Ausstellungen einen oft jahrelangen Vorlauf. Aber, so bedauert Weggel in Corona-Zeiten: „Ein Riesen-Unternehmen wie die Kultur hat keine Lobby.“ Und, wie der Star-Trompeter Till Brönner anmerkt: „Künstler haben keine Gewerkschaft!“
Künstler haben keine Gewerkschaft
Weggel spricht sich unmissverständlich „gegen die aktuellen Maßnahmen“ aus: „Die Kultur liegt am Boden.“ Der Experte weiß, dass „alle Museumshäuser entsetzt sind“. Dabei kenne er nicht einen Fall, in dem eine Corona-Infektion von einem Museum oder einer Galerie ausgegangen sei. Als „wilden Aktionismus“ bezeichnet der Ausstellungsmacher die gegenwärtigen Reglementierungen: „Ich hätte mir frühere und gezieltere Maßnahmen gewünscht.“
Damit geht er d’accord mit der Künstlerin Susanne A. Schalz, die Fingerspitzengefühl, Weitsicht und Differenzierungen vermisst. Sie sagt: „Mit einem Schlag ist alles Kulturelle im November weg!“ Ihr solle mal jemand schlüssig erklären, warum sie ihr Magazin an der Talstraße zusperren müsse, aber bei Ikea sich die Leute tummeln dürfen. „Möbelkauf ist erlaubt, Kunst nicht?“, fragt Schalz. Sie rechnet vor: „Ich biete locker 50 Quadratmeter Platz pro Besucher, wenn zehn Kunden hier sind. Und knapp zehn Meter Luft nach oben. Damit erfüllt das Magazin die Maßgaben der vorgeschriebenen Corona-Schutzverordnung laut Paragraf 11.“
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Deswegen geht sie davon aus, dass sie als Verkaufsraum öffnen darf. Die Künstlerin betont: „Es finden keine Vernissagen oder andere Veranstaltungen statt. Öffnungszeiten bleiben also wie immer.“ Ihre geplante neue Ausstellung, eine Retrospektive, ist gestrichen.
Komplizierte Materie
Eine Anfrage der WAZ bei der Stadtverwaltung, welche Regeln für Galerien gelten, blieb am Dienstag offen. „Laut Corona-Schutzverordnung dürfte der Verkauf an sich unkritisch sein. Aber die Verordnung ist nicht eindeutig, wie ein Verkaufsraum anzusehen ist“, so Rathaus-Sprecher David Hennig.
Daher habe die Stadtverwaltung Gladbeck eine Anfrage an das zuständige Landesministerium gestellt. Hennig: „Wir wollen juristisch auf der sicheren Seite stehen.“
Ihre Kollegin Karoline Dumpe, die auch internationale Künstlern in der Alten Spedition Raum bietet, ärgert sich ebenfalls über die Geringschätzung von Kunst und Kultur. Wie Schalz und Weggel ist sie felsenfest davon überzeugt, dass eine Gesellschaft auch dieses Duo brauche, nicht nur Lebensmittel.
„Was jetzt passiert, ist ein Desaster!“
„Was jetzt passiert, ist ein Desaster“, meint die Galeristin und Künstlerin. Aber: „Es wird da gespart, wo kein Bruttoinlandsprodukt erwirtschaft wird.“ Bei der Kunst werde zuerst der Rotstift angesetzt, „und die Kunst geht auch zuerst“.
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Dumpe wird die Schau „Food Art“ auf Anfang Dezember schieben: „In der Hoffnung, dass sich dann die Lage beruhigt hat. Was wir jetzt erleben, ist nur noch Hysterie.“
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