Gladbeck. Vorwürfe und Mandatsverzicht von Müzeyyen Dreessen sorgen für Unruhe in der Gladbecker CDU. Der Vorstand weist die Anschuldigungen zurück.
Der Stadtverbandsvorsitzende der CDU in Gladbeck, Dietmar Drosdzol , weist die Vorwürfe von Müzeyyen Dreessen entschieden zurück: „Ich lasse mich nicht in die rechte oder frauenfeindliche Ecke drängen.“ Mit den stellvertretenden Vorsitzenden, Andrea Niewerth und Karsten Krügerke, hatte er die WAZ zum Gespräch in die CDU-Zentrale an der Lambertikirche eingeladen. Das Trio wollte zu den Vorwürfen im dreiseitigen Protestschreiben von Dreessen Stellung beziehen, die, sichtlich angefressen, ihre CDU-Ämter (Ratsmandat, Vorsitz CDU-Ortsverband Mitte, Vorstand Frauen Union, Beisitzerin Stadtverband) niedergelegt hat. Eine Personalie, die im Nachklang der Wahl für Unruhe in der Partei sorgt.
„Es ist schade und bedauerlich, wenn die Wege auf diese Art auseinandergehen“, sagt Andrea Niewerth, und dass dies offenbar auch passiere, „weil ein lange gehegter Wunsch nicht in Erfüllung zu gehen scheint“. Die stellvertretende Vorsitzende spricht damit Dreessens selbst bekundete Absicht an, Stellvertretende Bürgermeisterin werden zu wollen. Und deren Vorwurf, dass zu ihr die Kungelei durchgesickert sei, dass „wieder alle entscheidende Positionen unter den Männern verteilt werden“. Das stimme so nicht, sagt Dietmar Drosdzol. „Wir sind eine demokratische Partei, in der die Kandidaten gewählt werden.“ Wobei freilich etwa ein Kandidat für den Fraktionsvorsitz sich vorab sein Wunsch-Team zusammen- und zur Wahl stelle. „Dieser innerparteiliche demokratische Weg hätte Müzeyyen Dreessen ja auch offen gestanden.“
Die Parteispitze sei auch nicht rechtsorientiert oder ausländerfeindlich
Die Parteispitze sei auch nicht rechtsorientiert oder ausländerfeindlich. Dass kein CDU-Mitglied zur türkischen Partnerstadt Alanya mitreisen sollte, sei in der Partei demokratisch abgestimmt worden. Und dieses Votum habe sich 2018 „allein auf die damaligen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes zur politisch angespannten Lage bezogen.“ Die CDU stehe „allen Kulturen offen gegenüber, die sich in Gladbeck niederlassen wollen. Wir verlangen aber, dass sie sich rechtskonform verhalten“. Denn, ergänzt Andrea Niewerth, „Integration ist keine Einbahnstraße“.
Müzeyyen Dreessens Vorwurf der Frauenfeindlichkeit sei auch nicht nachvollziehbar, so Drosdzol weiter. Die Partei habe doch ihr Engagement gesehen, wertgeschätzt und honoriert, „indem sie für die Wahl, nach dem Bürgermeisterkandidaten und Fraktionsvorsitzenden, als Kandidatin auf Platz drei der CDU-Liste gesetzt wurde“. Und dass er auf Gesprächsanfragen nicht reagiert oder diese abgelehnt habe, stimme nicht pauschal. „Dies betraf ausdrücklich nur Themen, die wir schon mehrfach in aller Ausführlichkeit miteinander beredet hatten und wozu alle Standpunkte abgehandelt waren. Darüber hartnäckig wieder und wieder sprechen zu wollen, das habe ich abgelehnt“, sagt Drosdzol. Er schätze auch die Arbeit der Frauen Union sehr und stehe bei entstandenen Irritationen und Redebedarf gerne zur Verfügung. Rede und Antwort stehen wolle er zu den Vorwürfen auch bei dem noch für diesen Monat beabsichtigten Treffen mit den CDU-Ortsvereinen.
Alt-Bürgermeister Schwerhoff und Christdemokrat Tobias Lüdiger üben deutlich Kritik
Der Grandseigneur der Gladbecker CDU, Altbürgermeister Eckhard Schwerhoff, äußert sich zur Causa „sehr betroffen“. Er habe nach der Kommunalwahl „Einsicht, Reflexion und die Fähigkeit zur inhaltlichen und personellen Erneuerung angemahnt“. Eine offene Kommunikation „findet leider nicht statt“. Müzeyyen Dreessen sei über religiöse und politische Grenzen hinweg eine respektierte und geachtete Persönlichkeit, die sich mit großem persönlichen Engagement „für die Menschen in unserer Stadt eingesetzt hat“. Der aktuelle Vorgang sei „ein herber Verlust für die CDU Gladbeck und die Kommunalpolitik insgesamt“. Er könne nur hoffen, so Schwerhoff, „dass spätestens jetzt ein Nachdenken bei den hierfür Verantwortlichen stattfindet“.
Ihr Amtsvorgänger, der ehemalige Vorsitzende der CDU Mitte, Tobias Lüdiger , teilt in einem der WAZ vorliegenden Rundschreiben Müzeyyen Dreessens Beobachtungen zur Entwicklung der CDU Gladbeck. Auch den „Rechtsruck“ beobachte er: Ein Vorsitzender, der ausländische Mitbürger wiederholt als „Muschelschrubber“ bezeichne, sei „da nur der stinkende Kopf des Fisches“. Mit einem Bürgermeister-Kandidaten, „der gerne polarisiert“, habe die CDU in Gladbeck „keinen Blumentopf gewinnen können“, kritisiert Lüdiger verpasste Chancen bei der Kommunalwahl. „Alle herausposaunten Wahlziele“ seien verfehlt worden. „Offene Flanken“ der in der Stadtverwaltung dafür verantwortlichen SPD-Bürgermeisterkandidatin, etwa im Bereich Schulen und Kindergärten, seien nicht inhaltlich genutzt worden.
Statt eines stark befremdlichen „Weiter-so mit dem gescheiterten BM-Kandidaten als stellvertretendem Bürgermeister“ gelte es nun, neue, jüngere Gesichter der CDU Gladbeck mutig in Verantwortung zu bringen. Diese müssten ja in fünf Jahren den Wahlkampf führen, so Lüdiger, der als Reaktion ankündigt, dem Ortsverbandsvorstand Mitte nicht mehr angehören zu wollen und damit auch für sich „abschließend ein Kapitel“ zu beenden.