Gladbeck. 600 Schüler der Werner-von-Siemens-Realschule Gladbeck sind Samstag auf das Virus getestet worden. Corona-Leugner demonstrierten vor dem Gelände.
Daniel Kroll ist Schulleiter der Werner-von-Siemens-Realschule in Gladbeck und Lehrer für Biologie, Chemie und Erdkunde. Naturwissenschaftler so gesehen. Als in der vergangenen Woche sechs Corona-Erkrankungen an der Realschule bekannt wurden, haben sich die betroffenen Klassen in Quarantäne begeben. Als Absicherung ordnete das Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen am Freitag an, alle Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu testen. „Um 13 Uhr wurden wir vom Kreisgesundheitsamt informiert, um 16 Uhr stand das Konzept und die Info wurde an die Eltern gesendet“, erklärt Kroll am Samstagmorgen auf dem Schulhof. „Wir wollen den größtmöglichen Schutz für alle. Wir müssen Klarheit darüber haben, wie sehr sich das Virus verbreitet hat.“ Je nach Ergebnis werde das weitere Vorgehen festgelegt.
Drei Testteams vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) haben sich am Morgen auf dem Schulgelände eingerichtet. Klassenweise sollen Proben aus Rachen und Nase entnommen werden. Gegen 10 Uhr hängt der Himmel grau über der Kortestraße, aus allen Richtungen bewegen sich Schüler auf das Schulgelände zu, vorbei an einem Polizeiwagen und einer Gruppe von Corona-Leugnern, hin zu ihren Klassenkameraden. In der Aula bereitet sich ein DRK-Team auf die Testung der Klasse 5a vor. Nicola Pflaum, Thorsten Facius und ein weiteres Teammitglied haben Aufkleber mit QR-Codes und kleine Röhrchen mit Wattespitzen vor sich ausgebreitet. Facius trägt Ganzkörperanzug, Maske und Schutzbrille. Er wird die Abstriche machen.
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Demonstranten machen ehrenamtlichen DRK-Helfern Vorwürfe
Das Team wundert sich über die Haltung der Demonstranten vor dem Schulgelände und findet auf YouTube bereits ein Video, in dem Facius gegen seinen Willen zu sehen ist. „Ich finde es ja auch wichtig, Grundrechte zu schützen“, versichert ein Teammitglied, „aber diese Leute haben den Bezug zur Realität verloren, es geht hier um die Gesundheit des kompletten Planeten.“ Jede vorangegangene Situation driftete ins Unsachliche, den ehrenamtlichen DRK-Helfern wurde zum Beispiel unterstellt, sich ein neues Auto durch ihren Einsatz zu finanzieren.
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Pünktlich um 11 Uhr reiht sich die Klasse 5a vor der Tür zur Aula auf. Einer nach dem anderen reicht Nicola Pflaum die Versichertenkarte und lässt sich den Abstrich entnehmen. Als erster traut sich ein Junge in Jeansjacke, er kichert, als Facius mit der Watte die Nasenwand entlangfährt, verabschiedet sich vom Team und bedeutet den anderen Kindern, dass sie keine Angst haben müssen. Nach zehn Minuten hat die gesamte Klasse den Test hinter sich. „In den paar Monaten hat man sich echt eingespielt“, kommentiert Pflaum den Ablauf. Marcel Lange, Leiter vom Dienst, bestätigt das. „Am Anfang standen wir auch wie der Ochs vorm Berg, aber wir haben uns auf Corona eingestellt.“ Er erwartet die Ergebnisse Montag oder Dienstag.
Einem Kind wurde mit einem Megafon ins Ohr geschrien
Schulleiter Kroll steht den 600 Tests gelassen gegenüber. „Die Schülerinnen und Schüler sind sehr diszipliniert und wir können jederzeit auf digitalen Unterricht umsteigen, falls nötig.“ Mit der spontanen Demonstration von Corona-Leugnern könne weder er, noch die Schülerschaft etwas anfangen. „Die Freiheit der Gemeinschaft steht hier über der Freiheit des Einzelnen. Die können ihre Meinung haben, aber bitte außerhalb des Schulgeländes.“ Vor besagtem Gelände mischen sich Frauen mit selbstgehäkelten Taschen unter Männer, deren bedruckte Pullover in Frakturschrift zu Stolz und Heimatliebe aufrufen. Die Benutzung eines Megafons wurde laut Kroll polizeilich untersagt, nachdem einem Kind damit ins Ohr geschrien wurde. Eine Frau keift „Sie sind kein Lehrer“, in Richtung Krolls, der versucht alle Schüler aufs Schulgelände zu leiten. Die Stimmung ist angespannt, es wirkt surreal, wie vernünftig die Schüler im Kontrast zu den Erwachsenen wirken.
Während eine Frau mit einer selbstgebastelten Abbildung von Jesus immer wieder „Gott steh uns bei“ murmelt, als befände sie sich in einer Notsituation, berichtet ein etwa 13-jähriges Mädchen: „Die Leute sind komplett komisch, es kann immer zu Ausbrüchen kommen, deswegen ist es wichtig, dass wir die Tests machen. Das schlimmste ist, dass die alle keine Maske tragen und uns damit gefährden.“ Die Demonstranten sind anders als behauptet keine Eltern aus der Schulgemeinschaft. Der Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann hatte gegen 8.30 Uhr auf seinem Telegram-Kanal, einem Messenger-Dienst, auf die Tests an der Werner-von-Siemens-Realschule aufmerksam gemacht.