Seit rund einem Monat gilt die Mehrwertsteuersenkung, um in Corona-Zeiten die Konjunktur anzukurbeln. Ein erstes Fazit der Händler in Gladbeck.

Was erwarten Sie von der Senkung der Mehrwertsteuer zum 1. Juli? Diese Frage hatte die WAZ Ende Juni verschiedenen Gladbecker Einzelhändlern gestellt, nachdem die Bundesregierung ihr Konjunkturprogramm vorgestellt hatte. Mit der bis zum 31. Dezember 2020 befristeten Steuersenkung sollen die Verbraucher entlastet, Kaufanreize geschaffen und die Konjunktur wieder in Schwung gebracht werden. Doch die Händler waren zunächst in ihren Reaktionen eher verhalten. Über diese Erfahrungen können Gladbecker Einzelhandel rund einen Monat später in einem ersten Fazit berichten.

Tamara Reinhardt, Inhaberin des Küchenstudios „K&W Küchenspezialisten“ im Gewerbepark Brauck, hatte ohnehin nach dem Lockdown großen Zulauf. „Das ist bisher ungebrochen“, berichtet sie. Allerdings habe die Ankündigung der Bundesregierung eher zur Verunsicherung der Verbraucher beigetragen, da nichts über die Modalitäten erklärt worden sei.

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Mehr Aufklärung seitens der Politik gewünscht

So standen einige Fragen im Raum. Etwa: Was ist, wenn ich im Juni zum alten Steuersatz meine Anzahlung leiste und dann erst zwei Monate später meine Küche geliefert bekomme? „Da hätten wir uns mehr Aufklärung seitens der Politik gewünscht“, sagt Reinhardt. Als sie hilfesuchend ihren Steuerberater anrief, konnte auch er zunächst keine gesicherte Auskunft geben. Erst wenige Tage vor dem Stichtag war klar: Es gilt der Steuersatz am Tag der Auslieferung.

Regina und Georg Hahne führen je ein Geschäft in der Innenstadt und kommen in ihrem Fazit zu unterschiedlichen Bewertungen. Regina Hahne führt den Geschenkeshop an der Horster Straße und hat „keinerlei Auswirkungen“ wahrgenommen. Was die Geschäftsfrau etwas nervt, sind die krummen Preise, die so zustande kommen. „Wir haben keine Umzeichnungen an den Preisschildern vorgenommen, rechnen aber dann den Betrag an der Kasse herunter“, sagt sie. Ihr sei wichtig, die Steuersenkung „eins zu eins an die Kunden weiterzugeben.“ Das führe jedoch zu längeren Wartezeiten.

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Im Juweliergeschäft hat sich die Steuersenkung deutlich bemerkbar gemacht

Andere Erfahrungen hat ihr Mann Georg mit seinem Juweliergeschäft gemacht. Er habe deutlich wahrgenommen, dass sich mehr Kunden für hochwertige Artikel interessierten. „Da Reisen, Kultur und Kunst nicht mehr, wie sonst, möglich waren, haben viele Kunden wertvoller eingekauft“, so seine Erfahrung. Dabei habe auch der Goldpreis eine Rolle gespielt. „In unserem Segment macht sich die Steuersenkung dann schon eher für den Kunden bemerkbar.“ Der Kauf von Schmuck sei „eine Selbstbelohnung in miesen Zeiten“, sagt Juwelier Hahne.

Peter Happe stellt in Zeiten von Corona eine größere Nachfrage nach Fahrrädern fest. Das habe aber eher mit dem Lockdown zu tun, weniger mit der Senkung der Mehrwertsteuer.
Peter Happe stellt in Zeiten von Corona eine größere Nachfrage nach Fahrrädern fest. Das habe aber eher mit dem Lockdown zu tun, weniger mit der Senkung der Mehrwertsteuer. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Eventuell“, diese Aussage sei für Verbraucher schwierig, meint Clemens Borgmann, Seniorchef zweier Autohäuser in Gladbeck. Was er damit meint, ist die lange Frequenz zwischen Bestellung eines E-Autos und seiner Lieferung. „Es gibt sehr viele Nachfragen, denen man leider oft nicht gerecht werden kann“, weiß Borgmann, der „einen gewissen Schub“ in seiner Branche wahrgenommen hat. „Viele haben den Verkauf abgeschlossen, aber Wert darauf gelegt, das neue Fahrzeug erst im Juli geliefert zu bekommen.“ Für den Unternehmer wäre es aufgrund dieser Erfahrungen und mit Blick auf Autobestellungen in der zweiten Hälfte des Jahres „das Ideale“, wenn die Mehrwertsteuersenkung noch über das Jahr 2020 hinaus verlängert würde.

Mit Mobilität hat auch Peter Happe in seinem „Zweirad-Center“ in Zweckel zu tun. „Viele Lieferanten haben die Preisempfehlungen so gelassen, weil es ja im nächsten Jahr wieder anders sein wird, aber wir ziehen dann entsprechend der neuen Regelung im Preis ab.“ Auch Bestellungen vor der Mehrwertsteuersenkung werden angepasst. „Für uns ist die Steuer ein durchlaufender Posten“, sagt Happe, nur der Staat verzichtet auf Einnahmen. Fahrräder sind ein Saisongeschäft und im Vergleich zum vergangenen Jahr sei das Kaufinteresse 2020 weitaus größer gewesen. Dies habe allerdings weniger mit der Mehrwertsteuer als mit dem Lockdown zu tun. „Was gab es da noch anderes für die Menschen, als Spazierengehen oder Radfahren?“