Gladbeck. Im Team des Gladbecker Modelabels Grubenhelden gibt’s zwei überzeugte Vegetarierinnen. Schon lange vor Corona und Tönnies war Gemüse ihr Favorit.
Ausschließlich von Gemüse, Obst und Getreideprodukten zu leben und auf Fleisch gänzlich zu verzichten – das ist für den Großteil der Menschheit kaum vorstellbar. Doch ist es wirklich so schwer, keine Tiere mehr zu essen? Nicht für Felicitas Kasper und Madita Schlott. Die beiden jungen Frauen ernähren sich schon seit Jahren vegetarisch, ab und an sogar vegan. Und sowohl die Corona-Pandemie als auch die Zustände in der Tönnies-Fleischfabrik, die durch die massenhafte Ansteckung der Arbeiter dort mit dem Coronavirus ans Tageslicht gekommen sind, bestärken die beiden noch mehr in ihrem Handeln.
Die Menschen sollen achtsam mit sich und den Tieren umgehen
Vom Verzicht auf Fleisch kann in ihrem Fall ebenfalls keine Rede sein. Beide fühlen sich wohl mit ihrer Ernährungsweise und entbehren nichts. Ganz im Gegenteil. „Man ist, was man isst“, sagt die 37-jährige Felicitas Kasper. Und bei ihr klingt das nicht nach erhobenem Zeigefinger. Andere überzeugen, das will sie gar nicht. Vielmehr ist es ihr wichtig, dass die Menschen achtsam mit sich, den Tieren und der Umwelt umgehen. „Bewusst zu leben, das ist wichtig. Wer gerne Fleisch isst, sollte eben darüber nachdenken, wo es herkommt und wie es geschlachtet wird“, sagt sie.
Auch interessant
Vor sieben Jahren hat die Designerin, die beim Label Grubenhelden arbeitet, ihre Ernährung umgestellt. Damals kam ihr Sohn zur Welt, und es war der jungen Mutter wichtig, sich selbst und auch ihr Kind gesund zu ernähren. „Auch auf tierische Milchprodukte habe ich fast komplett verzichtet. Das hat dazu geführt, dass es heute für meinen Sohn selbstverständlich ist, statt Kuhmilch Hafer- oder Mandelmilch zu verwenden.“ Neben der Gesundheit ist für Felicitas Kasper auch das Tierwohl ein ausschlaggebender Grund für ihre vegetarische Lebensweise. „Wer sieht, wie es beispielsweise bei Tönnies zugeht, der kann eigentlich beim Fleischverzehr kein gutes Gewissen haben“, ist die 37-Jährige fest überzeugt. Selbst Fleischersatzprodukte wie beispielsweise Tofu kommen Felicitas Kasper nicht mehr in die Pfanne. „Man braucht das nicht, und mir schmeckt Gemüse wirklich am besten.“
Kotelett, Filet, Braten und Burger - alles vom Speiseplan verschwunden
Ebenso wie die 37-Jährige greift auch ihre Arbeitskollegin Madita Schlott in ihrer Mittagspause ausschließlich zu Obst und Gemüse. Kotelett, Filet, Braten und Burger – all das hat die 23-jährige Social-Media-Managerin der Grubenhelden schon lange rigoros von ihrem Speiseplan gestrichen. Der Auslöser war ein Film, den der Religionslehrer im Unterricht gezeigt hat. Da war Madita Schlott gerade mal neun Jahre alt. „Earthlings“ – so der Titel der Dokumentation über den Konsum von Fleisch und die Nutzhaltung von Tieren. „Die Bilder waren so schrecklich, dass mir nicht nur der Appetit auf Fleisch gründlich vergangen ist“, sagt sie. Vielmehr war sie so geschockt, dass sie anfangs auf alle tierischen Produkte wie Milch, Käse, Eier verzichtete und auch nichts mehr mit Leder oder Fell getragen hat.
Auch interessant
Von dieser ganz strikten Haltung ist sie mittlerweile wieder etwas abgewichen. Bei der Fleischabstinenz bleibt es aber nach wie vor, aus Überzeugung. „Die vegetarische Küche ist so abwechslungsreich, da vermisst man wirklich überhaupt nichts“, sagt die 23-Jährige. Hin und wieder schaltet Madita Schlott sogar immer noch auf vegan um, lässt dann alle tierischen Nahrungsmittel weg. Sich komplett vegan und lecker zu ernähren, die Erfahrung haben beide gemacht, ist allerdings in einer Großstadt wie beispielsweise Berlin um einiges leichter als im beschaulichen Gladbeck. „Das Angebot ist dort viel reichhaltiger, und es gibt einfach viel mehr vegane Restaurants“, sagt Felicitas Kasper.
Früher war es auch nicht üblich, täglich Fleisch zu essen
Mit der vegetarischen Lebensvariante klappt es aber auch hier prima. „Erstaunlich war, dass meine Oma überhaupt keine Einwände hatte, als ich ihr von meinem Verzicht auf Fleisch erzählt habe. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass ihre Generation noch eine völlig andere Einstellung zum Thema Ernährung hat.“ Eine Erfahrung, die Madita Schlott übrigens mit ihrer Oma ebenfalls gemacht hat. „Es war früher ja auch nicht üblich, täglich Fleisch zu essen.“
Auch interessant
Mehr Wertschätzung von Lebensmitteln, vor allem von Fleisch, das wünschen sich die beiden Vegetarierinnen. Zum Fleischverzicht bekehren wollen sie aber niemanden. Nur eines nervt sie schon ein wenig: „Wir hinterfragen nicht ständig das Esserverhalten anderer Menschen, müssen uns aber selber oft genug rechtfertigen, weil wir Vegetarier sind.“ Beim Grillen mit Bekannten beispielsweise, wenn neben den Bratwürstchen auch noch ganz viel Gemüse auf dem Rost landet.