Gladbeck. Den Kinderschutzbund Gladbeck erreichen immer wieder Hinweise auf Kindeswohlgefährdung. Der Vereinschef findet manche Gerichtsurteile zu milde.

Lügde und Bergisch-Gladbach, jüngst Münster: Sie sind als Tatorte von Kindesmissbrauch in die Schlagzeilen geraten. Und in der Folge flammte stets eine hitzige Diskussion über die Verschärfung des Strafmaßes für die Täter auf. Auch Dr. Peter Fischer stellt sich auf die Seite der Befürworter solch’ eines Schritts. Der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes in Gladbeck sagt mit Nachdruck: „Ich plädiere für eine Verschärfung der Strafen für Misshandlung und Vergewaltigung.“

Fingerzeige, dass das seelische und/oder körperliche Wohl eines Kindes in Gefahr ist, erreichen auch den Kinderschutzbund Gladbeck. Fischer berichtet: „Wir haben vor kurzem einen Hinweis bekommen, dass es einen massiven Fall von Kindeswohlgefährdung geben soll und haben uns daraufhin mit dem Jugendamt in Verbindung gesetzt.“ Der Vereinsvorsitzende weiß: Die Verwaltung musste einschreiten.

Dr. Peter Fischer, der Vorsitzender des Kinderschutzbundes Gladbeck, befürchtet einen Anstieg von Gewalt in Familien in Folge des Lockdowns während der Corona-Krise.
Dr. Peter Fischer, der Vorsitzender des Kinderschutzbundes Gladbeck, befürchtet einen Anstieg von Gewalt in Familien in Folge des Lockdowns während der Corona-Krise. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Was genau vorgefallen ist? Darüber bewahren die Mitarbeiter der Stadtverwaltung aus Gründen des Datenschutzes stets Stillschweigen. Rathaus-Sprecher David Hennig: „Wir erhalten immer wieder Meldungen, die wir alle prüfen. Gegebenenfalls ergreifen wir Maßnahmen.“ Auch in der Zeit des Lockdowns, um die Ausbreitung des Coronavirus’ zu kontrollieren, sei das Jugendamt über verdächtige Beobachtungen alarmiert worden.

Gladbeck: Das Jugendamt überprüft jeden Hinweis

Taten wie Misshandlung oder Vergewaltigung, so Fischer, hinterlassen Narben, die ein Leben lang nicht verheilen: „Sie schädigen eine Kinderseele.“ Er meint, „es kann doch nicht sein, dass jemand für die Verbreitung von Kinderpornografie ein Jahr auf Bewährung bekommt.“ Dabei müsse doch deutlich werden: „Das sind keine Kavaliersdelikte!“ Es könne eventuell schon ein Schritt in die richtige Richtung sein, „wenn das zur Verfügung stehende Strafrecht voll ausgeschöpft wird“. Seiner Ansicht nach sprechen Gerichte „relativ milde Strafen“ aus.

Im Jahr 2019 hat die Polizei deutschlandweit 15.701 Kinder als Opfer sexuellen Missbrauchs registriert. Aber Experten wissen: Viele Fälle bleiben im Dunkeln. Repräsentative Studien kommen zu dem Resultat, dass etwa jeder siebte bis achte Erwachsene in Deutschland in seiner Vergangenheit sexuelle Gewalterfahrungen gemacht hat.

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Selbst wenn Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen wegen der Pandemie wochenlang geschlossen blieben, sei der Kinderschutzbund für den Ernstfall erreichbar gewesen, sagt Fischer: „Wir haben unser Telefon geschaltet.“ Der KSB-Vorsitzende geht davon aus, dass durch die verordnete, ungewohnte Nähe in den Familien durchaus explosive Situationen entstanden seien: „Man stelle sich vor: Mit zwei kleinen Kindern auf 80 Quadratmetern, ohne Balkon oder Wiese. Dazu vielleicht Homeoffice: Ich halte so ein privates Umfeld für schwierig.“ Reaktionen Erwachsener – wie Gewaltausbrüche – „lauern im Untergrund“. Der KSB erfahre eher zeitverzögert davon: „Wir haben keine Erfahrungswerte mit so einer Ausnahmesituation. Ich befürchte aber, dass die Probleme zunehmen werden.“

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Anlaufstelle geöffnet

Der Kinderschutzbund hat in Gladbeck sein Domizil am Kirchplatz 8. Der Verein ist unter 02043/28888 erreichbar. Der Vorsitzende Dr. Peter Fischer: „Wir haben an fünf Tagen in der Woche geöffnet: montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr.“

Die Hausaufgabenhilfe des KSB laufe von Montag bis Donnerstag zwischen 14 Uhr und 15.30 Uhr. Allerdings, so hebt Fischer hervor: „Für dieses Angebot ist eine Anmeldung erforderlich. Und dafür haben wir eine Riesen-Warteliste.“

Eine Einschätzung sei schon deshalb schwierig, „weil wir die Kinder nicht zu Gesicht bekommen“. Daher befürworte der KSB, „dass sie mal raus aus der Familie dürfen, auch wieder in Sportvereine gehen oder Chorproben besuchen“.

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Projekte wie „Mein Körper gehört mir“ und die „Nein-Tonne“ sind Teil der Präventionsarbeit des Vereins in Gladbeck. Sie richten sich an Grundschul- und Vorschulkinder. Doch derartige Angebote kosten Geld – das der KSB auftreiben muss. „Als Vorsitzender akquiriere ich Jahr für Jahr Gelder. Wir sind auf Spenden angewiesen.“ Bei 140 Mitgliedern, die durchschnittlich knapp 30 Euro Jahresbeitrag leisten, kann der Verein finanziell nicht aus dem Vollen schöpfen. Deshalb freut sich Fischer, dass unter anderem die Stadt Gladbeck und die Stadtsparkasse „seit vielen Jahren verlässliche Partner sind“.