Gladbeck. Händler in Gladbeck bemerken eine Kaufzurückhaltung. Wegen des Coronavirus’ waren Läden zwar lange geschlossen, aber ein Kundenansturm blieb aus.
Wie hatten Einzelhändler das Ende der Zwangsschließungen ihrer Geschäfte als Maßnahme zum Schutz gegen die Verbreitung des Coronavirus’ herbeigesehnt. Schließlich herrscht in Läden ohne Kunden auch gähnende Leere in den Kassen. Und jetzt, nachdem Öffnungen – unter Auflagen – wieder erlaubt wurden? Die Stimmungslage unter Anbietern in der Fußgängerzone reicht von frustriert bis hoffnungsvoll.
Gladbeck: „Manche Kunden sind regelrecht aggressiv, wenn sie eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen sollen“
Als einen Hemmschuh hat Elke Schmidt die Maskenpflicht ausgemacht. Die Inhaberin von K.F. Klecks Fashion erzählt: „Manche Kunden schimpfen richtig, dass sie eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen.“ Wie man damit etwa Blusen, T-Shirts und Pullover anprobieren solle? „Die Menschen sind genervt, manche sogar regelrecht aggressiv, und gehen nicht mehr gerne einkaufen“, ist Schmidts Eindruck. Seit der Einführung der Maskenpflicht habe das Interesse am Shoppen nachgelassen, meint die Einzelhändlerin.
Ja, viele Menschen nerve der obligatorische Mund-Nasen-Schutz, weiß auch Svenja Glathe, die mit ihrem Mann Jens Große-Kreul das Schuhgeschäft gegenüber betreibt. Aber sie spüre, „dass die Menschen Lust am Einkaufen haben.“ Glathe vertritt den Standpunkt: „Es bringt nichts, sich zu beklagen.“ Das habe offenbar ihre Kundschaft ebenfalls erkannt, die mittlerweile wie selbstverständlich zur Maske und zum Desinfektionsmittel greife.
„Unsere Mitarbeiter sind auch wirklich positiv eingestellt. Sie sind froh, dass sie arbeiten können und dürfen“, so Svenja Glathe. Anders als beispielsweise Bekleidungsanbieter verkaufe ihre Branche Bedarf, wie derzeit Sandalen und Sneaker. „Das schöne Wetter spielt uns in die Karten“, freut sich die Expertin. So laufen „Birkenstocks“ prima: „Jetzt sitzen doch viele im Garten.“
Sicher: „Wir machen nicht die Umsätze wie sonst.“ Aber man solle trotzdem positiv bleiben. Svenja Glathe: „Manche Menschen sagen: Um Gotteswillen nicht in den Großstädten oder in Einkaufszentren wie dem Centro shoppen!“ Der Einkauf vor Ort sei da doch eine sicherere Nummer.
Appell an die Gladbecker: „Kauft vor Ort in Eurer Stadt ein!“
Jens Große-Kreul hatte eine „Renaissance der Mittelstädte“ vorausgesagt. Georg Hahne findet: „Wir sind hier in Gladbeck ganz gut aufgehoben.“ Der Vorsitzende des hiesigen Einzelhandelsverbandes erkennt, dass die lokalen Geschäftsleute ihre Kundschaft haben – ein Pfund, mit dem die Anbieter wuchern können. „Wenn alles nur noch online läuft, sind 2021 alle Einzelhändler in den Städten weg“, meint der Fachmann. Deswegen appelliert er, bewusst in die Geschäfte vor Ort zu gehen – und auch der Gastronomie eine Chance zu geben. Damit könnten Gladbecker zum Ausdruck bringen: „Uns ist unsere Innenstadt wichtig.“
Sicht des Wirtschaftsförderers
Peter Breßer-Barnebeck, Leiter des Referates Wirtschaftsförderung und Kommunikation in der Stadtverwaltung, sagt: „Was man merkt ist, dass einzelne Läden, wenn sie sonst bis 18 Uhr oder darüber hinaus geöffnet hatten, jetzt ihre Öffnungszeiten reduziert haben.“ Aber das sei verständlich, denn: „Man muss sehen, dass Geschäftsleute ihre Kosten und zu erwartende Einnahmen abwägen.“ So schließt ein Schokoladenladen bereits am frühen Nachmittag.
Grundsätzlich werde die Chance zur Wiederöffnung genutzt, so Breßer-Barnebeck – in Corona-Zeiten leider unter Auflagen“. Der städtische Wirtschaftsförderer lobt die Händler, die die Vorgaben zum Schutz gegen die Verbreitung des Virus’ „sehr vernünftig und verantwortungsvoll umsetzen“. Breßer-Barnebeck: „Mit den Auflagen wird eher restriktiv umgegangen. So lassen die Geschäftsleute lieber einen Kunden weniger als zu viel herein.“ Der Pflicht zu Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsmittel werde nachgekommen.
Der Juwelier möchte sich nicht beschweren: „Ich erlebe nicht die Katastrophe schlechthin.“ Allerdings mache sich bei ihm eine Verschiebung bemerkbar: „Im Moment verkaufen wir Hochwertiges stärker als sonst.“ Fernreisen, Theater und Restaurant: gestrichen. Da hätten Menschen, die wegen der Pandemie nicht in Kurzarbeit gehen oder um ihren Job bangen müssten, mehr Geld im Portemonnaie. „Doch das gleicht nicht das aus, was im günstigeren Sektor wegfällt“, sagt Hahne. Das Ostergeschäft, Kommunion, Konfirmation – alles Anlässe, die in normalen Zeiten die Kassen klingeln lassen.
Der Geschäftsmann: „Uns fehlt die Frequenz, uns fehlen die Menschen.“ Zugangsbeschränkungen, Spuckschutz, Maskenpflicht – da kann der Shopping-Spaß auf der Strecke bleiben. Nicht zu vergessen der höhere Aufwand, den der Handel betreiben muss. Ein Beispiel: „Eine Uhr, die uns zur Reparatur gebracht wird, kommt in Quarantäne.“ Das heißt, sie wird zunächst ein paar Tage eingetütet, bevor die Arbeit daran beginnt: „Eine Vorsichtsmaßnahme!“ In sein Juwelier-Geschäft lässt er fünf Kunden gleichzeitig, in den Geschenkeladen zwei – „weniger als erlaubt“, gearbeitet wird im Schichtdienst. Bei allen Problemen weiß Hahne jedoch eines zu schätzen: „Dass wir sehr nette Kunden haben.“
Große Sorgen bereitet ihm indes eine möglicherweise zweite Infektionswelle: „Dann kommt wieder ein Einbruch, dann wieder eine Neuöffnung.“ Deswegen hofft er, „dass wir über den Sommer etwas Normalität bekommen“.
Optiker Matthias Alt: „Man wünscht sich, dass nun alles wie vorher weitergeht, aber das ist nicht so.“ Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft beobachtet eine Kaufzurückhaltung: „Anprobieren mit Maske ist kein Vergnügen!“ Er bezeichnet es als „persönlichen Luxus“, mit Waren zu arbeiten, die benötigt werden. Wenn eine Brille kaputt ist, geht man halt zum Optiker. „Zweimal zwei Kunden lasse ich ins Geschäft; es dürften mehr sein“, so Alt. Er betont: „Ich freu mich über jeden Kunden.“