Gladbeck. In „Die Friedhöfe Gladbecks als Erinnerungsstätten“ dokumentiert das Stadtarchiv bemerkenswerte Grabmäler. Infos gibt’s auch im Geodatenportal.

Wer die druckfrische Broschüre „Die Friedhöfe Gladbecks als Erinnerungsstätten“ durchblättert, hält auf 40 Seiten einen Abriss Lokalhistorie in Händen. Denn Grabmäler spiegeln nicht nur die Moden verschiedener Epochen wieder, sondern geben Einblick in die Gesellschaft mit herausragenden Persönlichkeiten und Ereignissen ihrer Zeit. Das Heft ist ab sofort gratis erhältlich – oder man wirft einen Blick auf das städtische Geodatenportal.

Gladbeck: Eine Broschüre und eine Karte im Geodatenportal führen besondere Grabstätten auf

Denn dort ist eine neue Karte veröffentlicht. Sie zeigt 57 Erinnerungs- und Gedenkstätten samt Bildern und Informationen. Eingezeichnet sind unter anderem 16 Wegekreuze, drei Statuen, jeweils ein Bildstock in Brauck und Ellinghorst. „Eine intuitive Navigation durch die Kartenlandschaft ermöglicht dem Nutzer einen schnellen räumlichen Überblick und eine ausführliche Auskunft über die einzelnen Orte“, erklärt Annette Wolthaus, Leiterin des Sachgebietes „Kommunale Geoinformation“ im Rathaus. Nicht zu vergessen eben jene Grabstätten von besonderer Bedeutung auf den städtischen Friedhöfen in der Stadtmitte, in Rentfort und Brauck.

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Und hier kreuzten sich die Arbeitswege von Wolthaus und Stadtarchivarin Katrin Bürgel. Ungefähr ein Jahr aufwendiger Recherche steckt in dem Projekt, das auf einem Gemeinschaftsantrag von SPD und Grünen fußt. Sie hatten im November in einer Sitzung des Kulturausschuss angeregt, herausragende Grabmäler und Grabfelder als Übersicht zusammenzustellen. „Es war ursprünglich ein Flyer geplant, aber weil das Ergebnis der Arbeit umfangreicher war, ist eine Broschüre daraus geworden“, berichtet Bürgel.

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Der Grabstein der Familien Makowka und das von Künstler Gottfried Kappen gestaltete Mal für das Ehepaar Kilian stehen auf dem Friedhof Mitte in Gladbeck.
Der Grabstein der Familien Makowka und das von Künstler Gottfried Kappen gestaltete Mal für das Ehepaar Kilian stehen auf dem Friedhof Mitte in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Und die Nachforschungen brachten selbst für sie als Expertin durchaus neue Erkenntnisse und Überraschungen zutage, die sie dem Leser als zusätzliche Informationen gibt. „So wurde die Errichtung des heute bekannten jüdischen Friedhofs zwar bereits im Jahr 1908 beantragt, aber er war erst ab 1923 belegt“, erläutert die Archivarin.

Sie geht noch weiter zurück in die Gladbecker Geschichte: „Es gab auf dem Friedhof in der Stadtmitte schon einmal eine Fläche für die Bestattung jüdischer Menschen.“ Dort seien auch Verstorbene anderer Konfessionen beigesetzt worden, als die Kapazitäten auf dem übrigen Teil knapp wurden. Dies sei mit Zustimmung der jüdischen Gemeinde geschehen, die später jedoch ein räumlich getrenntes Areal bekam.

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Die weitere Entwicklung, eine Attacke rechtsradikaler Jugendlicher im Jahre 1929, die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg – all dies ist in der neuen Veröffentlichung des Stadtarchivs nachzulesen. Und ebenfalls, wer dort zur letzten Ruhe gebettet wurde, samt kurzer Biografie: Dr. Bernhard Preminger.

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Auch andere bekannte Namen werden geschichtsinteressierte Gladbecker in der Broschüre (wieder-) entdecken. Da sind beispielsweise die Ehrengräber des Amtmanns Heinrich Korte und des Schriftstellers Sigismund von Radecki. Stein gewordene Geschichte(n) erzählen Grabfelder für Opfer von Gewalt und Katastrophen. Darunter sind 90 russische und belgische Kriegsgefangene sowie deutsche Soldaten des Ersten Weltkriegs, Menschen, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben im Bombenhagel verloren. Dass hinter Fakten und Daten – zum Beispiel ein Luftangriff der US Airforce am 24. März 1945 – bewegende Schicksale stehen, führen mehrere Stellen vor Augen. Am genannten Tag wurde ein Erdbunker an der Schultenstraße getroffen. Sieben Mitglieder der drei verwandten Familien Hütter, Liebner und Stenda starben.

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Informationen online

Das Geodatenportal der Stadt Gladbeck existiert seit dem Jahr 2015. „2018 gab es ein Relaunch“, sagt Annette Wolthaus.

Unter www.gladbeck.de/geodatenportal finden Nutzer Antworten auf Fragen wie: Wo finde ich in meiner Nähe eine Apotheke? Welche Kinder- und Jugendeinrichtungen gibt es in Gladbeck, welche Sportstätten? Welchem Schiedsbezirk gehöre ich an?

Die Expertin: „Ganz neu haben wir das Thema ,Elektromobilität’ aufgegriffen.“ Unter diesem Punkt sind beispielsweise Informationen zu Standorten von Werkstätten und Ladestationen zu finden.

„Wir haben auch den Stadtplan neu aufgelegt“, so der Hinweis von Annette Wolthaus. Einige wenige Exemplare gebe es noch in der Bürgerinformation (Rathaus). Nächstes Projekt mit dem Stadtarchiv: das Thema „Stolpersteine“.

Nicht nach Hause zurück kehrten sechs Kumpel, die im Sommer 1949 im Flöz Gretchen der Zeche Graf Moltke III/IV verunglückten. Sie haben Seite an Seite ein Ehrengrab, gestaltet vom Gladbecker Künstler Gottfried Kappen. Auch dieses Kapitel aus der Zeit des „schwarzen Goldes“ gehört zur Gladbecker Geschichte. „Auswahlkriterium war, dass wir künstlerisch und historisch erhaltenswerte Grabmäler aufführen, die sich ausschließlich auf den von der Stadt gepflegten drei Friedhöfen befinden“, stellt Bürgel klar.

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Klara Lackmann (80), Tochter eines verunglückten Bergmanns, hier mit Ehemann Wilhelm (83), erzählte am Dienstag, 30.10.2018 von ihrem Vater und ihrer Familie. Foto: Lutz von Staegmann / FUNKE Foto Services
Von Svenja Suda (Texte) undLutz von Staegmann (Fotos)

„Ich gehe gerne auf Friedhöfe. Die Geschichten berühren mich tief“, so Wolthaus. Sie sagt: „Wir hatten in unserer Abteilung Vermessung, Sachgebiet kommunale Geoinformation, schon früh den Hinweis, dass so eine Broschüre geplant ist.“ Da habe sich eine Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv ergeben.

Das Kartenmaterial erstellten Norbert Müller und Hermann Wessendorf aus dem Ingenieuramt. Der Zentrale Betriebshof, Dr. Elke Dißelbeck-Tewes als Pfarrarchivarin von St. Lamberti und Heinz Enxing vom Orts- und Heimatverein halfen bei der Recherche.

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Die Broschüre „Friedhöfe Gladbecks als Erinnerungsstätten“ (Auflage: 500 Exemplare) liegt in öffentlichen Einrichtungen aus. Darunter sind neben dem Stadtarchiv die Gladbeck-Information (Rathaus), die Stadtbücherei (Friedrich-Ebert-Straße 8) und die Volkshochschule (VHS, Friedrichstraße 55).