Gladbeck. . Der rührige Revag-Geschichtskreis aus Gladbeck legt ein Büchlein mit dem Titel „Damals auf Graf Moltke – Gladbecker Bergleute erzählen“ vor. Es wirft ein Licht auf die Zeit, als Menschen in Gladbeck ihre Kohle noch mit dem „schwarzen Gold“ verdienten.

Gut Ding will Weile haben – bis sie das erste „Gladbecker Lesebuch“ in Händen halten können, müssen sich Geschichtsinteressierte also noch etwas gedulden. Das Werk, das auf Spuren der lokalen Vergangenheit wandelt, soll Ende kommenden Jahres auf den Markt kommen. Doch Neugierige können mit einem „kleinen Ableger“ einen Vorgeschmack bekommen. Der rührige Revag-Geschichtskreis legt „Damals auf Graf Moltke – Gladbecker Bergleute erzählen“ vor.

In 16 Interviews erfahren Leser, wie es so war zu Zeiten, als viele Einwohner in Gladbeck und im gesamten Revier ihre Kohle noch mit dem „schwarzen Gold“ verdienten. Wie sie es verkrafteten, als die Zechen dicht machten. Harald Wiesner zog im November 1971 den letzten Kohlenwagen auf Graf Moltke: „Zahlreiche Menschen wurden stumme Zeugen, als die Fördertürme am 13. Februar 1974 nach einer Sprengung wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen.“

Zeitreise auf 70 Seiten

Die Leser können auf gut 70 Seiten eine Zeitreise in das Gladbeck der Bergbau-Ära unternehmen – und noch viel mehr erfahren. Das düstere Kapitel „Hitler und Nationalsozialismus“ hat sich ebenso ins Gedächtnis der Bergleute und ihrer Familien gegraben wie das Leben mit Kinderlandverschickung während des Krieges, Gefangenschaft, Hamstern und die Wiederaufbau-Jahre. Die Interviews führten Beatrix und Michael Petrikowski, die das Buch geschrieben haben. Es macht nicht nur Lust auf mehr Geschichten, die fesselnd Historie vermitteln, sondern könnte sogar prämiert werden. Jedenfalls haben die Macher es eingeschickt zum „6. Geschichtswettbewerb des Forums Geschichtskultur“ zum Thema „War was? Heimat im Ruhrgebiet“.

Thema Migration

Anfangsauflage des Lesebuchs liegt bei 90 Exemplaren

Die Abkürzung Revag steht für „Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannsbetreuung“. Dem Geschichtskreis gehören aktuell 18 Mitglieder an.

Das Buch „Damals auf Graf Moltke – Gladbecker Bergleute erzählen“ ist mit einer Anfangsauflage von 90 Exemplaren erschienen. Es ist für zehn Euro bei Walter Hüßhoff ( 02043/6 22 07) erhältlich.

„Mit den Einnahmen können wir ein weiteres Buch finanzieren“, sagt Hüßhoff.

Walter Hüßhoff vom Revag-Geschichtskreis findet eines besonders bemerkenswert: „Das Thema Migration beschäftigt nicht nur heute – es war damals schon gang und gäbe.“ Liegen doch die Wurzeln vieler Bergarbeiter-Familien nicht im Revier, sondern ganz woanders: in Schlesien, Kärnten, der ehemaligen Sowjetunion und, und, und. Wer emsig und tief genug bei seinen Recherchen gräbt, stößt auf lange Verschüttetes, das dennoch heutzutage Interesse weckt.

Beim Stichwort „Stollenkrankenhaus“ sprudeln die Erinnerungen in den Köpfen der einstigen, mittlerweile ergrauten Kumpels, die sich bei Hüßhoff zum Frühstück treffen, nur so an die Oberfläche. Und vom Hamstern – also dem Beschaffen von Lebensmitteln – hat auch ein Kollege jüngeren Semesters schon gehört. Vertriebene haben eine Menge zu erzählen; 16-Jährige, die kurz vor Kriegsende an die Waffen gerufen wurden; junge Männer, die eigentlich zur See wollten – und schließlich unter Tage malochten: Persönliche Geschichten werfen Lichter auf Vergangenes. An diesem Konzept orientiert sich auch das „Gladbecker Lesebuch“. Beatrix und Michael Petrikowski haben bislang dafür gut 30 Interviews geführt. Hüßhoff: „Jeder Bergmann hat eine eigene Geschichte. Alle zusammen ergeben sie ein Gesamtbild unserer Vergangenheit.“