Gladbeck. . Zeitzeugen erinnern sich an die letzten Tage vor Kriegsende. Vor der Einnahme nahmen die Alliierten Gladbeck an drei Tagen unter Dauerbombardement.

Vor 70 Jahren, im März 1945, ging in Gladbeck der 2. Weltkrieg zu Ende. Doch bevor es am 29. März 1945, dem Gründonnerstag des Jahres, soweit war und die Amerikaner einrückten, erlebten die Gladbecker noch schreckliche Kriegstage.

Gladbeck lag längst schon weitgehend in Trümmern, die Menschen harrten in Kellern und Bunkern aus und sehnten das Kriegsende herbei. Doch kurz vor Schluss intensivierten die Alliierten noch einmal ihre Luftangriffe.

„Wenn die Sirenen heulten, wussten wir, jetzt dauert es nur ein paar Minuten, dann sind die Flieger da und die Bomben fallen“, erinnert sich Lothar Kinner, der damals gerade mal acht Jahre alt war. „Oft genug fiel die Tür zum Luftschutzraum hinter uns ins Schloss, dann ging auch schon ein Hagel von Sprengbomben nieder“, weiß die damals 16-jährige Erna-Johanna Fiebig noch genau. Gertrud Kopka aus Brauck, damals 25 Jahre alt, berichtet, dass sie bei Vollalarm mit ihrer Mutter von der Ottostraße in den Tunnel unter der Autobahn, durch den der Nattbach fließt, flüchtete. „Männer hatten Bohlen über das Bachbett gelegt, sodass wir dort einen sicheren Platz hatten.“

In Brauck fielen über 1000 Bomben

Mitte März notiert Erna Fiebig in ihrem Kriegstagebuch: „Gerade kommt die Meldung, in Brauck sind über tausend Bomben gefallen. Das hat große Schäden angerichtet in der Stinneskolonie und an der Horster Straße.“ Getroffen wurde auch die Innenstadt. „Luftminen fegten Häuser an Hoch-, Zweckeler- und Kirchhellener Straße weg. Die Villa Küster liegt in Trümmern“, heißt es in einer Erinnerung.

Zerstört wurde auch die Christuskirche durch eine Bombe. Das Rathaus und der legendäre Vestische Hof waren schon längst getroffen. Die Hochstraße glich einem Kratermeer.

Doch der weitaus schlimmste und intensivste Angriff aus der Luft sollte den Gladbeckern noch bevorstehen: Vom 22. bis 24. März – vor genau 70 Jahren – mussten die Gladbecker ein verheerendes dreitägiges Dauerbombardement ertragen. Mit Flugblättern warnten Flieger die Menschen am 21. März noch und erklärten das ganze Ruhrgebiet zur „Todeszone“.

Bevor am 22. März die ersten Bomben fielen, setzten alliierte Flugzeuge per Rauchbomben Angriffszeichen in den blauen Himmel eines klaren Frühlingstages. Die Bevölkerung nannte sie „Christbäume“. 13 Uhr war es. „Da wussten wir, jetzt geht es los.“ Und es dauerte nur wenige Minuten, bis die ersten Bomben fielen. Die deutsche Flak leistete aus den Stellungen in Zweckel und Rentfort, aber auch an der Kösheide und an der Behmerstraße (bei Bauer Springmann) in Brauck kaum noch Widerstand.

Gleisanlagen im Visier

Ellinghorst und Rentfort waren erste Ziele des Bombardements, ganze Straßenzüge wurden zerstört. Ins Visier nahmen die alliierten Bomber aber vor allem die Gleisanlagen nördlich des Bahnhofes West, auf denen Militärtransporte vermutet wurden. So geriet Schultendorf ins Ziel der Flieger. Die Wohnquartiere wurden bombardiert, um die in den Kellern hausende Bevölkerung weiter zu demoralisieren. Starke Bomberverbände der US-Luftflotte und der Royal Air Force flogen mit Tod und Zerstörung bringender Last immer wieder von Nordwesten auf Gladbeck zu. Die Kampfflieger warfen Sprengbomben, danach Brandbomben und das gefürchtete Phosphor ab, vor dem die Menschen besonders Angst hatten. „Die Straßen waren, wenn Phosphorstäbe geworfen wurden, wie ein Feuermeer“, so Zeitzeuge Heinz Ilaender.

Der 23. März wurde für Schultendorf der Tag der Vernichtung. „Von weitem kam das Brummen der Bomber immer näher, dann hörten wir das Pfeifen der Bomben“, erinnerte sich Zeitzeuge Aloys Buhl. „Es hörte nicht auf.“ Ein Bombenhagel fiel auf Schultendorf nieder. Erna Fiebig schrieb: „Gegen 13 Uhr wurde Schultendorf zerstört.“ Und Lothar Kinner erinnert sich: „Jedes zweite Haus war weg.“ Auch Brauck musste starke Angriffe ertragen. Am 24. März wurde die Marienkirche von Bomben zu mehr als 80 Prozent zerstört.

Danach „war alles platt“

Franziska Riesener erlebte als 20-Jährige das Dauerbombardement im Krankenhausstollen der Moltke-Halde. „Wir kamen tagelang nicht raus, es fielen vier Bomben auf die Halde, zerstörten aber Gott sei Dank nicht den Stollen. Es hat aber fürchterlich gebebt.“ Nach dem Dauerbombardement, so Heinz Ilaender, war in Gladbeck „alles platt“.

Post und Mädchengymnasium waren Ruinen 

Die Innenstadt brannte nach dem dreitägigen Dauerbombardement lichterloh, vor allem die westliche Hochstraße war am dritten Angriffstag Ziel der alliierten Bomber, bot danach ein Bild der Verwüstung.

Schwere Zerstörungen

Viele Geschäftshäuser waren demoliert, auch das Rathaus wurde erneut getroffen, das Marthaheim hatte schwere Schäden, Post und Mädchengymnasium waren Ruinen. „Die Häuser Hahne, Wormland, Althoff, Altenhölscher, Siebeck standen in Flammen“, notierte Zeitzeugin Erna Fiebig. Schwere Zerstörungen gab es auch am heutigen Ratsgymnasium. Zerbombte Straßenbahnwaggons reckten nach dem Angriff ihre Stahlgerippe in den Himmel.

Neun Bomben schwersten Kalibers trafen am 24. März die Nordseite der Lambertikirche. Die Taufkapelle war ganz zerstört, Teile des Querschiffes waren bis auf die Grundmauern niedergerissen. Durch den Luftdruck hatte sich das Gewölbe gehoben und stürzte in sich zusammen. Auf dem Friedhof Stadtmitte senkte sich ein Bomben- teppich auf Trauergäste, die Bombenopfer der letzten Tage beerdigen wollten.

Für die Bombenopfer gab es nur noch selten grob gezimmerte Särge. Allein an den drei Tagen des Dauerbombardements starben in Gladbeck mehrere hundert Menschen.