Gladbeck. Am 29. März ‘45 endete in Gladbeck der 2. Weltkrieg. Von der Lambertikirche wehte eine weiße Fahne, in den Kellern und Bunkern zitterten die Menschen.

Am Gründonnerstag, 29. März 1945, morgen vor genau 70 Jahren, ging der 2. Weltkrieg mit der Einnahme des Stadtgebietes durch alliierte Truppen zu Ende. Um 17 Uhr galt Gladbeck an diesem Tag als eingenommen, vom Turm der Lamberti-Kirche wehte eine weiße Fahne.

Von Zweckel und Rentfort kommend waren die US-Infanterie, unterstützt von kanadischen Einheiten, vorgestoßen. Auch die Stoßtrupps, die bereits bis nach Rentfort vorgedrungen waren, wurden von weiteren Kräften von Kirchhellen aus unterstützt und drangen auch nach Ellinghorst vor. Von dort aus tasteten sie sich vorsichtig Richtung Innenstadt vor. Brauck und Butendorf erreichten Kampftrupps auch von Bottrop kommend über die Welheimer- und die Brauckstraße.

Die vorrückenden amerikanischen Kämpfer stießen immer noch vereinzelt auf Widerstand. Zu Fuß, überängstlich und mit MP, rückten die GIs Haus um Haus vor. In jedes Kellerfenster blickten sie. In den Kellern hockten derweil die Menschen voller Angst. Zitternd hörten sie die „knirschenden und mahlenden Geräusche” der vorbeifahrenden Sherman-Panzer. Die Befreier durchsuchten fast jedes Haus. Fußtruppen mit entsicherten Waffen schlichen an den Häusern entlang.

Vor allem die farbigen Soldaten verteilten Süßigkeiten

In Zweckel zitterte im Stollen der ehemaligen Halde der Zeche Zweckel Erna-Johanna Fiebig, damals 16 Jahre alt, dem Eintreffen der feindlichen Soldaten entgegen. Mehr als 100 Menschen waren in dem feuchten Stollen. „Dann kamen sie rein, mit MPs im Arm, die hatten soviel Angst wie wir“, erinnert sie sich. Sie fragten nach Soldaten, nach Waffen. „Es gab keine.“ Sie sahen die Not, verteilten Schokolade. „Als die Front weiterrückte, wich das Gefühl der Beklemmung dem der Befreiung.“

Heinz Ilaender, damals ebenso 16 Jahre alt, erlebte den Einmarsch der Amerikaner in der Innenstadt; er wohnte, seitdem die Familie an der Goethestraße ausgebombt war, an der Johannesstraße (heute City Center). „Bevor sie kamen, war es totenstill in der Stadt, ich stand als junger Bursche oben an der Luke auf dem Dachboden und hielt Richtung Westen Ausschau, ob sie kamen“, erinnert sich der Zeitzeuge. „Plötzlich sah ich ein Aufklärungsflugzeug, und von unten riefen die Nachbarn.“ Die ersten fremden Soldaten waren von Norden die Straße heraufgekommen. „10 bis 15 Mann, stark bewaffnet, einer hatte ein riesiges Funkgerät auf dem Rücken, hielt Kontakt mit dem Flieger.“ Sie fragten nach Soldaten, durchsuchten aber nicht das Haus. „Plötzlich hörten wir Panzerrasseln von der Hochstraße, etwa 20 Panzer rollten dort vorbei Richtung Bahnhof Ost.“ Es fiel kein Schuss. „Die Erleichterung war riesengroß, wir waren befreit von Angst und Bomben.“

Werner Prost (85) erinnert sich noch lebhaft an den Tag, an dem die Amerikaner Gladbeck einnahmen.
Werner Prost (85) erinnert sich noch lebhaft an den Tag, an dem die Amerikaner Gladbeck einnahmen. © Funke Foto Services

Werner Prost, damals 15 Jahre alt, wohnte an der Mittelstraße. „Ich saß mit Mutter, Tante und Nachbarin im Keller, als die Amerikaner kamen.“ Sein Onkel hatte sie angekündigt: Er arbeitete auf Zeche Scholven und hatte sich durch die Linien noch nach Hause durchgeschlagen. „Plötzlich standen zwei farbige GIs oben an der Kellertür, fragten nach Männern, die Aufregung war groß.“ Die Soldaten nahmen den Menschen aber die Angst – auch, indem sie Schokolade reichten. Draußen vor der Tür hörte Werner Prost von der Rentforter Straße Kettenrasseln, auch Schießen war ringsherum zu hören. Dennoch wagten sein Onkel und er sich über das Krankenhausgelände Richtung Rentforter Straße. „Wir waren trotz der Gefahr neugierig.“

Und sie sahen dann „Panzer hinter Panzer“, begleitet von achtsamen Soldaten, „sie kamen aus Rentfort“. Und sie beobachteten eine spannende Szene: Zwischen Hospital und Rathaus lag eine zerborstene Straßenbahn über der Straße, es war kein Durchkommen, die vorrückende Truppe wurde aufgehalten. „Dann schob plötzlich ein Panzer die Straßenbahn in das von Bomben demolierte Haus von ,Fisch Glöckner’.“ Das Haus brach zusammen, der Vormarsch ging weiter.

Der Tag der Niederlage war auch der Tag der Befreiung 

Es war letztlich ein bitterer, aber auch erlösender Gründonnerstag, der Tag, an dem der Krieg in Gladbeck endete. Es war ein Tag der Niederlage, aber auch ein Tag der Erleichterung und der Befreiung. „Es war ein ungeheuer befreiendes Gefühl, zu wissen, dass es bei uns keine Luftangriffe mehr gab”, erinnerte sich ein Gladbecker. Auch die unmittelbaren Kampfhandlungen waren vorbei, die Front zog weiter Richtung Buer und Horst.

Die Menschen hatten große Furcht, als sie zum ersten Mal den fremden Soldaten begegneten, die als Feinde galten. „Man hatte Angst um sein Leben, viele Frauen und Mütter befürchteten Vergewaltigungen“, so Erna Fiebig. Ihres Wissens nach kam es dazu aber nicht.

Ein Bild der größten Zerstörung bot sich im März 1945 an der Kirchhellener Straße in Rentfort.
Ein Bild der größten Zerstörung bot sich im März 1945 an der Kirchhellener Straße in Rentfort. © Stadtarchiv

Die US-Soldaten rückten übervorsichtig vor: Man vermutete immer noch versteckte deutsche Kämpfer, die sich in den Gebäuden verschanzt haben konnten. Alle Männer mussten mit erhobenen Händen die Keller verlassen. Tausende harrten die erste Nacht nach dem Kriegsende in der Stadt unter den Trümmern des Rathauses aus.

Friedhelm Kubialka berichtet von seiner Oma, die im Keller ihres Hauses an der Kirchhellener Straße den Einmarsch der Amerikaner erlebte. „Sie guckte aus dem Kellerfenster und blickte im Garten plötzlich auf einen riesengroßen Sherman-Panzer.“ Heidenangst überkam sie. Nach den Panzern und ersten Fußtruppen kamen Räumfahrzeuge, die die Schuttberge zur Seite schoben – um Platz für nachrückende Einheiten, Waffen und Panzerfahrzeuge, aber auch für Sanitätswagen zu schaffen. Die Soldaten gaben sich der Bevölkerung gegenüber menschlich, erinnern sich Zeitzeugen. Heinz Ilaender berichtet von der großen Not, mit der die Menschen jetzt verstärkt zu kämpfen hatten: Es gab keine Lebensmittel, Wasser musste aus Hydranten geholt werden. „Tage später war die Bäckerei Schulte-Pelkum die einzige, die Brot backte.“ Die Amerikaner stellten das Maismehl.