Gladbeck. Eine Ausstellung im Johannes-van-Acken-Haus beleuchtet „Leben und Arbeiten“ in Gladbecks Vergangenheit. Gut 60 Foto erzählen Lokalhistorie.

„100 Jahre Leben und Arbeiten in Gladbeck“, erzählt in gut 60 Schwarz-Weiß-Fotografien – und zwar mit Licht- und Schattenseiten. Auf den Spuren der Vergangenheit können Besucher des Johannes-van-Acken-Hauses demnächst bis zum 31. Dezember im Johannes-van-Acken-Haus wandeln.

Der Bergmanns- und Geschichtsverein Zeche Graf Moltke 1/4 trägt mit dieser Schau zum Jubiläumsprogramm Gladbecks bei. Walter Hüßhoff hat die Exponate ausgewählt. Der Vereinsgründer erzählt: „Zum Teil stammen die Bilder aus dem Stadtarchiv. Ein Teil kommt aus meinem Privatbesitz.“

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Dem 70-Jährigen ist es wieder gelungen – nach einer Foto-Ausstellung im Johannes-Rau-Haus– in dem Caritas-Haus unbekanntes Material zu präsentieren. Klar, dass in einer Ruhrgebietsstadt wie Gladbeck der Bergbau die zentrale Rolle spielte. Hüßhoff war selbst Bergmann, Schlosser auf der hiesigen Anlage Graf Moltke und nach deren Schließung in Buer „auf Hugo“. Er möchte mit Vorurteilen aufräumen, die die Hochphase des „schwarzen Goldes“ glorifizieren: „Ich habe als Kind noch gehungert.“ Und die vielbeschworene Solidarität? Schlichtweg ein Muss, um unter und über Tage zu überleben.

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Tief im Bauch der Erde: Bergleute, die auf der Zeche Zweckel malochten, posierten an ihrem Arbeitsplatz für ein Foto. Zu sehen ist das Bild in der Ausstellung „100 Jahre Leben und Arbeiten in Gladbeck“ im Obergeschoss des Johannes-van-Acken-Hauses.
Tief im Bauch der Erde: Bergleute, die auf der Zeche Zweckel malochten, posierten an ihrem Arbeitsplatz für ein Foto. Zu sehen ist das Bild in der Ausstellung „100 Jahre Leben und Arbeiten in Gladbeck“ im Obergeschoss des Johannes-van-Acken-Hauses. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Grubenpferde, die niemals das Tageslicht erblickten; Vereinsleben; abgekämpfte Männer in drangvoller Enge im Bauch der Erde – weiße Zähne blitzen in rußgeschwärzten Gesichtern; das Ende des Bergbaus; Verteilung von Care-Paketen, die Arbeit bei Rockwool: Hüßhoff dokumentiert viele Seiten, blendet Negatives nicht aus.

Das älteste Bild in der Ausstellung wurde im Jahre 1884 aufgenommen

Das älteste Bild wurde anno 1884 geschossen. Kumpel posierten für den Fotografen. Ausgemergelte Gestalten in zerschlissener Kleidung, an den Füßen Holzschuhe. „Es gab ja kein Leder“, so Hüßhoff. Die Jüngsten in der großen Gruppe mögen vielleicht „zwölf, 13, 14 Jahre alt sein“. Der Gladbecker weiß: „Gebadet wurde in einem zehn mal acht Meter großen, überdachten Becken.“

Hygiene war in der Vergangenheit ein großes Problem

Das Wasser sei nicht regelmäßig gewechselt worden: „Die Männer hatten Parasiten am ganzen Körper. Das Bergarbeiterleben war nicht glorreich.“ Das Hallenbad-Bild, auf dem Männer – noch auf dem Trockenen – Gymnastik am Beckenrand betreiben, entstand erst im Jahr 1928.

Ein Bild der Zeche Graf Moltke aus dem Stadtarchiv. Die Anlage war die erste in Gladbeck. Und sie nahm als erste eine Schremmmaschine in Betrieb. Der ehemalige Moltke-Bergmann Walter Hüßhoff: „Sie wurde, nach einem populären Lied, ,Ramona’ genannt, weil sie ein singendes Geräusch hervorbrachte.“
Ein Bild der Zeche Graf Moltke aus dem Stadtarchiv. Die Anlage war die erste in Gladbeck. Und sie nahm als erste eine Schremmmaschine in Betrieb. Der ehemalige Moltke-Bergmann Walter Hüßhoff: „Sie wurde, nach einem populären Lied, ,Ramona’ genannt, weil sie ein singendes Geräusch hervorbrachte.“ © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Der Blick in die gute Stube einer Familie lässt erahnen, dass die meisten nicht auf Rosen gebettet waren: Drei, vielleicht sogar vier Generationen drängen sich um einen Tisch und rupfen gemeinschaftlich ein Huhn. Die Feder wurden sorgsam gesammelt – für ein Kopfkissen. Antonia Gemein, Sprecherin des Caritasverbandes Gladbeck: „Nachhaltigkeit war also schon damals ein Thema.“

Frauen mussten im Ersten Weltkrieg die Männer über Tage ersetzen

Musical zur Stadtgeschichte

Zum 100. Stadtgeburtstag hatte Walter Hüßhoff eine lokalhistorische Revue geschrieben. Unter dem Titel „Vom Dorf zur Stadt“ unternahm das Stadthallen-Publikum im September eine Zeitreise durch die Geschichte Gladbecks.

Nun kündigt Hüßhoff an: „Wir haben dieses Musical als Film aufgenommen und möchten ihn in unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen zeigen.“ Dazu gehört auch das Johannes-van Acken-Haus. Der ehemalige Kumpel und Vorsitzende des von ihm gegründeten Bergmann- und Geschichtsvereins Zeche Graf Moltke I/IV sagt: „Wir wollen mit der Vorführung die Richtigen erreichen und ihnen Danke sagen für das, was sie für unsere Stadt geleistet haben.“

Einrichtungen, die Interesse haben, ihren Bewohnern den Stadtrevue-Film zu zeigen, können sich bei Walter Hüßhoff melden. Er ist erreichbar unter 02043/62207.

Bemerkenswert findet Gabriele Holtkamp-Buchholz, die für die Netzwerkarbeit im Verband zuständig ist, die Aufnahme von Frauen, die um 1916 als Bergarbeiterinnen über Tage auf Möller im Einsatz waren. „Sie mussten die Männer ersetzen, die Soldaten im ersten Weltkrieg waren“, erläutert Hüßhoff.

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Wahrscheinlich werden bei einigen Betrachtern Erinnerungen hochkommen. Manuela Wienert stammt selbst aus einer Bergarbeiterfamilie: Vater, Opa, Schwager, mehrere Onkel, ein Sohn hat auf Prosper gelernt. Die Pflegedienstleiterin im Johannes-van-Acken-Haus freut sich, dass die Ausstellung ausgerechnet in der Caritas-Einrichtung gezeigt wird: Schließlich leben einige ehemalige Bergmänner unter diesem Dach. Und erlebte Geschichte bedeutet ja auch ein Stück Heimat...

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Walter Hüßhoff plant schon eine weitere Foto-Ausstellung. Sie soll im Jahr 1945 ansetzen und im kommenden Jahr zu sehen sein. Die aktuelle Präsentation im Johannes-van-Acken-Haus, Rentforter Straße 30, wird am Sonntag, 27. Oktober, um 11 Uhr eröffnet.