Gladbeck. . Klara Lackmann ist die Tochter eines Kumpels, der auf Moltke anno 1949 tödlich verunglückte. Sie wünscht sich eine Gedenkstätte für Bergleute in Gladbeck.

Dieser Tag, der Tag, an dem die Erde ihren Vater nicht mehr zurückgab, hat sich ins Gedächtnis von Klara Lackmann eingebrannt. Es ist der 15. Juni 1949, als sechs Kumpel auf Moltke getötet werden. Darunter Gotthard Kolcan. Der Vater der heute 80-Jährigen wird gerade einmal 43 Jahre alt. Ihnen und all jenen Bergmännern, die auf Gladbecker Zechen tödlich verunglückten, möchte Klara Lackmann ein gemeinsames Denkmal setzen.

Großvater wollte Gotthard Kolcan retten

Sie denkt zurück und erzählt: „Wir haben an der unteren Phönixstraße gewohnt.“ Das war das Revier der Bergarbeiter-Familien. Jeder hatte dort mindestens einen Kumpel, der mit der Maloche unter Tage seine Kohle verdiente, Frau und Kinder ernährte. „Auf einem Hausflur waren drei Familien“, erinnert sich Klara Lackmann. Mutter Elisabeth habe Waschtag gehabt.

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„Mit einem Ohr habe ich mitbekommen, dass es ein Unglück auf Moltke 3/4 gegeben haben soll“, erinnert sich die Frau, die damals zehn Jahre alt war – das älteste von drei Kindern. Ihr Großvater sei mit der Schreckensnachricht gekommen. „Er wollte unbedingt zur Zeche“ – seinen Sohn retten. Das doppelt Tragische am Schicksal von Gotthard Kolcan: „Er ist eine Schicht später eingefahren, als er eigentlich eingeplant war.“ Hätte es diese Änderung nicht gegeben, „wäre er nicht mit bei den Verunglückten gewesen“.

Trauerzug von St. Lamberti bis zum Friedhof

© Lutz von Staegmann

So ließ der 43-Jährige sein Leben mit fünf Kumpeln, zwischen 28 und 32 Jahre alt. Die Männer wurden verschüttet, als es in einem Streb des Flözes „Gretchen“ zu einem Bruch gekommen war. „Es dauerte ein paar Tage, bis alle geborgen waren“, weiß Klara Lackmann. Und noch etwas bleibt ihr unvergessen: der Trauerzug am Tag der Beerdigung. „Er reichte von der Lambertikirche bis zum Friedhof Stadtmitte“, berichtet die 80-Jährige. „Mein Vater und die anderen Opfer sind vereint auf dem Friedhof Mitte begraben.“

Den Bergleuten ein Denkmal setzen

Ihr Mann, Wilhelm Lackmann, sagt: „Ich bringe regelmäßig Blumen dorthin.“ Doch vor einiger Zeit stand der 82-Jährige sprachlos vor der Grabstelle: „Alles war weggerissen und abgeräumt!“ Wer das getan hatte, wissen die Lackmanns bis heute nicht, obwohl sie sich unter anderem an die Stadtverwaltung wandten. Und an den Knappenverein, der sich offensichtlich engagierte. „In einer Nacht- und Nebelaktion war wieder alles da“, so Wilhelm Lackmann. Seiner Frau treibt es die Tränen in die Augen, wenn sie darüber nachdenkt, wie das Andenken an diese Bergleute in Vergessenheit geraten könnte. „Ich werde wohl noch die einzige sein, die ein Nachkomme dieser Männer ist“, meint sie, „ich sehe mein Ende kommen.“ Und was geschehe dann mit diesen Gräbern?

Gedenkstätte für alle getöteten Bergleute

Die Bergmänner, die im Jahre 1949 auf Moltke in Gladbeck unter Tage starben, sind vereint auf dem Friedhof in der Stadtmitte begraben.
Die Bergmänner, die im Jahre 1949 auf Moltke in Gladbeck unter Tage starben, sind vereint auf dem Friedhof in der Stadtmitte begraben. © Lutz von Staegmann

Sie möchte nicht, dass die Geschichte des Bergbaus in Gladbeck und die Erinnerungen daran verschütt gehen. Schließlich hat das schwarze Gold die Lokalhistorie geprägt. Klara Lackmann meint: „Wir reden über Kumpel als Ampelmännchen, um das Ende des Bergbaus zu würdigen, aber wer denkt an die Menschen, die bei ihrer Arbeit starben?“ Sie wünscht sich eine Gedenkstätte, die nicht nur das Andenken an ihren Vater Gotthard und seine Kumpel wahrt, sondern auch andere Opfer unvergessen macht. So starben im März 1903 acht Bergleute, ebenfalls auf Moltke. Auf Möller kamen anno 1957 zwei Männer ums Leben.

Wie solch eine Gedenkstätte aussehen könnte? Klara Lackmann könnte sich eine Informationstafel vorstellen wie bei anderen Erinnerungsorten in Gladbeck, beispielsweise am Grabfeld für gestorbene Zwangsarbeiter auf dem Friedhof in Brauck. „Oder vielleicht hat der Heimatverein eine Idee . . .?“

Lackmann will Geschichte erhalten

Die 80-Jährige: „Es ist auch meine Geschichte, die möchte ich erhalten.“ Von ihrem Vater – „ein Familienmensch durch und durch“ – ist ihr kaum etwas geblieben. Zwei Schwarz-Weiß-Fotografien hält die Tochter heute in Händen, ein Porträt und ein Familienbild mit Eltern und den Brüdern Albert und Klaus, fünf bzw. vier Jahre jünger als ihre Schwester. „Viele Männer in meiner Familie waren Bergleute“, so Klara Lackmann, „mein Vater war das einzige Todesopfer unter uns.“ Nach dem Tod von Gotthard Kolcan hat die Mutter nicht wieder geheiratet.