Der waschechte Gladbecker Harald Wiesner wurde Maschinenschlosser auf Graf Moltke. Im Schatten der Schlote baute er eigenhändig sein Haus.

„Es war einmal . . .“, sinniert Harald Wiesner. Der Blick des früheren Bergmanns auf Graf Moltke ist in sich gekehrt, vor seinem geistigen Auge mögen Bilder seines bewegten Lebens aufblitzen. Denn anders als im Märchen ist seine Biographie nicht zauberhaft. Ob Wiesners Geschichte ein Happy End hat? Das hängt wohl von der Betrachtungsweise ab.

Eigentlich wollte Harald Wiesner als Junge hoch hinaus. Der Gladbecker erzählt: „Ich hatte von Kindheit an ein Hobby, und das war Fliegen. Ich war sogar in einem Fliegerclub.“ Diese Leidenschaft wollte er zum Beruf machen. Und das, obwohl die Maloche unter Tage die Familie prägte: „Vater, Großvater, alle waren Bergleute.“ Aus Bayern waren die Wiesners einst ins Ruhrgebiet gekommen – wie so viele Menschen, die von überall her in das Ruhrgebiet zogen und hofften, durch das „schwarze Gold“ Kohle für den Lebensunterhalt machen zu können. Vater Johann arbeitete auf Graf Moltke.

Man brauchte Techniker

Doch Harald wollte aus der Tradition ausbrechen. „Ich war auf der Fliegertechnischen Vorschule in Münster Handorf“, erzählt der 86-Jährige. Allerdings musste er am Boden bleiben: „Ich durfte nie zum fliegenden Personal, man brauchte nur Techniker.“ Aber immerhin. Bis zum Metallflugzeugbau-Facharbeiter brachte er es. Dann war Endstation: „Der Krieg kam dazwischen.“ Im Januar 1945 „durfte ich mit 16 Jahren Soldat spielen“, erinnert sich Harald Wiesner, der am 3. Mai seinen 17. Geburtstag feierte – „am 9. Mai war der Krieg für uns zu Ende.“ Und damit war für den Gladbecker auch der Traum vom Fliegen ausgeträumt.

1945 auf Graf Moltke angefangen

Nach seiner Kriegsgefangenschaft kehrte er nach Gladbeck zurück. Und schlug ein neues Kapitel auf. Wiesner: „Am 1. September 1945 fing ich auf Graf Moltke als Maschinenschlosser an, über Tage.“ Nach Feierabend ging’s ganz schnell nach Hause. Genauer gesagt: Dorthin, wo die eigenen vier Wände einmal stehen sollten, im Schatten der Schlote. Die Siedlung der Moltke-Bergleute entstand in Eigenleistung. „Vier Stunden musste jeder arbeiten“, berichtet der 86-Jährige. Die Bergleute, die auf Zeche Moltke arbeiteten, siedelten sich im Laufe der Jahre unter anderem an der Straße „Zum Stadtwald“, an der Diepenbrock- und an der Stallhermstraße an. Harald Wiesner: „Ich bin als erster Siedler eingezogen.“

Selbst war der Mann

Er zählt auf: „Wir haben 2,3 Kilometer Kanäle per Hand verlegt. Wir haben ausgeschachtet und gegossen.“ Auf Sand seien die Häuser gebaut: „Wir haben fünf Meter lange Stahlwände eingezogen.“ Stein für Stein errichten die Kumpel ihre eigenen vier Wände. Der 86-Jährige hat nicht vergessen: „Alle Materialien wurden von Anfang an vom Pütt gestellt.“

Eine Selbstverständlichkeit: Jeder habe dem Kollegen bei der Arbeit unter die Arme gegriffen. Das habe sich damals auch nicht geändert, als die Moltke-Bergleute ihre Häuser bezogen. Selbst war der Mann: „Wenn irgendwelche Reparaturen angefallen waren, haben wir das alles selbst gemacht.“ Und Selbstversorger seien sie alle gewesen: Ob Obstbäume, Gemüsebeete oder Kleintiere – die Bergleute richteten sich ein. Und dort in der Siedlung wohnt Harald Wiesner heute noch, hier fühlt er sich immer noch wohl. Ein Happy End . . .?