Gladbeck. Nicht nur etwa Polizisten und Rettungskräfte werden bei ihrer Arbeit attackiert. Auch Aggressionen gegen städtische Mitarbeiter nehmen zu.
Feuerwehrleute werden bei Einsätzen mutwillig behindert, weil Schaulustige Handyfotos machen wollen. Polizisten werden angepöbelt, Rettungskräfte attackiert. Die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) setzen seit Kurzem auf ihrem Recyclinghof in Altenessen einen Sicherheitsdienst ein und auch der Gelsenkirchener Entsorger Gelsendienste beklagt, dass Kunden immer aggressiver werden.
In manchen Dienststellen gibt es Alarmknöpfe und Sicherheitspersonal
Auch die Stadtverwaltung Gladbeck hat schon Erfahrungen mit Aggressionen gegenüber Mitarbeitern gemacht. Meist seien Dienststellen mit erhöhtem Publikumsverkehr betroffen, beispielsweise das Jobcenter und das Jugendamt. Da gebe es Sicherheitsvorkehrungen wie Alarmknöpfe beziehungsweise elektronische Alarmierungssysteme. Als eine weitere Präventionsmaßnahme führt Stadtsprecher David Hennig an, dass manche Türen nicht von außen zu öffnen seien. Im Jobcenter werde zudem zu den Publikumszeiten ein Sicherheitsdienst im Kundenbereich eingesetzt. Hin und wieder würden Kollegen mit Bedrohungen und Beleidigungen konfrontiert.
Der Kommunikationschef im Rathaus beobachtet eine „spürbare Verrohung der Sprache“
Wenn Besucher in Rage geraten, seien das jedoch Ausnahmen, so Hennig. Er fügt aber hinzu: „Auch wenn die Zahl der erfassten Vorfälle in den Dienstgebäuden in den vergangenen Jahren gering war, ist jeder Fall ein Fall zu viel.“ Es komme auch schon mal zu Sachbeschädigungen. In den vergangenen vier Jahren seien 20 Hausverbote erteilt worden – aus unterschiedlichen Gründen. „Dreimal wurde ein Hausverbot angedroht“, sagt Hennig.
Peter Breßer-Barnebeck, Kommunikationschef der Stadtverwaltung, beobachtet eine „spürbare Verrohung der Sprache“. Er sagt: „Man merkt bei Facebook und in Emails, dass der Ton rüder und respektloser wird.“ Die Stadtverwaltung habe in den vergangenen vier, fünf Jahren wegen „Hassmails“ 25 Anzeigen erstattet: „Die Verfahren wurden leider eingestellt.“
Dispute mit ZBG-Kunden drehen sich um Gebühren
Auch beim Zentralen Betriebshof Gladbeck (ZBG) gebe es hin und wieder Dispute, so Henrik Feldhaus, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. „Aber keine handgreiflichen Übergriffe“. Feldhaus entsinnt sich als „extremsten Fall“ an einen Mann vor einem Jahr, der „völliges Unverständnis“ für die Anweisungen der ZBG-Mitarbeiter auf dem Wertstoffhof gezeigt und sie beleidigt habe. Diskussionen entwickelten sich beispielsweise über die Entsorgung von Problemabfällen. „Wir können nicht alle Materialien annehmen“, unterstreicht der Fachmann. Und manche Kunden wollten nicht verstehen, dass die Annahme auch etwas kosten kann. Dabei sei vieles ja schon gebührenfrei.
Die Beschäftigten an der Annahmestelle Wilhelmstraße seien am ehesten dem Unmut der Kundschaft ausgesetzt. Und die beiden Mülldetektive. Bei dem Duo freue sich wohl niemand, wenn sie anschellen, um beispielsweise die Herkunft von Sperrmüll zu kontrollieren.
Müllwerker bringen sich mit einem Sprung in Sicherheit vor Autofahrern
Aber auch die Müllwerker seien häufiger Anfeindungen ausgesetzt. Feldhaus beschreibt eine Situation: „Die Kollegen sind auf der Horster Straße im Einsatz. Es herrscht viel Verkehr, wegen einer Mittelinsel können Autofahrer nicht überholen.“ Was tun ungeduldige Menschen am Steuer? „Sie fahren ganz nah auf, überholen sogar über den Gehweg, so dass sich die Kollegen mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen müssen“, berichtet Henrik Feldhaus. Und auch die ZBG-Mitarbeiter, die mit einer Kehrmaschine unterwegs sind, kommen in Bedrängnis: „Denen wird bis auf die Hacken aufgefahren.“
Vorbereitet auf den Ernstfall
Die Stadtverwaltung Gladbeck bietet im Intranet Informationsmaterial zur Gewaltprävention und Deeskalation an. David Hennig: „Es finden aber ebenfalls immer mal wieder gezielte Trainings statt, auch mit der Polizei.“
Betroffene Beschäftigte könnten Rat und Unterstützung durch das Open-Team der Feuerwehr in Anspruch nehmen, wenn dies gewünscht werde. Eine weitere Anlaufstelle sei „unsere Konfliktberatung“.
Vestische: Auch gegenüber Busfahrern nimmt Gewalt zu
Auch gegenüber Busfahrern nimmt Gewalt zu. Die WAZ fragte bei Thomas Krämer, Betriebsleiter der Vestischen, nach, wie das Nahverkehrsunternehmen darauf reagiert.
Wie ist der Umgang der Kunden mit den Busfahrern?
Wir sehen, dass das Klima in den vergangenen fünf bis zehn Jahren deutlich rauer geworden ist. Die Verrohung der Gesellschaft hat zugenommen. Seit mehreren Jahren bieten wir daher auch ein Deeskalationstraining für unsere Fahrer an. Zudem haben wir Präventionsteams, die in einigen Bussen mitfahren. Manche Kollegen hatten sich unwohl gefühlt, vor allem am Wochenende nach 20 Uhr. Auch unter den Fahrgästen gibt es öfter Auseinandersetzungen. Seit 2002 haben wir schon den kontrollierten Vordereinstieg, das ist eines unserer Sicherheitselemente. Zudem sind alle Fahrzeuge mit einer Videokamera ausgestattet. Über eine Notruftaste können unsere Fahrer Kontakt zur Leitstelle aufnehmen, die dann die Möglichkeit hat, sich von dort aus bildlich in den Wagen zu schalten. Durch zunehmende Gewalt gab es Handlungsbedarf. Dabei kann es ja auch etwa um Vandalismusschäden gehen.
Haben Sie weitere Sicherheitsvorkehrungen geplant?
In alle neuen Busse werden ab 2019/2020 verlängerte Sicherheitsscheiben eingebaut, damit unsere Fahrer nicht von hinten angegriffen werden können. Denn die Fahrer konzentrieren sich ja auf den Straßenverkehr, und wenn sie dann plötzlich etwa ein Messer am Hals spüren, sind sie ja quasi wehrlos.