Gelsenkirchen. . Am Sonntagabend hob sich im Großen Haus des Musiktheaters im Revier der Vorhang für die erste Ballett-Premiere der Saison. Gelsenkirchens Ballettdirektorin Bridget Breiner tanzt darin selbst die Hauptrolle. Die Neue Philharmonie Westfalen unterstreicht den Tanz mit glasklarem und pointiertem Klang.
Metamorphose eines Balletts: Die „Giselle“-Produktion von David Dawson, die im Frühjahr am Essener Aalto-Theater umjubelte Premiere feierte, ist in Gelsenkirchen angekommen. Am Sonntagabend hob sich im Großen Haus des Musiktheaters im Revier der Vorhang für die erste Ballett-Premiere der Saison. Die Gelsenkirchener Ballettdirektorin Bridget Breiner tanzt darin selbst die Hauptrolle, die Neue Philharmonie Westfalen läuft unter dem Dirigat ihres Kapellmeisters Vallteri Rauhalammi zur Hochform auf, unterstreicht den Tanz mit glasklarem und pointiertem Klang.
Rückblende: Als der frühere Ballett-Direktor Bernd Schindowski 2008 die Ballett-Saison am MiR mit dem Klassiker „Giselle“ eröffnete, schieden sich an seiner Produktion des von Adolphe Adam vertonten Schauermärchens die Geister: Zu überladen mit Symbolik seien Bühnenbild und Inszenierung, zu klein die Schar der Tänzer für ein so großes Werk, bemängelten Kritiker.
Inszenierung ohne großes Pathos
Seine Nachfolgerin Bridget Breiner hat es vermocht, sich nicht in derartigen Fallstricken zu verheddern. Sie holte sich über eine Kooperation mit dem Aalto-Ballett ein wahres Tanzgeschwader ans Haus. Und brachte mit der Giselle-Interpretation von David Dawson, die kurioserweise ebenfalls 2008 an der Semperoper in Dresden uraufgeführt wurde, einen Erfolgshit ins Revier. Dawson hat das Schauermärchen aus seiner schwülstigen Haut gepellt, zeigt es auf der schlichten, verschachtelten Bühne von Arne Walther ohne großes Pathos. Dadurch haucht er dieser „Giselle“ frischen Atem ein.
Die Bauernleute des ersten Aktes werden hier zu eleganten jungen Sommerpartybesuchern, die in pastellfarbenen Seidenkleidern ausgelassen über die Wiese springen. Die tanzenden Wilis aus dem zweiten Akt brauchen nichts weiter als fließende weiße Organza-Schleier, um den Sprung in die Geisterwelt zu symbolisieren.
Eher sportlich als grazil
David Dawson vermischt in dieser „Giselle“ klassisches Tanzvokabular mit seiner ganz eigenen choreografischen Handschrift – und verlangt dabei den Tänzern unglaublich viel körperlichen Einsatz ab. So wirken manche Szenen eher sportlich als grazil. Man mag darüber hinweg sehen, vor allem, weil es auch Momente gibt, die durch ihre poetische Sprache direkt ans Herz gehen: Adeline Pastor als Braut etwa hinterlässt mit geschmeidigen Bewegungen und kraftvollen Sprüngen tiefen Eindruck beim Publikum. Und die Pas de deux von Bridget Breiner als Giselle und Raphael Coumes-Marquet als Albrecht, der sie umgarnt und bis in den Tod begleitet, machen diese Produktion zum echten Erlebnis.