Gelsenkirchen. Von den Alsbergs zum Westfalenkaufhaus: In den Glanzzeiten kümmerten sich 450 Verkäufer um die Kunden. Zum Service gehörten auch eine Leihbücherei, ein Erfrischungsraum, die Versandabteilung und Fahrradkuriere. Später waren die Tanz-Tees bei Weka legendär.

8000 Menschen drängelten sich am 24. Juni 1909 vor den Türen des neuen Kaufhauses der Gebrüder Alsberg an der Bahnhofstraße in Gelsenkirchen. So etwas hatte die Stadt noch nicht gesehen – ein Warenhaus mit nahezu allem, was das Herz begehrt. Die 200 Verkäufer der ersten Tage waren mit solchen Menschenmassen ein wenig überfordert. Ein Frauen-Paletot (Mantel) für 9,50 Reichsmark, ein Panamahut für 15,75 Reichsmark – dass es so was überhaupt gab! Fußlange Gewänder und Hüte mit üppigen Federn trug die Dame in jenen Jahren, der Herr enge Röhrenhosen, Stehkragen und Bart.

Am 9. April 1912 wurde der Neubau für das deutlich größere Alsberg-Kaufhaus mit fünf Stockwerken eingeweiht, die Düsseldorfer Architekten Klose und Schäfer hatten es entworfen. Die Gebrüder Alsberg gründeten in jenen Jahren viele Kaufhäuser in der Region. Unter anderem in Bochum das heutige Kortumhaus, das sein Leben als Vollsortiment-Kaufhaus Jahrzehnte später zeitgleich beenden sollte.

Lichthöfe und vier Personenaufzüge

Doch zunächst zu den Alsbergs. Zwei große Lichthöfe, vier Personenaufzüge – natürlich mit kompetentem Fahrstuhlführer – , zwei breite Treppenhäuser, vier Lastenaufzüge für die Waren, 500 Angestellte, davon 450 Verkäufer, zählte das auf 50 Säulen errichtete Haus anno 1920. Leihbücherei, Orientteppiche, Erfrischungsraum, Delikatessen, Buchdruckerei, Versandabteilung im Erdgeschoss mit Kraft- und Pferdewagen sowie Fahrradkurieren und Boten, die die Waren nach Hause lieferten. Das Gebäude wurde schrittweise bis 1928 ausgebaut und erweitert.

Allzu lange konnten sich die Gebrüder Alsberg an ihrem Erfolg nicht erfreuen. 1933 stellten sie laut Nationalsozialisten „von sich aus den Antrag auf Gleichschaltung“. Die Mehrheit des Aktienkapitals in Höhe von 3,6 Millionen Reichsmark ging „in arische Hände“. Die NSDAP freute sich über „Ein Heim, das Werkschar Freude macht“ – im Westfalenkaufhaus, wie es fortan hieß. Ähnlich erging es den Alsbergs in Bochum und Duisburg. In der rheinischen Metropole übernahm übrigens ein gewisser Helmut Horten das Haus: Er sollte es auch nach dem Dritten Reich noch weit bringen mit seinen Kaufhäusern.

Doch zurück ins Gelsenkirchen der Nachkriegszeit. 1959 wurde das 50-jährige Jubiläum bereits wieder groß gefeiert. 50 Schaufenster zeigten einen Querschnitt der Mode seit 1909. Die Wirtschaftswunderzeit war die Blütezeit der Weka. „Der Weka“? – Ja, man ging nämlich eher „in die Weka“ als in „das Weka“, Westfalenkaufhaus, wie es ja eigentlich hätte heißen müssen.

Die Tanz-Tees jener Jahre im Weka-Restaurant waren legendär, die Spielzeugabteilung bescherte Kindern und Eltern etliche schlaflose Nächte und auch die Delikatesswarenabteilung steigerte die Speichelproduktion der Gelsenkirchener enorm. Alles präsentiert in edelstem Ambiente – der Kaufhaus-Besuch war ein Ereignis.

Ab den 1970er-Jahren ging es mit der Weka als Vollsortiment-Kaufhaus bergab. Die Jugend fand das Restaurant spießig und wollte Levis-Jeans statt Bügelfaltenhosen in Größe 48. Und überhaupt war der Einkaufs-Allrounder nicht mehr so gefragt wie früher. 1980 begann die Aufsplittung des Hauses in kleinere Geschäfte. 1984, beim 75-Jährigen, führte die Weka trotzdem noch 100.000 Artikel in 92 Fachabteilungen. 1985 zog der Lebensmittelmarkt Hill in den Keller. Im dritten Stock residierte nun Uni Polster.

Seit 1986 ein Baudenkmal

1995 dann wurde der Komplex an die Kölner Areal Grundstücks- und Bauträgergesellschaft verkauft, parallel mit dem Kortumhaus in Bochum. 1997 wurde das Vollsortiment endgültig aufgegeben. Heute kann man in der Weka immer noch einkaufen: Kleidung, Drogeriewaren, Schuhe, Dekoartikel – in Einzelgeschäften halt. Und nur auf zwei statt auf fünf Etagen. Dafür gibt es im Haus das Blutspendezentrum und die Hauptverwaltung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr.

Das schöne Weka-Karree steht übrigens seit 1986 auf der Denkmalliste der Stadt.