Gelsenkirchen. Der Hochwasserschutz findet schon in den eigenen vier Wänden statt. Das Institut für Unterirdische Infrastruktur forscht nach neuen Wegen. Die Straße könnte künftig als Regenrückhaltebecken dienen.

Beim Institut für Unterirdische Infrastruktur (IKT) in Bulmke-Hüllen im Exterbruch 1 ist der Name Programm. Knapp 40 Mitarbeiter testen, erforschen und planen Wege, bis auf Tunnel, die unterirdisch verlaufen. Insbesondere die des Wassers. Aktuell wird in einem Projekt Starkregen und die Folgen für das Oberflächenwasser auf den Straßen erforscht.

Das Problem der Überschwemmungen ist vielschichtig und nicht nur im, sondern auch auf dem Boden zu finden. Zu viele Flächen des 6420 Hektar großen Stadtgebiets sind bebaut und damit versiegelt. Zu wenig Sicherungen unter anderem im privaten Wohnungsbau sorgen bei Unwettern für vollgelaufene Keller und Wohnungen und für Bilder, die man sonst nur aus fernen Ländern kennt. Der Klimawandel stellt den kommunalen Klimaschutz vor bislang nicht gekannte Herausforderungen.

Die Wissenschaftler Christoph Bennerscheidt (47) und Marcel Goerke (31) des Instituts, das unter anderem mit der Ruhr-Uni und der Fachhochschule in Gelsenkirchen zusammenarbeitet, können die globale Umweltverschmutzung nicht stoppen, forschen aber, wie Folgen abgefedert werden können.

Auch Private können viel tun

„Das fängt im Privaten bereits an“, sagt Bennerscheidt. Weniger versiegelte Flächen, um die rund 36.500 Wohngebäude der Stadt hilft, mehr Wasser versickern zu lassen. Oft werde bei der Kanalisation im Haus auf alte Technik vertraut. Während man sich bei der Wärmedämmung auf den neuesten Stand hält, bleibt die eigene Kanalisation so etwas wie ein Buch mit sieben Siegeln. Bennerscheidt: „Ist der Kanal einmal im Boden, dann kümmert sich keiner mehr darum. Es ist ja die letzten Jahre gut gegangen.“ Nun aber stoßen überalterte Techniken an Grenzen. Die Folgen: vollgelaufene Keller. Moderne, elektrisch betriebene Ventilklappen können auch bei Starkregen den Wassereinbruch stoppen. Der Standort des Hauses ist wichtig. Liegt es an einem Gefälle, reicht oft die Aufschüttung eines kleinen Erdwalls, um Oberflächenwasser fernzuhalten.

Ein weiteres Problem im öffentlich Kanalnetz – 716 Kilometer werden allein von Gelsenkanal betreut – sind zu klein bemessene Rohre. Deren Durchlassmöglichkeiten haben sich nach den durchschnittlichen Regenmengen der vergangenen Jahrzehnte plus X gerichtet. 55 Liter pro Quadratmeter, ein Wert, der noch vor Jahren utopisch klang, ist heute Realität geworden. Doch an der Dicke der Rohre allein liege es nicht, wie Marcel Goerke sagt.

Vielversprechender Einsatz von wasserspeichernden Substraten

Es sollten hochwassergefährdete Gebiete der Stadt auf eine Karte erfasst werden. So könne jeder Hausbesitzer erkennen, ob er was tun muss. Und genau da liegt ein Problem, wie Marcel Goerke sagt: „Die Hauseigentümer fürchten, dass dadurch der Wert der Immobilie sinkt.“

Bei dem IKT werden neue Verfahren getestet. Vielversprechend sei der Einsatz von wasserspeichernden Substraten statt Schotter im Straßenbau: „So könnte die Straße als Rückhaltefläche genutzt werden.“ Denn Oberflächenwasser auf Wegen ist nicht ohne. Oft sind Gullydeckel verstopft. Deswegen wird geforscht, wie ein Gully zu gestalten ist, damit er größere Wassermengen aufnimmt. Fließt das Wasser nicht ab, läuft es unkontrolliert in Senken und Mulden. Die private Kanalisation müsste weitere Mengen verarbeiten.

Die Aufgabe, die lokale Abwasserwirtschaft an das veränderte lokale Klima anzupassen, ist nach Ansicht der Experten aber keine rein städtische Aufgabe: „Hier müssen alle Stellen Hand in Hand arbeiten.“ Aber es geht nicht von heute auf morgen. Bennerscheidt: „Das ist eine Lebensaufgabe.“

Fehler beim Kanalbau gehen ins Geld

Fehler in der Grundstücksentwässerung können Rückstau ins Gebäude und Überflutung zur Folge haben und hohe Schäden anrichten. Das kostet viel Zeit und Geld!

Das IKT rät bei Planung und Bau der Entwässerung sollten Bauherren folgende Aspekte beachten:

  • Mindestnennweite der Rohre 100 mm, Anschlussleitung an den öffentlichen Kanal 150 mm, Mindestgefälle zwei Prozent
  • Niederschlagswasser ist auf dem Grundstück zurückzuhalten. Ausnahmen: wenn das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt oder der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist oder Anschlusszwang an ein bestehendes Netz besteht
  • Sicherung gegen Rückstau versehen (gute Systeme kosten 2000 Euro)
  • Wartungsfreundliche Leitungsführung, d.h. Kontrollschacht, Revisionsöffnungen, keine Leitungen unter der Bodenplatte.

Eine gute Idee ist in Lünen umgesetzt worden. Dort gibt es einen kostenlosen Entwässerungspass. Hauseigentümer können prüfen lassen, ob Terrassen, Hofflächen und Kellerfenster auf Starkregen ausgerichtet sind. Falls die Straße z. B. ein Gefälle zum Haus hin aufweist, kann die Haustür durch eine Stufe mit optimaler Sicherheitshöhe vor dem Eindringen von Regenwasser geschützt werden. Ist der Bodenablauf im Kellerhals mit einer Rückstausicherung abgesichert? Darauf sollte bei Neubau oder Sanierung geachtet werden, damit das Wasser bleibt, wo es hingehört – draußen nämlich.

Eigentümer selbst für die Entwässerung verantwortlich

„Aber ist es nicht die Aufgabe des Architekten, sich um diese Dinge zu kümmern?“, fragen sich viele. Ja, im Grunde schon. Aber sicher ist sicher. In Gelsenkirchen gibt es diesen Service der Stadt (noch) nicht. Es ist der Initiative der Hauseigentümer überlassen, ob sie die Kanalisation prüfen wollen. Der Gesetzgeber jedenfalls sieht es so, dass jeder Eigentümer für die Entwässerung auf seinem Grundstück selbst und damit auch für etwaige Schäden verantwortlich ist.

Kleine Unachtsamkeiten haben auch große Wirkung. Straßen- Gullys vor dem Haus sollten frei von Dreck, Laub, Holz oder Abfällen sein. Beim Reinigen der Straßenrinne darf auf keinen Fall das Zusammengekehrte in den Gully gefegt werden. Der setzt sich zu, das Wasser kann nicht abfließen.