Essen. Helfen größere Kanäle gegen Hochwasser? Schützen wasserdichte Kellerfenster vor Flutschäden? Landesbauminister Michael Groschek (SPD) hat mehrere Ideen zum Hochwasserschutz eingebracht. Aber wie realistisch sind die Vorschläge des Ministers? Wir haben Groscheks Aussagen unter die Lupe genommen.
Größere Kanalrohre, mehr Überflutungsflächen, bessere Abläufe auf Straßen, wasserdichte Kellerfenster und keine Tiefgaragen — Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) will die Folgen schwerer Regenfälle mildern.
Am Donnerstag brachte der Minister mehrere Ideen zum Hochwasserschutz in die Diskussion ein. Ein fester Maßnahmenkatalog sei das natürlich nicht, erklärte sein Sprecher. Die Vorschläge seien nur eine Basis für kommende Überlegungen. Aber: Wären sie überhaupt sinnvoll und durchführbar? Sind die Vorschläge reine Utopie? Oder ist das alles ein alter Hut? Wir haben Groscheks Aussagen unter die Lupe genommen.
1. Kanalisation:
"Wir werden uns darüber unterhalten, ob die Kanalisation überhaupt ein Fassungsvermögen hat, was angemessen ist", sagte der Minister am Donnerstag im WDR.
Das sei nun wirklich nicht neu, erklärt Prof. Bert Bosseler vom "Institut für Unterirdische Infrastruktur" (IKT) in Gelsenkirchen. Jede Kommune prüfe alle paar Jahre, ob ihre Kanäle ausreichen. Und sie reichen aus - eigentlich. Denn die Kanäle seien immer so geplant, dass es genug Reserven für einen massiven Rückstau gebe.
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Dass bei vermehrtem Starkregen die Kanäle immer wieder komplett volllaufen, sei also geplant. Das Problem sei ein anderes: Viele Häuslebauer haben keine Rückstausicherung eingebaut. Wenn sich das Regenwasser im Kanal (planmäßig) staut, wächst der Druck auf den Hausanschluss — der Keller läuft voll. Es sei also auch Aufgabe der Kommunen, die Hausbesitzer besser über die erhöhte Rückstaugefahr zu informieren.
Und ganz davon abgesehen: Ein Kanalnetz, dass jede noch so extreme Niederschlagsmenge schafft, sei kaum vorstellbar. Die Kosten wären einfach zu hoch.
2. Straßenbau:
Groschek sagte auch: "Wir werden uns darüber unterhalten, ob der Straßenbau weiterentwickelt werden muss, die Sickerfähigkeit erhöht werden muss."
Auch das sei nicht neu, weiß Prof. Bosseler. Das Thema werde in NRW schon länger heftig diskutiert. Der Hintergrund: Die Kanalisation sei nur dafür ausgelegt, einen bestimmten Anteil des Regenwassers zu schlucken. Der Rest müsse von der Straße abgeleitet werden und, einfach gesagt, im Graben versickern.
Bei kleineren Straßen sei das kein Problem. Aber bei großen, viel befahrenen Strecken darf das Wasser nicht einfach ins Grundwasser laufen — es muss erst von Straßendreck gereinigt werden. Schon jetzt würden zu diesem Zweck viele Regenrückhaltebecken gebaut, so Bosseler.
3. Überflutungsflächen:
Ein weiterer Diskussionspunkt: "Wir werden uns darüber unterhalten müssen, ob wir genügend Sickerflächen haben."
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Mehr Überflutungsflächen seien sicher sinnvoll, so Prof. Bosseler. Aber auch das ist schon länger in der Diskussion. Allerdings gibt es in Innenstädten kaum Platz für neue Sickerflächen.
Am Ende stehen Kommunen daher vor der Kosten/Nutzen-Frage: Was ist günstiger? Einen bestehenden (städtischen) Sport-, Spiel- oder Parkplatz zur Sickerfläche auszubauen, das Wasser dort hin zu leiten und nachher die Fläche wieder instandzusetzen — oder den Hochwasserschaden an anderer Stelle in Kauf zu nehmen?
4. Tiefgaragen:
Außerdem sprach Minister Groschek an: Man müsse darüber nachdenken, in bestimmten Gebieten keine neuen Tiefgaragen mehr zu genehmigen.
Dem steht der Stellplatz-Passus in der Bauordnung im Wege. Denn für alle Neubauten ist, abhängig von der Nutzung, eine bestimmte Zahl an Parkplätzen vorgeschrieben. Der Platzmangel in Innenstädten lässt oft keine andere Lösung zu, als Tiefgaragen.
Zwar gebe es auch Garagentore, die vor Überflutung schützen, weiß Dr. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurskammer NRW. Billig seien die aber nicht. Eine entsprechend dimensionierte Ablaufrinne sei sinnvoller.
5. Kellerfenster:
Eine weitere Idee von Minister Groschek: Bauherren zu wasserdichten Kellerfenstern verpflichten.
Dem Vorschlag schließt sich Kammerpräsident Bökamp an, zumal diese Lösung denkbar einfach und preiswert sei. In den meisten Fällen helfe es schon, die Umrandung von Lichschächten anzuheben und so einen kleinen Schutzwall vor dem Wasser bieten. Wasserdichte Fenster seien auch denkbar, aber teurer.