Gelsenkirchen. . Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piraten und nach einer zum Teil hitzig geführten Diskussion eine Erhöhung der Grundsteuer B um 150 auf 695 Prozentpunkte beschlossen. Die würde ab dem Jahr 2017 greifen, sollte bis dahin nicht von der Bundesregierung das Bundesteilhabegesetz verabschiedet worden sein.

Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat mit den Stimmen von SPD, Grünen und Piraten und nach einer zum Teil hitzig geführten Diskussion eine Erhöhung der Grundsteuer B um 150 auf 695 Prozentpunkte beschlossen. Die würde ab dem Jahr 2017 greifen, sollte bis dahin nicht von der Bundesregierung das Bundesteilhabegesetz verabschiedet worden sein. Als direkte Folge dieser Entscheidung teilte die Bezirksregierung Münster der Stadtverwaltung am Freitagmorgen mit: Der Gelsenkirchener Haushalt 2014 ist genehmigt.

Ein Veto aus Düsseldorf

Die Erhöhung der Grundsteuer B wurde nachträglich in den Haushaltssanierungsplan 2014 eingearbeitet, der, am 29. November 2013 im Rat beschlossen, bis Freitag von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt worden war. Der Grund: Ein Veto der Landesregierung in Düsseldorf.

Dabei geht es um die Einplanung der Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, die in Nordrhein-Westfalen überwiegend von den Landschaftsverbänden getragen werden. Die Städte kommen an dieser Stelle ins Spiel, weil sich die Verbände zu fast zwei Dritteln über Umlagen finanzieren, für die die Kommunen aufkommen müssen. Gelsenkirchen etwa überweist aktuell im Jahr 71 Millionen Euro an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster, während das eigene Haushaltsdefizit nach Angaben der Verwaltung im Jahr 2013 bei 73 Millionen Euro lag.

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Rat plante ohne Erhöhung

Weder Rat noch Verwaltung hatten vor, die Grundsteuer B und damit eine der sogenannten Bürgersteuern zu erhöhen, die in diesem Fall die Portemonnaies der Gelsenkirchener Haus- und Grundstückseigentümer direkt belasten würde. Alle gemeinsam hatten sie gehofft, dass die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD in Berlin zum Wahlversprechen stehen würde, die Städte an der Stelle finanziell zu entlasten.

Keine Jahreszahl im Vertrag

Im Koalitionsvertrag steht zu lesen, dass „die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes im Umfang von fünf Milliarden Euro jährlich von der Eingliederungshilfe entlastet werden. Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes beginnen wir mit einer jährlichen Entlastung in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr“.

Das Gelsenkirchener Modell

Gelsenkirchens Kämmerer Dr. Georg Lunemann (CDU) hat diese Ankündigung ernst genommen und in den Haushaltssanierungsplan 2014 eingearbeitet. Bei einer Milliarde Euro pro Jahr würde die Entlastung der Stadtkasse anteilig fünf Millionen Euro betragen, bei fünf Milliarden, die ab 2016/2017 fließen sollten, laut Berechnungsschlüssel 20 Millionen Euro. „Wir haben daher eine Aufwandsminderung in Höhe von zehn Millionen Euro ab 2016 eingebaut, die dynamisch steigt“, erklärte Lunemann der WAZ, und: „Würde das Geld wider Erwarten nicht fließen, hätte die einstimmige Entscheidung des Rates gezogen, ab 2017 die Grundsteuer B um 100 Prozentpunkte heraufzusetzen.“

Warum 150 Prozentpunkte?

Die jetzt beschlossenen 150 Prozentpunkte ergeben sich aus zwei Umständen:

Zum einen hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die fünf Milliarden Entlastung in seiner mittelfristigen Finanzplanung wider Erwarten erst für 2018 vorgesehen, was in der nächsten Legislaturperiode wäre. Deshalb lässt die Landesregierung in Düsseldorf die von der Kämmerei bereits eingeplante Entlastung nicht zu, würde aber gestatten, sie wieder zu streichen, falls die Bundesregierung ihre Ankündigung für 2016/2017 noch wahr macht.

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Zum anderen wurde die geplante Besteuerung von Mobilfunkmasten in Gelsenkirchen von der Kommunalaufsicht abgelehnt. Um dieses Loch zu füllen, setzt die Verwaltung eine Anhebung um weitere 50 Prozentpunkte an.

Nothaushalt drohte

Rein fachlich, so Lunemann im Gespräch mit der WAZ, müsse die Erhöhung in den Haushaltssanierungplan eingearbeitet werden, um die Kriterien für den Stärkungspakt Stadtfinanzen zu erfüllen. „Sonst erhalten wir die Unterstützung des Landes nicht und ein Haushaltsausgleich in 2018 mit und in 2021 ohne Landesunterstützung wäre nicht möglich.“ OB Frank Baranowski (SPD) erinnerte die Stadtverordneten daran, „dass wir mit einem nicht genehmigten Haushaltssanierungsplan in einen Nothaushalt rutschen“. Das könne niemand wollen.

SPD, Grüne und Piraten sahen die Notwendigkeit ein, während alle anderen im Rat der Stadt vertretenen Parteien die Erhöhung aus Prinzip ablehnten – ohne echte Gegenvorschläge für einen Finanzierungsausgleich zu machen.

Haushalt 2014 genehmigt

Die SPD-Ratsfraktion ist erfreut, dass nur eine Woche nach der Ratssitzung die Genehmigung des städtischen Haushalts für das Jahr 2014 durch die Bezirksregierung erfolgte. Der Fraktionsvorsitzende Dr. Klaus Haertel sagte: „Mit der Genehmigung haben wir ein gutes Stück kommunale Handlungsfähigkeit zurückgewonnen.“

Stadtkämmerer Lunemann erklärte der WAZ: „Wir freuen uns, dass das Land unseren Haushaltssanierungsplan 2014 genehmigt hat und Gelsenkirchen eigenverantwortlich über seine Finanzen bestimmen kann. Obwohl die Lage eine extrem sparsame Bewirtschaftung des Haushalts erfordert, können gerade im Bereich der Investitionen jetzt einige bisher auf Eis liegende Projekte begonnen werden.“