Gelsenkirchen. An der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen beschäftigen sich Experten mit der „wärmegeführten Stromerzeugung“ als Baustein der Energiewende. Was genau damit gemeint ist, hat der Direktor des Westfälischen Energieinstituts,Prof. Dr. Michael Brodmann, WAZ-Redakteurin Anne Bolsmann erklärt.
Die Energiewende ist das große Politik- und Wirtschaftsthema – aber sie beschäftigt auch die Forscher und Wissenschaftler. An der Westfälischen Hochschule beschäftigen sich Experten mit der „wärmegeführten Stromerzeugung“ als Baustein der Energiewende. Was genau damit gemeint ist, hat der Direktor des Westfälischen Energieinstituts, Prof. Dr. Michael Brodmann, WAZ-Redakteurin Anne Bolsmann erklärt.
Herr Prof. Brodmann, was ist denn „wärmegeführte Stromerzeugung“?
Prof. Dr. Michael Brodmann: Bei der „wärmegeführten Stromerzeugung“ kommt es darauf an, stärker als bisher den Wärmeenergiebedarf im Auge zu haben, wenn man Strom erzeugt. Bislang geht uns ein Großteil der Wärme, die bei der Erzeugung von elektrischer Energie anfällt, verloren. Sie geht einfach durch den Schornstein oder den Kühlturm und ist dann weg. Uns am Westfälischen Energieinstitut geht es darum, Systeme und Netze zu entwickeln, mit denen man diese Wärme nutzen und speichern kann.
Aber was genau hat das mit der Energiewende zu tun?
Brodmann: Die Energiewende wird heute oft von der elektrischen Seite her betrachtet. Es geht darum, den Strombedarf zu decken. Etwa die Hälfte des Energiebedarfs von Industrie und Privathaushalten fällt jedoch auf dem Feld der Wärme an. Deshalb sollte die Wärmeerzeugung auch stärker in den Fokus gerückt werden. Wenn wir beispielsweise den Ausbau von Wärmenetzen und großen Wärmespeichern voran treiben, kann dies ein Baustein der Energiewende werden. Wenn man Energie intelligent nutzt, verbraucht man weniger Rohstoffe. Unser Ziel ist etwa, dass man elektrische Energie gezielt erzeugt, wenn Wärme gebraucht wird.
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Aber wie soll das funktionieren?
Brodmann: Nehmen sie beispielsweise zwei Industrieunternehmen, die beide Strom und Wärme benötigen und erzeugen. Wenn beide durch eine Wärmepipeline miteinander verbunden werden, können sie sich gegenseitig mit Energie speisen. Wenn also das eine Unternehmen gerade Wärme braucht, bekommt es diese von dem anderen Unternehmen, das gerade elektrische Energie generiert und dabei Wärme erzeugt – und umgekehrt. Natürlich könnte man auch Privathaushalte auf diese Weise versorgen. Man müsste dafür das bestehende Nah- und Fernwärmenetz allerdings deutlich ausbauen und zudem in große Wärmespeicher investieren.
Ist so etwas nicht wahnsinnig teuer?
Brodmann: In Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet würde sich so etwas schnell rentieren. In dünn besiedelten Gegenden würde es sicherlich deutlich länger dauern, bis sich solche Wärmenetze rechnen.